Katastrophenschutz rechnet mit Stromabschaltungen im Winter

    FAQ

    Katastrophenschutz:Amt rechnet mit Stromabschaltungen im Winter

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    Deutschlands oberster Katastrophenschützer rechnet damit, dass es im Winter zu Stromabschaltungen kommen kann - gezielt, regional, zeitlich begrenzt. Worum es bei Brownouts geht.

    Update vom 20.11.2022: Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe hat die Äußerungen seines Chefs Ralph Tiesler relativiert - die Wahrscheinlichkeit für Stromabschaltungen im Winter sei "gering". Mehr dazu unter dem Link.
    Am Sicherungskasten: Hand hält eine Kerze
    Sehen Sie hier die WISO-Doku "Blackout in Deutschland - Horrorszenario oder reale Gefahr?"01.08.2022 | 43:30 min
    Wegen der angespannten Lage bei der Energieversorgung wird es nach Einschätzung des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) in den kommenden Monaten zu Stromausfällen in Deutschland kommen, die über das bisherige Maß hinausgehen. "Wir müssen davon ausgehen, dass es im Winter Blackouts geben wird", sagte BBK-Chef Ralph Tiesler der "Welt am Sonntag". "Damit meine ich eine regional und zeitlich begrenzte Unterbrechung der Stromversorgung."
    Diese werden technisch auch als Brownout bezeichnet. Mehrere Energieexperten hatten solche Abschaltungen diese Woche auf ZDFheute-Nachfrage als möglich, aber eher unwahrscheinlich eingeschätzt.

    "Risiko steigt ab Januar und Februar"

    Laut Tiesler wäre die Ursache für die Stromunterbrechungen nicht nur Energieknappheit, sondern auch das gezielte, zeitweise Abschalten der Netze durch die Betreiber, um die Netze zu schützen und die Gesamtversorgung nicht zu gefährden. "Das Risiko dafür steigt ab Januar und Februar, so dass wir davon ausgehen, dass es von da an stellenweise für eine gewisse Zeit zu Unterbrechungen der Stromversorgung kommt", sagte Tiesler.
    Der BBK-Präsident kritisierte in diesem Zusammenhang, dass staatliche Stellen nicht immer ausreichend für Krisenlagen wie Stromausfälle gewappnet seien. Ein Teil der Kommunen und Behörden sei "wirklich mustergültig" aufgestellt, mit genauen Plänen und einer Sicherstellung der Stromversorgung durch Notstromaggregate vor Ort. "Andere stehen deutlich schlechter da, die sind nicht ausreichend vorbereitet. Das ist ganz unterschiedlich", erklärte der Behördenchef.

    Die Bundesnetzagentur widerspricht dem BBK

    Die Bundesnetzagentur widerspricht der Warnung des BBK: "Deutschland verfügt über eines der weltweit zuverlässigsten Stromversorgungssysteme", sagte ein Netzagentur-Sprecher den Funke-Zeitungen. Es gebe zahlreiche Mechanismen und Reserven zur Stabilisierung des Stromnetzes in angespannten Situationen.

    Die Bundesnetzagentur hält die Wahrscheinlichkeit für gering, dass erzwungene Abschaltungen im kommenden Winter erforderlich werden.

    Specher der Bundesnetzagentur

    Wie funktioniert das Stromnetz? Und welche kritischen Situationen gab es schon? Die wichtigsten Fragen und Antworten:

    Was ist ein Brownout?

    Häufig ist beim Stromkrisenszenario von einem Blackout die Rede - er ist als flächendeckender Zusammenbruch des europäischen Übertragungsnetzes definiert. Als Brownout - oder kontrollierte Lastabschaltung -  bezeichnet man dagegen eine gezielte Abschaltung einzelner Regionen und Bereiche, um Strom zu sparen und so das Netz stabil zu halten.
    Das ist seit dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland noch nicht vorgekommen und gilt als letztes Mittel der Stromnetzbetreiber, wenn der Strombedarf nicht mehr vollständig gedeckt werden kann. Durch die angespannte Situation auf dem Strommarkt, die Probleme der Atomkraftwerke in Frankreich und die Versorgungunsicherheit beim Erdgas sind solche Brownouts etwas wahrscheinlicher geworden.

    Wie funktioniert das Stromnetz?

