US-Demokraten: Was Tim Walz' Rede über den Kandidaten sagt

Tim Walz war bis vor Kurzem im ganzen Land kaum bekannt. Es ist zwei Wochen her, seit sich sein Leben auf den Kopf gestellt hat. Der Mann, der die Nominierung zum Vizekandidaten der US-Demokraten bei der Präsidentschaftswahl annimmt, zeigt sich strahlend, demütig und emotional. Die Menschen in der Halle feuern ihn an.

Die Demokraten in Chicago bekommen den Walz zu sehen, der ihnen versprochen wurde: Lehrer Walz, Coach Walz und Papa Walz.

Kamala Harris hat sich für einen überraschenden Vize entschieden, der die Rede nutzt, um sich Amerika vorzustellen. Walz spricht über das Großwerden auf dem Land, seine Karriere als Mitglied der Nationalgarde, als Lehrer, als Footballtrainer, Kongressabgeordneter.

Kurz vor seinem Auftritt kamen etwa ein Dutzend alter Spieler von Walz auf die Bühne. Von Coach-Rufen empfangen, lässt es sich Walz nicht nehmen, den Wahlkampf mit einem Footballspiel zu vergleichen. Er habe noch nicht viele Reden wie diese gehalten, sagt er, aber eine Menge Ansprachen. Das Spiel befinde sich im letzten Viertel.

 

Gemeint ist Kamala Harris. Sie sei zäh, erfahren und bereit für diesen Kampf, betont Walz.

Es ist eine eher kurze Rede, die im Saal gut funktioniert, aber wenig Neues bringt. Das sollte sie auch nicht. Wegen der kurzen Zeit und der noch geringen Bekanntschaft sollte er bei seinen bisherigen Redethemen bleiben.

Es ist diese simple Botschaft, die sich das Wahlkampfteam von Harris wünscht. Walz ist der nette Nachbar von nebenan, vom Land, aus einfachen Verhältnissen. Und er ist Familienmensch, das wird an dem Abend für alle sichtbar. Er erzählt erneut von den jahrelangen Versuchen, ein Kind zu bekommen und Kinderwunschbehandlungen, deren Happy End seine Tochter Hope ist.

Als er über seine Familie spricht, hält es seinen Sohn nicht mehr auf dem Stuhl. Gus Walz platzt vor Stolz, zeigt weinend auf die Bühne und ruft: "Das ist mein Papa!" Diese Szene ist auf der großen, meist perfekt inszenierten Bühne der US-Politik so echt, dass klar ist: Das Bild vom Familienmensch von nebenan ist real.

Inwiefern all das bei den Wählerinnen und Wählern ankommt, auf die Präsidentschaftskandidatin Harris bei der Entscheidung für Walz geschielt hat, ist offen. Das ländliche Amerika hat sich in den vergangenen Jahrzehnten von den Demokraten abgewandt. Große Teile, auch in Walz' Heimat, sind Trump-Land.

Ihnen soll er nun beweisen, dass er ein Jäger für strengere Waffenrechte sein kann. Dass die Demokraten es ernst meinen damit, sich um die Menschen auf dem Land zu kümmern. Dass die Freiheit für alle gelten soll, sodass jeder sein Leben selbst gestalten kann. Dass die Vision der Republikaner eine radikale und schlechtere Option sei.

Von Beginn an nimmt sich Walz nicht zurück, wenn es darum geht, die politischen Gegner J.D. Vance und Donald Trump anzugreifen. Auch hier geht Walz voran. Auch in seiner Rede nennt er Trump wieder "weird", also seltsam. Diese Art und Weise, den Schrecken abzumildern und Freude zurück in die politische Landschaft zu bringen, haben Walz letztlich zum Kandidaten gemacht.

Außerdem ist er uneitel und stellt sich gerne in die zweite Reihe. Freut sich darüber, Kamala Harris nach vorne zu stellen. Seine Authentizität inklusive Dad-Jokes hat ihm auch in den Sozialen Netzwerken schnell zu großer Reichweite verholfen.

Seine Flapsigkeit hat jedoch auch schon zu einigen Übertreibungen und Unsauberkeiten geführt, die den Republikanern nutzen. Daher dürfen wir alle gespannt sein, wie Coach Walz das letzte Viertel bis zur Wahl im November spielen wird.