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Interview
Harris und der US-Wahlkampf:Demokratin: "Trump ist bereits überfordert"
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Der Biden-Verzicht hat den US-Wahlkampf durchgewirbelt - es kommt wohl zum Trump-Harris-Duell. Demokratin Chucholowski sieht deutlich bessere Chancen durch eine Harris-Kandidatur.
Wie stehen die Chancen von Kamala Harris, wenn sie tatsächlich gegen Trump bei den US-Wahlen 2024 antritt?
Quelle: AFP
Der ZDF-Politiktalk "maybrit illner" beschäftigt sich am Donnerstagabend mit dem Thema "Harris gegen Trump - wie schmutzig wird der US-Wahlkampf?" Zu Gast ist unter anderem Constance Chucholowski von den Democrats Abroad Berlin, die im ZDFheute-Interview über die möglichen Chancen von Kamala Harris spricht.
ZDFheute: Kamala Harris kann sich bereits über die Unterstützung rund der Hälfte der 4.000 Delegierten freuen. Ist ihr damit die Kandidatur tatsächlich sicher?
Constance Chucholowski: Sicher ist bis zum Tag, an dem eine Kandidatin oder ein Kandidat offiziell von den Delegierten gewählt ist, nichts. Aber klar, die überwältigende Unterstützung der Delegierten für Kamala Harris - darunter auch die Mehrheit der Democrats-Abroad-Delegierten - zeigt, dass Kamala Harris die Nominierung bis spätestens zum Parteitag der Demokraten gewinnen könnte.
Quelle: Constance Chucholowski
... ist Vorsitzende des Berliner Verbandes der Democrats Abroad. Die 33-jährige Halbamerikanerin wuchs in Kalifornien auf. Sie studierte unter anderem in Wisconsin, wo sie auch wählen wird. Die Politikberaterin hat einen Bachelor-Abschluss in International Studies und Politikwissenschaften von der University of Wisconsin, Madison und einen Master-Abschluss in International Public Affairs von der La Follette School of Public Affairs.
ZDFheute: Wie ist das Prozedere bis zu dem Punkt, an dem sie sich dann tatsächlich Präsidentschaftskandidatin nennen kann?
Chucholowski: Stand heute ist noch unklar, wie der oder die Kandidatin gewählt wird: auf dem Parteitag am 19. August oder virtuell im Voraus. Sollte im Voraus abgestimmt werden, werden Delegierte per Mail abstimmen. Um auf dem Wahlzettel zu stehen, brauchen Kandidierende für die Nominierung mindestens 300 Unterschriften. Der oder die Kandidierende braucht dann 1.976 der Delegierten-Stimmen, um die Nominierung offiziell zu erhalten. Aus Deutschland kommen 2 der insgesamt 21 Delegierten der Democrats Abroad.
ZDFheute: Warum war es richtig, dass Joe Biden seine Kandidatur aufgegeben hat?
Chucholowski: Zuallererst ist anzuerkennen, dass Joe Biden mit dem Aufgeben seiner Kandidatur etwas ganz Großes getan hat. Etwas, was sein Gegner Donald Trump nie getan hätte. Die Entscheidung war die selbstlose Antwort auf die Frage: Was braucht mein Land jetzt? Wir haben jetzt Klarheit, dass etwas Neues kommt - angefangen bei den Kandidaten bis hin zur Strategie und dem "Vibe" der Kampagne. Bis jetzt war der Fokus der Kampagne "Biden hat in den letzten Jahren mehr erreicht als jeder Präsident zuvor", jetzt können wir auch eine Zukunftsvision rund um eine neue Kandidatin bauen.
ZDFheute: Was zeichnet Kamala Harris aus Sicht der Demokraten als Kandidatin aus?
Chucholowski: Sie würde aus meiner Sicht genau die Wählergruppen mobilisieren können, die es gilt, in den nächsten dreieinhalb Monaten an die Wahlurne zu bringen: junge Menschen, die sich fragen, wohin die Reise geht, Independents, die von der Polarisierung von Donald Trump angeekelt, aber sonst auch desillusioniert sind, und die Parteibasis, die ihre Zukunft mit Kamala Harris sieht.
