Mit Reisediplomatie versucht die EU, die Krise an der belarussischen Grenze zu entschärfen. Dazu war EU-Kommissionsvize Schinas in Bagdad. Er hatte drei Botschaften für die Iraker.
Als EU-Vizekommissionspräsident Margaritis Schinas am Montagmorgen um 6 Uhr in Brüssel in die Chartermaschine nach Bagdad steigt, hat er bereits ein paar nach Erfolg klingende Botschaften im Gepäck:
Die zivile türkische Luftfahrtbehörde hatte schon am Freitag verfügt, dass Bürger aus dem Irak, Syrien und dem Jemen keine Flugtickets von Istanbul nach Minsk mehr kaufen können, der Verbund arabischer Airlines in Doha hatte angekündigt, Flüge nach Belarus einzustellen, Emirates und selbst die private syrische Fluggesellschaft Cham Wings wollen Belarus ebenfalls nicht mehr anfliegen.
Margaritis Schinas ist im Irak, um eine Lösung des Flüchtlingsproblems herbeizuführen. ZDF-Korrespondentin Anne Gellinek weiß mehr.
Offenbar hat die EU-Drohung, Airlines aus Drittländern, die beim Menschenschmuggel nach Belarus mitmachen, die Landerechte in der Europäischen Union zu entziehen, Wirkung gezeigt.
Bagdad stoppte Flüge nach Belarus im Juli
Nach Reisen in die Vereinigten Arabischen Emirate und den Libanon fliegt der für Migration zuständige EU-Unterhändler nun also in den Irak. Empfang in Bagdad im Palast des Ministerpräsidenten, ohne Presse, ohne Kameras. Nach der Drohnenattacke auf Premierminister Mustafa al-Kadhimi vor zehn Tagen sind die Sicherheitsvorkehrungen extrem streng. Danach berichtet EU-Kommissionsvize Schinas aus dem Gespräch:
Irak hatte als erstes Herkunftsland schon im Juli Flüge nach Belarus gestoppt und damit unfreiwillig dafür gesorgt, dass die Menschenschmuggel-Routen sich auf den gesamten Mittleren Osten ausweiteten.
Wie geht es an Polens Grenze weiter?
Die meisten Migranten, die nun im Niemandsland zwischen Belarus und Polen festsitzen, sind Iraker, rund 80 Prozent. Inzwischen hat Bagdad auch die diplomatischen Vertretungen von Belarus geschlossen, damit keine Visa mehr erteilt werden können.
Wenn sich die Zusagen der Fluggesellschaften aus dem Mittleren Osten bewahrheiten, könnte der Strom der Migranten von Belarus Richtung EU vielleicht in den nächsten Wochen versiegen. Was aber geschieht mit den Menschen, die schon da sind? Polen weigert sich, die Migranten über die Grenze zu lassen. Minsk lässt sie nicht zurück nach Belarus.
600 Iraker freiwillig aus Minsk zurückgekehrt
Das also EU-Botschaft Nummer zwei: Die irakische Regierung müsse mehr tun, um die eigenen Bürger zurückzuholen. Freiwillig seien bislang rund 600 Iraker aus Minsk zurückgekehrt, hat die EU-Kommission gezählt, Tausende campieren noch immer im Niemandsland.
Die irakische Regierung solle nun mit den belarussischen Behörden über Abschiebungen verhandeln, wünscht sich EU-Kommissar Schinas, der nah an der Grenze zu Polen gelegene belarussische Flughafen von Grodno könnte als Ausgangspunkt dienen. Wie realistisch solche Pläne für Menschen sind, die Tausende Euro für die erhoffte "Eintrittskarte" nach Europa bezahlt haben, ist am Ende des Fünf-Stunden-Blitzbesuchs unklar.
Das neuste, fünfte Sanktionspaket der EU gegen Belarus zeige "bereits erste Wirkungen", so ZDF-Korrespondent Florian Neuhann in Brüssel. Es werde zwar "diplomatischer Druck" ausgeübt, jedoch nicht über "humanitäre Aufnahme der Flüchtlinge" gesprochen.
Schinas: Klärt Eure Bürger auf!
Irak ist eins der "Herkunftsländer", das bislang äußert unwillig abgelehnte Asylbewerber zurücknimmt. Der Europäer versucht Druck zu machen. Wenn Irak nicht kooperiere, könnten die EU-Mitgliedsstaaten das Visakontingent für irakische Diplomaten verringern und EU-Visa verteuern. Gleichzeitig stellt die EU Rückkehrern auch finanzielle Unterstützung bei der Wiedereingliederung in Aussicht.
Und dann ist da noch Botschaft Nummer drei, die Margaritis Schinas gar nicht oft genug wiederholen kann. "Klärt Eure Bürger auf! Sagt ihnen, dass es eine riesige Lüge ist, dass sie für 8.000 Euro nach Europa kommen können!", appelliert er an die irakische Regierung.
- EU beschließt neue Sanktionen gegen Belarus
Im Konflikt um Schleusung von Migranten nach Belarus greift die EU zu härteren Sanktionen. Man sei "lange nicht am Ende der Sanktionsspirale angelangt" so Außenminister Heiko Maas.