Die belarussische Oppositionelle Maria Kolesnikowa wird vermisst. Sie sei mit einem Minibus entführt worden, berichten Zeugen. Noch vor kurzem gab sie ZDFheute ein Interview.
In Belarus ist Maria Kolesnikowa verschwunden. Ihre Mitstreiter vermuten, dass die führende Oppositionspolitikerin auf Befehl des Machthabers Lukaschenko verschleppt wurde. Gestern noch hat Kolesnikowa zusammen mit Zehntausenden demonstriert.
Von einer der wichtigsten Anführerinnen der Opposition in Belarus, Maria Kolesnikowa, fehlt jede Spur. Ihre Kollegen hätten keinen Kontakt zu ihr, teilte der Pressedienst des Koordinierungsrates der Demokratiebewegung in Minsk mit. "Ihr Aufenthaltsort ist unbekannt", teilte das Gremium mit.
Außerdem seien ihr Mitarbeiter Iwan Krawzow und ihr Sprecher Anton Rodnenkow nicht mehr erreichbar. "Der Koordinierungsrat fordert die sofortige Freilassung", hieß es.
ZDF-Korrespondent Christian Semm mit einer Einschätzung aus Moskau.
Augenzeugin: Kolesnikowa in Minibus entführt
Eine Augenzeugin berichtete der Nachrichten-Website Tut.by, wie maskierte Männer Kolesnikowa gegen 10.00 Uhr Ortszeit (09.00 Uhr MESZ) in den Kleinbus stießen und ihr das Handy abnahmen. Die Polizei in Minsk äußerte sich zunächst nicht zu den Berichten.
Die 38-Jährige ist eine der wichtigsten Oppositionellen, die sich gegen den umstrittenen Staatschef Alexander Lukaschenko stellen. Noch vor wenigen Tagen äußerte sie im Interview mit ZDFheute, dass die Proteste in Belarus andauern werden - "bis zum Sieg".
- Kolesnikowa im ZDFheute-Interview
Maria Kolesnikowa ist einer der Köpfe der Demokratiebewegung in Belarus. Im Interview erklärt Kolesnikowa, warum sie eine Partei gründen will. Und was sie vom Westen erwartet.
Einige Kollegen des Gremiums waren zuvor schon festgenommen, ausgereist oder zur Ausreise gezwungen worden, unter anderem die Präsidentenkandidatin Swetlana Tichanowskaja. Sie war nach der Wahl ins EU-Land Litauen geflüchtet.
Litauens Außenminister fordert sofortige Freilassung
Litauens Außenminister Linas Linkevicius hat die Staatsführung in Minsk für das spurlose Verschwinden von Kolesnikowa verantwortlich gemacht und deren sofortige Freilassung gefordert. "Die Entführung von M. Kolesnikowa in der Innenstadt von Minsk ist eine Schande", schrieb Linkevicius auf Twitter. "Anstatt mit dem Volk von Belarus zu sprechen, versucht die scheidende Führung, einen nach dem anderen zynisch zu eliminieren". Dies erinnere an stalinistische Methoden.
Auch der Grünen-Politiker Cem Özdemir fordert eine härtere Gangart gegen die Regierung in Belarus:
Staatschef Alexander Lukaschenko gehe "den typischen Weg eines Diktators, der einfach nicht begreift, dass seine Zeit abgelaufen ist", sagte Özdemir der "Bild"-Zeitung.
Als Kulturmanagerin in Stuttgart gearbeitet
Kolesnikowa arbeitet für den Ex-Bankenchef Viktor Babariko, der für das Präsidentenamt kandidieren wollte. Sie ist auch im Präsidium des Koordinierungsrates, der einen friedlichen Machtwechsel anstrebt.
Kolesnikowa, die viele Jahre in Stuttgart gelebt und von dort aus Kulturprojekte gemanagt hatte, trat immer wieder bei Protestaktionen auf und wurde dabei von den Demonstranten bejubelt.
Die belarussische Oppositionelle Maria Kolesnikowa wird vermisst. Wer ist die Frau, die zusammen mit Swetlana Tichanowskaja und Veronika Zepkalo die Opposition gegen Präsident Lukaschenko anführt.
Bei der Großdemonstration am Sonntag marschierte sie in Minsk mit. Trotz eines großen Sicherheitsaufgebots beteiligten sich mehr als 100.000 Menschen allein in der Hauptstadt Minsk an den Protesten.
Die Polizei nahm nach Angaben des Innenministeriums insgesamt 633 Demonstranten wegen Verstoßes gegen die Anordnungen bei Massenversammlungen fest, so viele wie noch nie seit Anfang August. 363 blieben demnach am Montag in Untersuchungshaft.
Lukaschenko setzt auf Moskau
Trotz des wachsenden Drucks auch von Seiten der Europäischen Union weigert sich Lukaschenko, den Demonstranten entgegenzukommen. Er spricht von einer "Verschwörung" des Westens und setzt inzwischen ganz auf die Unterstützung Moskaus, um an der Macht zu bleiben.
Der Widerstand zigtausender Belarussen ist seit der Präsidentschaftswahl ungebrochen. Präsident Lukaschenko antwortet mit Panzern und Polizeigewalt auf den friedlichen Protest.