ZDFheute: Was sind Ihre Stärken, die sie jetzt ausspielen kann?
Chucholowski: Kamala Harris ist eine absolute Expertin, als Generalstaatsanwältin in Kalifornien hat sie die Bundesstaatsebene en détail betreut. Als Senatorin hat sie eng mit dem gesamten Kongress zusammengearbeitet. Viele Senatoren und Senatorinnen haben ihre Unterstützung für Kamala Harris innerhalb Stunden nach der Veröffentlichung ihrer Kandidatur ausgesprochen - sie glauben fest an sie und in vielen Fällen knüpfen sie damit ihre eigenen Kandidaturen für eine Wiederwahl an ihren Erfolg.
Auch der Fundraising-Erfolg von Kamala Harris in den ersten 24 Stunden - 84 Millionen Dollar - ist beispiellos.
Constance Chucholowski, Democrats Abroad
Die Sendung "maybrit illner" mit dem Thema "Harris gegen Trump – wie schmutzig wird der US-Wahlkampf?" am Donnerstag, 25. Juli, um 22:15 Uhr im ZDF. Bei Maybrit Illner diskutieren Hubertus Heil (SPD), Jens Spahn (CDU) – beide zurück von ihren USA-Reisen – sowie Constance Chucholowski, vom Democrats Abroad Berlin der Wirtschaftshistoriker Adam Tooze und CNN-Auslandskorrespondent Frederik Pleitgen.
ZDFheute: Was kann sie Donald Trump vielleicht sogar besser entgegensetzen als Joe Biden? Wen spricht sie an?
Chucholowski: Donald Trump ist bereits davon überfordert, dass es eine weibliche demokratische Kandidatin gibt. Das merkt man allein an seinem Verhalten auf Truth Social. Kamala Harris kann stark kommunizieren, vor allem in 1:1-Debatten-Situationen.
Sie kann die Erfolge der letzten vier Jahre für sich mitfeiern und gleichzeitig mehr anstreben.
Constance Chucholowski, Democrats Abroad
Ich denke, sie hat darüber hinaus eine große Chance, Wähler aus der Mittelschicht in den Vorstädten anzusprechen, und es ist tatsächlich sehr wichtig, bei diesen rund 60 Millionen Wählern die Chance zu erhöhen, dass sie nicht mehr Donald Trump ihre Stimme geben. Persönlich finde ich, eine ihrer Stärken ist ihr Humor. Sie ist sympathisch und einfühlsam, ihr geht es nicht um die Wählenden, sondern darum, wie es diesen geht. Das ist ein großer Unterschied.
ZDFheute: Würden die Demokraten nach einem möglichen Wahlerfolg zur Ukraine-Hilfe stehen?
Chucholowski: Ja, ich denke nicht, dass sich an der Position der Demokraten zur Ukraine-Hilfe etwas ändern wird.
ZDFheute: Würde nach einem Wahlerfolg möglicherweise auch eine erste US-Präsidentin Europa klar machen, dass es in Sachen seiner Verteidigung unabhängiger von amerikanischer Unterstützung werden muss?
An den Erwartungen an Europa würde sich unter einer Präsidentin Harris vermutlich nicht viel ändern.
Constance Chucholowski, Democrats Abroad
ZDFheute: Der Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten ist auch sehr wichtig. Wer hat Chancen, gegen J.D. Vance ins Rennen geschickt zu werden?
Chucholowski: Es werden derzeit viele mögliche Kandidaten genannt, die Entscheidung trifft immer der oder die nominierte Präsidentschaftskandidat:in. Darunter sind Leute wie Andy Beshear, Gouverneur von Kentucky, der in einem republikanischen "Roten Staat" sehr beliebt ist. Pete Buttigieg kann im Mittleren Westen, vor allem in Wisconsin und Michigan, mit seiner offenen und schlagfertigen Art, sicher gut mobilisieren. Auch Roy Cooper, der Gouverneur von North Carolina, ist ein möglicher Kandidat. Auch North Carolina ist ein Staat, den die Demokraten unbedingt am 5. November gewinnen müssen.
Das Interview führte Berit Suhr aus der Redaktion "maybrit illner".
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