    Stabilität ist der entscheidende Faktor: Die Frequenz im Netz muss stabil bei 50 Hertz liegen. Sinkt oder steigt diese Frequenz zu stark, können elektrische Geräte oder gar die angeschlossenen Kraftwerke Schaden nehmen. Und da das Netz keine Elektrizität speichern kann, muss immer genau so viel Strom eingespeist werden, wie aktuell verbraucht wird.
    Der Experte für Energieversorgung, Professor Harald Schwarz von der Technischen Universität Cottbus-Senftenberg, erklärt, wie sensibel das Stromnetz selbst auf kleine Schwankungen der Hertz-Frequenz reagiert: Schon bei einem Abfall auf 49,8 Hertz würden alle verfügbaren Reserven aktiviert, um einen weiteren Abfall zu verhindern. "Fallen wir auf 49 Hertz, werden die ersten Verbraucher abgeschaltet und gehen in einen regionalen Blackout", so Schwarz.

    Fallen wir auf 48 Hertz sind fast alle Verbraucher vom Netz weg. Fallen wir auf 47,5 Hertz, trennen sich alle Kraftwerke vom Netz und wir sind im großflächigen und lang anhaltenden Blackout.

    Harald Schwarz, Technische Universität Cottbus-Senftenberg

    Wie wahrscheinlich sind Blackout und Brownout?

    Einen Blackout - im Sinne eines flächendeckenden Zusammenbruchs des europäischen Übertragungsnetzes - hat es seit dem Zweiten Weltkrieg ebenfalls noch nicht gegeben. Im Januar 2021 sei es aber zu einer kritischen Situation gekommen, erklärt Schwarz. Weil zu viel Strom über den Balkan nach Nordwest-Europa transportiert werden sollte, kam das System in massive Schwierigkeiten - die Netzfrequenz sackte laut Netzbetreiber Amprion auf 49,74 Hertz ab.
    In diesem Winter könnte es laut Schwarz wieder kritisch werden: Bei einer längeren "Dunkel-Flaute", wenn also wenig Strom durch Wind- oder Solarkraft produziert wird, müsse viel Strom im Ausland zugekauft werden. Möglicherweise gäbe es erneut eine regionale Überlastung der Netze, die eine fatale Kettenreaktion in Gang setzen könnte. "Und wenn das passiert, werden wir sehen, ob der Frequenzeinbruch so heftig wird, dass wir die 49 Hertz unterschreiten", so Schwarz.
    Dass es so weit kommt, hält auch Energie-Fachmann Niko Paech von der Universität Siegen für möglich, schränkt jedoch ein: Das sei "unwahrscheinlich - außer ein besonders strenger Winter träte ein". Deutlicher fällt nun die Warnung des BBK aus - mit Tieslers Hinweis, dass man von einer regional und zeitlich begrenzten Unterbrechung der Stromversorgung ausgehen müsse.
    Heizlüfter
    Durch die steigenden Gaspreise wollen viele auf elektrische Heizlüfter umsteigen. Sie sind derzeit ausverkauft. Einige Stadtwerke sind besorgt, dass eine hohe Nutzung von Heizlüftern das Stromnetz lahmlegt.08.08.2022 | 1:48 min

    Wie wird das Stromnetz stabil gehalten?

    Für die Stabilität verantwortlich sind die Übertragungsnetzbetreiber. Vier große gibt es davon in Deutschland: 50Hertz, Amprion, TenneT und TransnetBW. Laut Laura Witzenhausen, Elektroingenieurin und Referentin der Systemführung bei Amprion, haben die Netzbetreiber verschiedene Sicherungsmechanismen aufgebaut, um Schwankungen beim Stromverbrauch auszugleichen:

    Wir planen schon eine Woche im Voraus, wie viel Strom zu jeder Stunde des Tages voraussichtlich gebraucht wird, und passen dann die Netzführung an.

    Laura Witzenhausen, Netzbetreiber Amprion

    Dabei werden selbst Prognosen zur Stärke des Windes einbezogen, Sonnenstunden, Kraftwerkkapazitäten im In- und Ausland oder auch planbare Anstiege im Verbrauch - etwa durch sinkende Temperaturen und dadurch mehr Energiebedarf beim Heizen.
    Sollte in dieser Planung deutlich werden, dass zu wenig Strom verfügbar ist, muss mit Reservekraftwerken gegengesteuert werden: Das sind Kraftwerke, die schnell hochgefahren werden können, um die nötige Energie zu erzeugen. In der Regel handelt es sich dabei um Gas- oder Wasserkraftwerke, Batteriespeicher können aber auch eine Rolle spielen.

    Kampf gegen Blackouts
    :So werden die Stromnetze im Winter geschützt

    Stromnetzbetreiber müssen die Netzstabilität um jeden Preis aufrechterhalten, um einen Blackout zu verhindern. Das klappt gut, wurde aber auch schon mal eng. So wappnen sie sich.
    von Jan Schneider und Oliver Klein
    Leuchttafel "Blackout".
    Quelle: AFP, ZDF

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