Die Menschen an der belarussisch-polnischen Grenze sind verzweifelt. Sie geraten zunehmend in einen eskalierenden Konflikt zwischen Russland und der EU.
Im eskalierenden Flüchtlingsstreit mit dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko werden Forderungen nach einer Ausweitung der Sanktionen gegen zentrale wirtschaftliche Branchen in Belarus immer lauter.
Außenminister Maas fordert Ausweitung der Sanktionen
Wichtige Wirtschaftszweige wie die Kali-Industrie in Belarus müssten "jetzt sanktioniert werden", sagte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) im Bundestag. Eine Warnung richtete der SPD-Politiker auch an am Transport von Migranten beteiligte Fluggesellschaften.
Es werde immer wieder darauf verwiesen, dass zu viele wirtschaftliche Sanktionen die Abhängigkeit Belarus' von Russland weiter verschärften, sagte Maas. Inzwischen sei die Situation aber so, dass die Konsequenzen für Lukaschenko "klarer werden müssen".
- Migranten in Belarus: Der hybride Krieg
Der belarussische Machthaber Lukaschenko benutzt Migranten als Druckmittel gegen die EU. Warum das hybride Kriegsführung ist.
Reaktion aus Minsk
Machthaber Alexander Lukaschenko im Fall neuer Sanktionen mit einer scharfen Antwort gedroht. "Und wenn wir das Gas abstellen dorthin?", sagte er in Minsk in einer Sitzung mit ranghohen Funktionären, darunter Militärs. "Wir beheizen Europa, und sie drohen uns noch damit, die Grenze zu schließen", meinte Lukaschenko.
Durch Belarus verläuft ein Teil der wichtigen russisch-europäischen Pipeline Jamal-Europa. Über die Leitung wird allerdings nur ein geringer Teil des Gases aus Russland nach Europa transportiert.
Übung russischer Kampfbomber über Belarus
Russland hat unterdessen zwei atomwaffenfähige Kampfflugzeuge zu einer Übungsmission über Belarus entsandt. Beobachter sahen darin ein Signal der Unterstützung Moskaus für seinen Verbündeten im Streit um die Migrantenkrise an der polnischen Grenze.
Polnische Soldaten feuerten Warnschüsse
Eine größere Gruppe von Migranten hat polnischen Behördenangaben zufolge in der Nacht zum Donnerstag versucht, die Grenze von Belarus nach Polen "gewaltsam" zu durchbrechen. Es handelte sich um etwa 150 Menschen, sagte Polens stellvertretender Innenminister Bartosz Grodecki am Morgen dem Sender Polsat News.
Die Migranten hätten Soldaten mit Gegenständen beworfen und dann versucht, den Grenzzaun zu zerstören, schrieb das polnische Verteidigungsministerium bei Twitter. "Soldaten feuerten Warnschüsse in die Luft", hieß es weiter.
Polnischer Ministerpräsident: "neue Art von Krieg"
Die EU spricht von einem Angriff durch den autoritären belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko, der gezielt Migranten aus Krisenregionen einfliegen und dann in Richtung polnischer Grenze drängen lassen soll. Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki schrieb bei Facebook:
Polens Innenministerium stellte sich auf verstärkte Einsätze an der Grenze ein, wie Polens stellvertretender Innenminister Grodecki sagte. Am Abend sollen weitere Sicherheitskräfte aus Warschau an die Grenze verlegt werden.
Sanktionen gegen Belarus
Es wird vermutet, dass Lukaschenko sich für Sanktionen rächen will, die die wegen der Unterdrückung der Zivilgesellschaft und der demokratischen Opposition bereits verhängt hat.
Die EU hat inzwischen neue Sanktionen auf den Weg gebracht, die Anfang nächster Woche formell beschlossen werden könnten.
Russland als Vermittler?
Russland gab angesichts der angespannten Lage um die Migranten an, nun doch bei der Lösung des Problems helfen zu wollen, wie Kremlsprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge sagte.
Zuvor hatte Kanzlerin Angela Merkel den russischen Präsidenten Wladimir Putin um Hilfe gebeten. Putin hat einen direkten Draht zu Lukaschenko.
Am Donnerstag soll sich auch der UN-Sicherheitsrat mit der Situation an der östlichen EU-Außengrenze beschäftigen.
- Lukaschenko und das Dilemma der EU
Das Chaos an der polnisch-belarussischen Grenze macht deutlich: Die EU ist überfordert und zerrissen. Im Umgang mit Polen steckt sie in einem Dilemma.