Experte zu Gaza-Abkommen: Warum hat Netanjahu dem Gaza-Deal zugestimmt?
Experte zu Gaza-Abkommen:Warum hat Netanjahu dem Gaza-Deal zugestimmt?
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Warum hat Netanjahu dem Abkommen mit der Hamas zugestimmt? Was der entscheidende Faktor gewesen sein könnte und ob die Waffenruhe von Dauer ist, erklärt Nahost-Experte Busse.
Ab 7 Uhr 30 sollen morgen für sechs Wochen die Waffen in Gaza schweigen und erste israelische Geiseln freikommen. Ein Durchbruch nach 15 Monaten Krieg.18.01.2025 | 1:42 min
Nach der Zustimmung des israelischen Sicherheitskabinetts hat nun auch die gesamte Regierung das Waffenruhe-Abkommen mit der Hamas gebilligt. Das Kabinett unter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu gab in der Nacht zum Samstag grünes Licht, sodass die Waffenruhe ab Sonntagfrüh um 7:30 Uhr in Kraft treten kann.
Erste Geiseln sollen aus der Gewalt der Hamas freikommen. Doch trotz dieser ersten positiven Schritte bleibt der Weg zum dauerhaften Frieden im Gazastreifen ungewiss. Nahost-Experte Jan Busse zeigt sich im "heute journal update" vorsichtig optimistisch, doch die Herausforderungen bei der Umsetzung des Deals sind enorm.
Morgen sollen die ersten der noch von der Hamas gefangen gehaltenen 98 Geiseln freikommen. Thomas Reichart berichtet aus Tel Aviv.18.01.2025 | 1:16 min
Ob die Menschen auf beiden Seiten des Konflikts wirklich aufatmen können, könne man erst sagen, "wenn es in die Umsetzung des Abkommens geht".
Ab Sonntag sollen die ersten Austausche stattfinden, aber momentan stehen alle Zeichen darauf, dass es dazu kommen wird. Und ich denke, dass die Hoffnung berechtigt ist.
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Jan Busse, Nahostexperte
Quelle: Unibw M / Siebold
... ist Nahost-Experte und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Internationale Politik und Konfliktforschung an der Universität der Bundeswehr in München.
Warum hat Netanjahu der Vereinbarung zugestimmt?
Nahost-Experte Busse sieht mehrere Faktoren, die Premierminister Netanjahu dazu gebracht haben, dem aktuellen Deal zuzustimmen. Zum einen habe die Erkenntnis, dass Geiseln nur selten durch Militär-Operationen befreit werden können, eine Rolle gespielt - vielmehr seien Verhandlungen, wie bereits im November 2023, entscheidend.
Doch der zentrale Einfluss sei von Donald Trump gekommen, der sich ab Montag im Amt als neuer US-Präsident befindet. Trump übte enormen Druck aus und drohte mit nachhaltigen Konsequenzen, falls kein Deal zustande komme. Dieser Druck, so Busse, sei letztlich der ausschlaggebende Faktor gewesen.
Ich denke, der Einfluss von Trump und seinem Berater Witkoff, der sich am Wochenende mit Netanjahu in Tel Aviv getroffen hat, war maßgeblich.
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Jan Busse, Nahostexperte
Denn letztenendes sei es so, "dass auch die Vergangenheit immer wieder gezeigt hat, dass wenn Druck ausgeübt wird auf beiden Seiten der Konflikt-Parteien, sind sie bereit auch ihre Kosten-Nutzen-Kalküle anzupassen".
Dennoch: Der aktuelle Deal, so Busse, entspricht zu über 90 Prozent dem, was bereits im Mai 2024 von US-Präsident Joe Biden vorgeschlagen wurde.
Thomas Reichart in Tel Aviv: Die Waffenruhe müsse halten, damit überhaupt Geiseln freigelassen werden würden. Trump reklamiert den Erfolg indes für sich allein, so Elmar Theveßen.15.01.2025 | 2:55 min
Wie geht es mit dem Gazastreifen weiter?
