Die Opposition will die Streiks ausweiten, der Druck auf Staatschef Lukaschenko steigt. Indes pocht Kanzlerin Merkel bei einem Telefonat mit Putin auf einen Dialog mit Belarus.
Der Druck auf den autoritären Staatschef Lukaschenko steigt. Nun will die Opposition noch mehr Arbeiter zu Streiks motivieren – und so den Machtapparat zur Aufgabe zwingen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel fordert von der Regierung in Belarus einen Verzicht auf Gewalt gegen friedliche Proteste und einen "nationalen Dialog" mit der Opposition. In einem Telefonat mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin habe sie unterstrichen, dass die Führung in Minsk politische Gefangene unverzüglich freilassen müsse, sagte ein Regierungssprecher.
Für Mittwoch hat die EU einen Videogipfel angesetzt, um die Ereignisse in dem osteuropäischen Land zu besprechen.
Merkel dankt Litauen
Zuvor hatte Merkel dem EU-Land Litauen für die Aufnahme der belarusischen Oppositionskandidatin Swetlana Tichanowskaja gedankt. Merkel habe mit Präsident Gitanas Nauseda telefoniert und mit ihm über die Situation in Belarus gesprochen, teilte die litauische Präsidentschaft am Montagabend mit. "Während des Gesprächs dankte die Kanzlerin Litauen für seine Hilfe für Swetlana Tichanowskaja und interessierte sich für deren Befinden und Pläne."
Merkel und Nauseda hätten auch besprochen, wie die Zivilgesellschaft in Belarus unterstützt werden könne. "Berlin versucht außerdem derzeit, zu (dem belarusischen Präsidenten) Alexander Lukaschenko durchzudringen", hieß es in der Erklärung weiter.
Opposition: Streiks im ganzen Land ausweiten
Angesichts des brutalen Vorgehens der Sicherheitskräfte gegen die Proteste der Regierungskritiker war Tichanowskaja kurz nach dem Urnengang nach Litauen geflohen. Aus ihrem Exil erklärte sie am Montag ihre Bereitschaft, die Führung von Belarus zu übernehmen. Sie sei bereit, Verantwortung zu übernehmen und übergangsweise "als nationale Anführerin zu handeln", sagte Tichanowskaja in einer Videobotschaft.
Belarus: Szenen einer Diktatur.
Tichanowskajas Wahlkampfleiterin, Maria Moros, kündigte an, dass die Streiks in der Ex-Sowjetrepublik ausgeweitet werden sollen. Der Ausstand in allen wichtigen Staatsbetrieben solle den Machtapparat und den "letzten Diktator Europas" zum Aufgeben zwingen, sagte Moros:
Arbeitern, die Angst um ihre Existenz haben, sicherte die Opposition über einen Solidaritätsfonds finanzielle Hilfen zu. Die Betriebe gelten als elementar für das Funktionieren des Staates. Experten gehen davon aus, dass der Staatschef über die Arbeitsniederlegungen nach 26 Jahren an der Macht schnell zum Aufgeben gedrängt werden kann.
Demonstranten fordern Neuwahlen
Die Proteste gegen die Führung in Minsk waren ausgebrochen, nachdem Lukaschenko nach einer von Manipulationsvorwürfen überschatteten Wahl dennoch zum Sieger erklärt wurde. Bei den Demonstrationen wurden mindestens zwei Menschen getötet, mehr als 150 verletzt und rund 7.000 Demonstranten festgenommen. Die meisten von ihnen sind jedoch wieder auf freien Fuß. Es sind die größten Proteste, die Belarus in seiner Geschichte je erlebte.
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Auch zu Beginn der zweiten Protestwoche forderten wieder Tausende Menschen im ganzen Land bei Demonstrationen Neuwahlen und die Freilassung der letzten politischen Gefangenen. Am Montagabend sammelten sich unzählige Menschen vor einem Gefängnis und zentralen Plätzen in Minsk. Sie riefen "Freiheit", "Hau ab" und "Es lebe Belarus".
Lukaschenko deutet Verfassungsänderung an
Lukaschenko hatte mehrfach betont, nicht die Macht abgeben zu wollen. Es werde aktuell nicht zu Neuwahlen kommen. Er halte aber eine - vage angedeutete - Verfassungsänderung für möglich, nach der es irgendwann neue Abstimmungen gebe könnte. Experte bewerten dies jedoch als Versuch, Zeit zu gewinnen und die politische Krise irgendwie zu überstehen.
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