Die "erste Frau in diesem Amt" und "die Jüngste": So kündigte Ägyptens Presse den Auftaktbesuch der Außenministerin an. Deutliche Worte fand Baerbock beim Thema Menschenrechte.
Im November lädt Ägypten die Welt zur UN-Klimakonferenz im ägyptischen Badeort Scharm el-Scheich ein. Beobachter fragen sich: Werden Nichtregierungsorganisationen, zivile Klima-Initiativen und Menschenrechtler willkommen sein? Wird eine Greta Thunberg in der Nähe des Konferenzortes demonstrieren können? Ein Weltereignis kann kritische Presse bedeuten, die dunkle Ecken beleuchtet - wäre Ägypten bereit, dies zu tolerieren?
Immer wieder blickt Annalena Baerbock freundlich und zugewandt ihren ägyptischen Amtskollegen Samih Schukri an, als sie erklärt, wie gutes Klima und Menschenrechte zusammenhingen. Und dass eine erfolgreiche Klimakonferenz eben auch von einer starken Zivilgesellschaft abhänge: "Gerade junge Menschen überall auf der Welt fordern von uns doch, den Planeten bewohnbar zu machen".
"Herzensanliegen" einer deutschen Außenministerin
Neue Töne in Kairo: Menschen- und Frauenrechte als "Herzensanliegen" einer deutschen Außenministerin, die authentisch auftritt und nicht mit selbstkritischen Nebensätzen spart:
lächelt Baerbock.
In einem Land, in dem nach eigenen Studien neun von zehn Frauen sexuelle Gewalt erfahren haben, erinnert Baerbock daran: Nur wo eine Frau sicher sei, seien alle Mitglieder einer Gesellschaft sicher. Damit spricht sie genau jene Themen an, bei denen Ägyptens Menschenrechtlerinnen sich Halt und Hilfe aus dem Westen - und aus Deutschland - erhoffen.
Frauenrechtlerin wollen Anstoß für Veränderungen
Azza Soleiman - eine Anwältin, die Missbrauchsopfer verteidigt und dafür mehrfach verhaftet wird - wünscht sich, dass der Besuch aus Deutschland etwas anstößt im Land: "Ich denke, Frau Baerbock sollte ihre Gespräche damit beginnen, über Ägyptens Selbstverpflichtungen zu reden. Unser Präsident Abdel Fattah al-Sisi hat eine Menschenrechtsstrategie verkündet. Ich als Bürgerin muss wissen: Wie wird sie umgesetzt? Ich brauche einen Plan. Wie wird das realisiert, bitte schön? Wie kann die Gesellschaft, wie können Frauenrechtsorganisationen hierzulande diese Strategie umsetzen helfen?"
Im September hatte Ägypten den Versuch gestartet, das Menschenrechtsimage des Landes zu verbessern: eine nationale Strategie, mit einer Liste von Zielen, die in den nächsten fünf Jahren erreicht werden sollen. Von Sisi als "Meilenstein" gefeiert, wurde das Dokument von Menschenrechtsanwälten als reines "Ablenkungsmanöver" bewertet.
Baerbock wird in Kairo ernstgenommen
In langen, diplomatischen Schachtelsätzen merkt Baerbocks ägyptischer Amtskollege Samih Schukri an, dass Informationen zur Menschenrechtslage nicht immer korrekt seien – und man durchaus viel erreicht habe. Die gemeinsame Pressekonferenz lässt erahnen: Trotz der Nervosität über Baerbocks hartnäckige Kritik wird sie in Kairo ernst genommen. Auch wenn Ägyptens kontrollierte Medien, die zahlreich erschienen sind, ihre Kritik mit keinem Satz erwähnen.
Inhaltlich ein kontroverser Besuch – aber atmosphärisch scheint er gelungen. Trotz grundlegender Meinungsverschiedenheiten spricht Annalena Baerbock von "offenen, ehrlichen, intensiven Gesprächen" und einem "freundlichen Empfang" bei Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi. Dieser hatte Baerbock zwei Tage vor ihrem geplanten Besuch ein Treffen zugesagt, das länger dauerte als geplant.
Sein Sprecher erwähnt die grüne Außenministerin heute kaum, dafür umso mehr die Qualität und Historie der deutsch-ägyptischen Beziehungen - und die Grüße, die Präsident al-Sisi Bundeskanzler Olaf Scholz habe ausrichten lassen.
Thema "Waffenlieferungen" zweiter Knackpunkt
Der zweite Knackpunkt des Tages - das Thema "Waffenlieferungen" - mag für diese Wortwahl ein Grund gewesen sein. Baerbock macht deutlich, dass bei künftigen Rüstungsexporten die Menschenrechtslage mehr ins Gewicht falle. Trotz dieser Ankündigung wird die Zusammenarbeit mit Deutschland in diesem Bereich weitergehen, davon ist die ägyptische Politikwissenschaftlerin Maram Diaa el-Din überzeugt.
Ägypten könnte sich in punkto Waffenlieferungen künftig direkt an den Bundeskanzler wenden, dieser ticke wahrscheinlich anders, vermuten Beobachter. "Deutschlands Regierung besteht ja nicht nur aus den Grünen. Für Ägypten sind Verteidigungsindustrie und militärische Beziehungen sehr, sehr wichtig. Da kann es von deutscher Expertise profitieren.
Expertin: Kein totaler Stopp der Kooperation
Die Differenzen werden schon noch gelöst, es wird keinen totalen Stopp der militärischen Zusammenarbeit geben", sagt Diaa el-Din, die Europa-Expertin am Ahram-Institut für politische und strategische Studien.
Ägyptens Außenminister jedenfalls weiß genau, wie er den Westen von Waffenlieferungen immer wieder überzeugen kann: Ägypten könne nur mit einem starken Militär sich selbst und die Region schützen - und so letztendlich auch die Sicherheit Europas vor Terror und Flüchtlingsströmen garantieren. Ein Argument, das im Westen immer noch verfängt.
Golineh Atai ist Leiterin des ZDF-Studios Kairo