Es ist nur eine Stippvisite in Washington: Für die Bundesaußenministerin ist sie dennoch ein Bekenntnis zur Partnerschaft mit den USA. Das machte Baerbock vor Reiseantritt klar.
Bei der eintägigen US-Reise von Außenministerin Baerbock steht das Thema Ukraine-Krise im Mittelpunkt.
Die üblichen 100 Tage Schonfrist? Von wegen. Vier Wochen lang ist Annalena Baerbock erst im Amt - doch von Anfang an beherrscht Krisendiplomatie die Agenda der neuen deutschen Außenministerin.
Ukraine-Konflikt zentrales Thema
Auch an diesem Mittwoch in Washington, wenn US-Außenminister Antony Blinken die 41-Jährige empfängt, steht wieder der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine im Mittelpunkt. Es gibt Sorgen, die USA und Russland könnten Deutschland und Europa bei ihren Verhandlungen über eine Lösung der Krise außen vor lassen.
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Die USA sind innenpolitisch gespalten, außenpolitisch ziehen sie sich von der Weltbühne zurück. Ex-Außenminister Gabriel blickte bei "Lanz" mit großer Sorge auf diese Entwicklung.
Und so hat Baerbock vor Beginn ihrer Reise die Bedeutung der Partnerschaft mit den USA noch einmal hervorgehoben. Am Mittwochmorgen erklärte sie:
Trotzdem dürfte das Treffen eher ein Wohlfühltermin werden. Die richtig harten Gespräche auf internationalem Parkett stehen für die Grünen-Politikerin noch aus: Gut möglich, dass eine Art Vermittlungsmission sie demnächst auch nach Kiew und Moskau führt.
Nur Stippvisite in Washington
Welche Bedeutung es hat, vor derart schwierigen Reisen den Schulterschluss mit dem wichtigsten transatlantischen Partner zu suchen, macht das Drehbuch für den Washington-Besuch klar. Es ist ein 26-Stunden-Trip über den Atlantik.
Ursprünglich war zum Start ins neue Jahr eine längere Visite in den USA geplant. Doch die auch dort grassierende Omikron-Variante des Coronavirus machte der Außenministerin einen Strich durch die Rechnung.
Nord Stream 2 - kein grünes Herzensthema
Zwar gibt es auch Konfliktpunkte zwischen Washington und der neuen Koalition in Berlin - etwa die deutsch-russische Erdgaspipeline Nord Stream 2. Doch für Baerbock dürfte es beispielsweise in diesem Punkt nur wenig Dissens mit Blinken geben: Auch die Grünen lehnen die umstrittene Röhre eigentlich ab, anders als SPD-Kanzler Olaf Scholz oder die FDP.
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Moskau ist zuversichtlich, was die Betriebserlaubnis für Nord Stream 2 angeht. Russland rechnet noch im ersten Halbjahr 2022 mit der Zulassung der Gaspipeline nach Deutschland.
Interessant dürften bei Baerbocks zweitem Treffen mit dem Amerikaner die Zwischentöne sein, mit denen sie die deutsche Haltung erklärt. Während Scholz von einem privatwirtschaftlichen Projekt spricht und die Entscheidung über die Inbetriebnahme unpolitisch nennt, pochte sie kürzlich darauf, die vergangenen Jahre hätten "ja auch mit Blick auf die unterschiedliche Wahrnehmung in Europa deutlich gemacht, welche geostrategische Rolle Nord Stream 2 spielt".
Wer hat außenpolitisch das Sagen - Baerbock oder Scholz?
Die Pipeline-Frage wirft ein Schlaglicht auf ein Thema: Wo wird die deutsche Außenpolitik entschieden - im Kanzleramt oder im Außenministerium? Wie sie verhindern wolle, dass es wie beim damaligen SPD-Kanzler Gerhard Schröder und dem ersten grünen Außenminister Joschka Fischer zur Frage komme: "Wer ist Koch und wer Kellner?", wollten Journalisten kürzlich von ihr wissen.
Baerbock zeigte bei der Antwort schon mal diplomatisches Geschick. Wesensmerkmal von Außenpolitik sei es, einen kontinuierlichen Dialog zu pflegen. Das gelte nach innen genauso wie nach außen. Zugleich räumte sie aber ein:
Doch wie sie die Zwickmühle auflösen will, verriet sie nicht. Vielleicht mit einer ganz eigenen Art von Pendeldiplomatie: Scholz und Baerbock wohnen beide in Potsdam. Krisentreffen wären da sogar zu Fuß möglich.