Experte: Chinas Friedensplan ist "Ablenkungsmanöver"

    Interview

    Experte zur Rolle Pekings:Chinas Friedensplan ist "Ablenkungsmanöver"

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    Beste Freunde oder nur gemeinsame Gegner? Moskau hat im Ukraine-Krieg einen mächtigen Partner: China-Experte Bernhard Bartsch erklärt die Ziele und Motive Pekings.

    Chinas Top-Außenpolitiker Wang Yi war heute in Moskau. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz hatte Wang einen chinesischen Friedensplan für die Ukraine angekündigt. Welche Rolle Peking in dem Konflikt spielt, erklärt China-Experte Bernhard Bartsch vom Mercator Institut für China-Studien im ZDF heute journal update.
    ZDF: Herr Bartsch, auf welcher Seite steht China?
    Bernhard Bartsch: China steht klar an der Seite Russlands. China positioniert sich ganz klar antiamerikanisch und China versucht, uns Europäern und anderen Ländern, vor allem denen des globalen Südens, ein Stück weit die Wahl aufzumachen: Auf welcher Seite wollt ihr stehen?
    ZDF: Würden Sie sagen, China ist neutral?
    Bartsch: Nein, China hat starke Interessen in diesem Konflikt. China hat von Anfang an Russland politisch unterstützt, hat es wirtschaftlich unterstützt, steht eng an der Seite Russlands. Das hat sich heute bei dem Besuch des chinesischen Top-Diplomaten Wang Yi in Moskau bei Wladimir Putin auch wieder gezeigt. Da ist ganz klar unterstrichen worden, dass China an der Seite Russlands steht.
    ZDF: Am Freitag, am Jahrestag der russischen Invasion, wird ja erwartet, dass Chinas Präsident, Xi Jinping, einen Friedensvorschlag präsentiert. Kann China tatsächlich zu einer Beilegung des Krieges in der Ukraine beitragen?
    Bartsch: Aus meiner Sicht ist das eine Verwirrungstaktik, ein Ablenkungsmanöver. China ist in diesem Krieg kein neutraler Akteur. China möchte durchaus das Image abschütteln, dass es ein Unterstützer Russlands sei, vor allem gegenüber den Europäern, aber auch gegenüber vielen Ländern des globalen Südens, die überhaupt nicht so eng an der Seite der Ukraine stehen, wie das bei den Europäern der Fall ist. China hat in vielen Konflikten schon eigene Friedenspläne vorgelegt. Aber es ist überhaupt nicht zu erwarten, dass China hier der Vermittler sein wird, der Frieden in den Ukraine-Konflikt bringt.

    Das russische Außenministerium teilte nach Wangs Besuch allerdings mit, die Vertreter Chinas hätten zwar "ihre Gedanken über die Grundursachen der Ukraine-Krise mitgeteilt sowie ihre Ansätze für ihre politische Lösung". Es sei jedoch "nicht die Rede von einem gesonderten (Friedens-)Plan" gewesen.

    Quelle: AFP

    ZDF: Wie schätzen Sie das ein, welches Interesse hat denn China überhaupt, diesen Krieg zu beenden?
    Bartsch: China hat starke wirtschaftliche Interessen gegenüber Russland. Immerhin ist Russland der größte Rohstoff-Exporteur der Welt, der China beliefert, mit Gas und anderen Rohstoffen. China sucht eine große internationale Koalition gegen die USA und gegen die westlichen Mächte. Da ist ein Bündnis mit Moskau eindeutig in Pekings Interesse. Kurzfristig sind die Interessen auf chinesischer Seite aber trotzdem, die Europäer und andere Länder nicht zu verprellen.
    ZDF: Sollte China ins russische Lager wechseln, stünden sich ja drei atomar hochgerüstete Supermächte gegenüber. Der ukrainische Präsident Selenskyj warnt vor dem Szenario eines chinesisch-russischen Bündnisses und spricht sogar von der Gefahr eines Weltkrieges. Wie beurteilen Sie eine engere Anbindung Chinas an Russland?
    Bartsch: Selenskyj hat ja auch gesagt, dass er ein Bündnis auf dieser Ebene bisher nicht sieht. Wir haben auch von chinesischer Seite wiederholt gehört, dass ein atomarer Krieg eine Grenze wäre, die auch China keinesfalls überschritten sehen möchte. Das wäre auch überhaupt nicht im chinesischen Interesse. Aber gleichzeitig möchte China auch eine Schwächung Russlands verhindern und deswegen unterstützen die Chinesen Russland auch weiterhin.
    ZDF: Ist es denkbar, dass Peking demnächst Moskau Waffen liefern könnte?
    Bartsch: Diese Spekulationen gibt es. Die USA haben offenbar Geheimdienstberichte, die das nahelegen. Wir wissen noch nicht genau, was damit genau gemeint ist. Wir wissen aber zum Beispiel, und hier spekuliere ich - aber das ist durchaus im Bereich des Denkbaren - dass Russland in der Vergangenheit sehr viele russische Waffen an China geliefert hat. Und auch da Liefervereinbarungen hat, wo es denkbar ist, dass China da vielleicht von Lieferungen zurücktritt, damit solche Waffen der russischen Armee zur Verfügung gestellt werden oder vielleicht sogar bestimmte russische Waffen in chinesischen Beständen Russland gezeigt werden.
    Was, glaube ich, überhaupt nicht zu erwarten ist, dass chinesische Waffen im Moment an Russland geliefert würden. Das wäre eine Grenze, die fundamental auch die Position Chinas gegenüber dem Rest der Welt verändern würde.
    Das Interview führte heute journal update-Moderatorin Nazan Gökdemir.
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    Quelle: ZDF, AFP
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