Die Hamas sei militärisch und politisch erheblich geschwächt und in der Region isoliert, bilanziert Busse. "Aber sie ist auf keinen Fall zerstört." "Viel konnte Netanjahu nicht erreichen, obwohl er das immer als Priorität so festgesetzt hat." Denn: Die Hamas konnte viele getötete Kämpfer durch neue Rekruten ersetzen.
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Trotzdem hätte die Hamas unter einem so großen Druck gestanden, dass sie am Ende dem Deal zustimmten, erklärt der Nahost-Experte.
Der Deal umfasst drei Phasen, wobei in der ersten Übergangsphase 33 Geiseln ausgetauscht werden sollen. Netanjahu steht dabei unter enormem Druck von seinen Koalitionspartnern, was die Möglichkeit eines erneuten Aufflammens der Kämpfe nach dieser Phase betrifft.
Die erste Phase soll sechs Wochen (42 Tage) dauern. Sie startete am 19. Januar um 10:15 Uhr.
Sie sieht vor: eine vollständige Waffenruhe und einen Rückzug der israelischen Streitkräfte aus allen dicht besiedelten Gebieten des Gazastreifens.
Palästinenser sollen demnach in alle Teile des Gazastreifens zurückkehren können.
Es soll außerdem zunächst eine bestimmte Gruppe von 33 Geiseln freigelassen werden - darunter Frauen, Ältere und Verletzte. Insgesamt sollen noch 98 Geiseln in der Gewalt der Hamas sein.
Im Gegenzug sollen etwa 1.900 Palästinenser freikommen, die in Israel inhaftiert sind.
Ziel sei auch, sofort in großem Stil humanitäre Hilfe in das Küstengebiet zu bringen.
Während der ersten Phase sollen die notwendigen Vereinbarungen ausgehandelt werden, um zur zweiten Phase zu gelangen: einem dauerhaften Ende der Kämpfe.
Die Waffenruhe solle andauern, solange diese Verhandlungen laufen - auch falls sich dies länger als sechs Wochen hinzieht.
In der zweiten Phase sollten dann alle restlichen lebenden Geiseln freigelassen werden, darunter auch männliche Soldaten. Da fraglich ist, ob tatsächlich eine Einigung gelingt, gibt es jedoch bereits Vorwürfe an Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, man habe mit dem jetzigen Abkommen die restlichen Geiseln im Stich gelassen.
Das israelische Militär soll sich komplett aus dem Gazastreifen zurückziehen.
In der dritten Phase sollen die Überreste getöteter israelischer Geiseln an ihre Familien zurückgegeben werden.
Außerdem soll dann der Wiederaufbau im Gazastreifen beginnen. US-Präsident Joe Biden hatte dafür Ende Mai eine Dauer von drei bis fünf Jahren genannt.
Quelle: dpa, Reuters, AFP
Ist ein dauerhafter Frieden möglich?
Ein dauerhafter Frieden ist laut Busse noch weit entfernt. Zunächst muss die erste Phase des aktuellen Deals umgesetzt und in die zweite überführt werden. Andernfalls würde es nur eine kurze Feuerpause geben. Ein wirklicher Waffenstillstand und eine Friedensregelung können erst nach Abschluss dieses Deals erzielt werden.
Der Wiederaufbau des Gazastreifens, so Busse, könne nur gelingen, wenn eine politische Lösung gefunden wird. Nur durch diese könnte man der Hamas langfristig die Unterstützung entziehen und so für dauerhaften Frieden und Sicherheit für Israelis und Palästinenser sorgen.
Das Interview führte Laura Barnick, zusammengefasst hat es Katharina Schuster.
Das israelische Sicherheitskabinett hat dem Abkommen über eine Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas zugestimmt. Die Genehmigung der israelischen Regierung steht noch aus.17.01.2025 | 0:20 min
Angriff auf Israel (Karte Israel, Gazastreifen etc.)
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Nachdem der Nahost-Konflikt durch den Hamas-Überfall eskaliert ist, ringen die Parteien um eine Waffenruhe. Aktuelle News und Hintergründe im Liveblog.