Streik in Berlin: Müll stapelt sich, U-Bahnen fahren nicht
Diskussion um Streikrecht:Müllberge in Berlin, U-Bahnen fahren nicht
von V. Albert, C. Hauser, D. Rzepka, N. Schneider
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Keine Bahn, kein Bus: In Berlin streiken die Verkehrsbetriebe und auf den Straßen stapelt sich Müll. Die CDU fordert, solche Streiks künftig zu beschneiden. Der DGB ist entsetzt.
Der Müll in Berlin stapelt sich.
Quelle: dpa
In der Urbanstraße in Berlin-Kreuzberg stapelt sich noch immer der Müll. Die Mülltonnen auf den Straßen quillen über, sagt eine Anwohnerin. Seit dem Streik bei der Berliner Stadtreinigung (BSR) vergangene Woche müssen immer noch 12.000 Tonnen Müll abgeholt werden. Wie lange das noch dauert, kann die BSR nicht sagen.
Die 63-jährige Berlinerin Marlies Collatz ist vor Kurzem mit ihrem Besuch durch die Stadt spaziert. Sie sagt:
Dort, wo wir entlang gegangen sind, da war es wirklich schlimm. Ich habe mich richtig geschämt.
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Marlies Collatz aus Berlin
Überfüllte Mülltonnen in Berlin
Durch einen Warnstreik bei der Berliner Stadtreinigung kam es wie hier im Stadtbezirk Mitte zu überfüllten Mülltonnen. 12.000 Tonnen Müll müssen noch abtronsportiert werden.
Quelle: epa
Keine U-Bahn, kein Bus in Berlin
Es ist nicht das einzige Problem, das die Hauptstadt gerade hat. Am Mittwoch und Donnerstag streiken auch die Berliner Verkehrbestriebe. Keine U-Bahn, kein Bus, keine Tram. Wieder einmal. Es ist bereits der vierte Streik in den laufenden Tarifauseinandersetzungen.
Die Gewerkschaft Verdi fordert mehr Geld für 16.000 Beschäftigte. Juri aus Charlottenburg zeigt dafür Verständnis und steigt aufs Fahrrad um. Bärbel aus Weißensee ist dagegen genervt.
Ich finde es ein bisschen viel und dann immer gleich zwei Tage. Ja, man kann es verstehen. Aber irgendwann denkt man: Ist auch mal Schluss, es reicht.
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Bärbel aus Berlin-Weißensee
Bereits Anfang 2025 fuhren in Berlin keine Busse und Bahnen wegen eines Streiks.27.01.2025 | 0:19 min
CDU will Verschärfungen bei kritischer Infrastruktur
Die CDU fordert Konsequenzen. Zwar wolle niemand Streiks verbieten, sagt Gitta Connemann. Und doch will die Vorsitzende der Mittelstandsunion das Streikrecht beschneiden. Connemann sagt ZDFheute:
Bei der Bahn, an Flughäfen, in der Energieversorgung oder bei Rettungsdiensten darf Streik nicht das erste Mittel sein. Es muss das letzte bleiben.
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Gitta Connemann, CDU
In der kritischen Infrastruktur dürfe es einen Streik "erst nach einem Schlichtungsverfahren" geben. Streiks müssten einen Vorlauf von vier Tagen haben und dürften nicht "im unmittelbaren zeitlichen Umfeld von Feiertagen" stattfinden. Zudem solle ein Notdienst sichergestellt werden, so Connemann.
Auch der CDU-Abgeordnete Thomas Jarzombek, der wie Connemann gerade mit der SPD über eine schwarz-rote Koalition verhandelt, sagt: "Es gibt gute Gründe dafür, dass man sich nicht von kleinen Gewerkschaften und Einzelinteressen das ganze Land lahmlegen lässt."
Gewerkschaften und Arbeitgeber machen sich gegenseitig verantwortlich: Im Tarifstreit im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen soll nun eine Schlichtung eingeleitet werden.17.03.2025 | 1:33 min
Gewerkschaften sind entsetzt
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) widerspricht: "Streiks sind grundrechtlich geschützte, unverzichtbare Mittel, um auf Augenhöhe Tarifverhandlungen zu führen", sagt DGB-Vorstand Anja Piel ZDFheute.
Hände weg vom Streikrecht!
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Anja Piel, Vorstandsmitglied des DGB
Im Hinblick auf die aktuell laufenden Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD sagt Piel: "Wir warnen die Koalitionsverhandler davor, das Streikrecht anzurühren." Aktuelle Streiks wie der im Berliner ÖPNV seien zwingend notwendig für faire Arbeitsbedingungen und Löhne.
Die Wirtschaft dürfe ihr "enormes Potential" nicht durch Sparen verspielen, warnt die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi in der ZDF-Sendung "Berlin direkt".15.09.2024 | 0:24 min
Bei den Berliner Verkehrsbetrieben kämpfen sie nicht nur für mehr Geld, sondern auch bessere Arbeitsbedingungen. Linus, der eigentlich anders heißt, war einst Tramfahrer bei der BVG. Vor kurzem hat er gekündigt. Linus sagt, er habe oft nur kurze Pausen gehabt, wenn überhaupt. Das sei auch zum Sicherheitsrisiko geworden.
Die Pausen der Tramfahrer werden von Verspätungen gefressen. Jeder LKW hat Lenkzeiten, wir müssen oft durchfahren.
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Ehemaliger BVG-Tramfahrer
Planungen im Privatleben seien mit der Zeit immer schwieriger geworden. Oft sei es zu kurzfristigen Änderungen der Arbeitszeit gekommen. Auf Wünsche sei kaum eingegangen worden.
Teils wusste ich mittwochs noch nicht, wann ich sonntags arbeite.
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Ehemaliger BVG-Tramfahrer
Linus hat inzwischen den Job gewechselt. Am Ende habe er sich gefühlt wie eine austauschbare Nummer. Niemand habe sich bemüht, ihn im Beruf zu halten.
Die Zahl der Arbeitsniederlegungen ist in den letzten Jahren zwar nicht mehr geworden, doch die Streikenden treffen auf eine zunehmend gereizte Gesellschaft.24.01.2024 | 2:49 min
Einigung bald in Sicht?
In den vergangenen Wochen hatte es in verschiedenen Teilen Deutschlands immer wieder Streiks gegeben, vor allem im öffentlichen Nahverkehr, bei der Müllabfuhr, in Krankenhäusern und in Verwaltungen.
Die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen waren am Montag vorerst gescheitert.
Nun sollen Schlichter zwischen beiden Seiten vermitteln. Warnstreiks wären dann zunächst einmal vom Tisch - während der Schlichtung gilt eine Friedenspflicht.
Seit Jahresbeginn reihen sich die Streiks aneinander - viele sind genervt. Die Folge: In der Politik wird das verfassungsrechtlich garantierte Streikrecht in Frage gestellt.16.03.2025 | 3:59 min