Die Berliner Wahl-Wiederholung einzig richtige Entscheidung

    Kommentar

    Berlin muss Wahl wiederholen:Wenn jemand zurücktreten möchte: Bitte, gern!

    Kristina Hofmann
    von Kristina Hofmann
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    Die Berliner Wahl zu wiederholen, ist die einzig richtige Entscheidung. Das Gericht hat diese als Charme getarnte Unorganisiertheit gestoppt. Diese Peinlichkeit war eine zu viel.

    In Berlin hat man sich daran gewöhnt, dass Anträge auf Elterngeld erst nach Monaten bearbeitet werden. Dass Lehrermangel und marode Schulen beklagt, aber höchstens in homöopathischen Dosen behoben werden. All das regt fast niemanden mehr auf.
    Beim wichtigsten Instrument der Demokratie, bei Wahlen, aber ist sämtliche Nachsicht mit Berlin völlig fehl am Platz. Wenn eine europäische Hauptstadt eine Wahl in Bananenrepublik-Manier (nicht) organisiert, hat sie es nicht anders verdient.
    Und genau deswegen hat das Landesverfassungsgericht heute richtig entschieden: Die Wahl zum Abgeordnetenhaus und die Wahl in den Bezirken, also Landtags- und Kommunalwahl, müssen wiederholt werden. Und zwar komplett.

    Wegen zahlreicher Pannen
    :Berliner Chaos-Wahl wird komplett wiederholt

    Fehlende Stimmzettel, lange Schlangen: Wegen zahlreicher Pannen vor einem Jahr muss die Berlin-Wahl komplett wiederholt werden. Schon im Februar könnte es zur Abstimmung kommen.
    Wahl-Schlange-Berlin
    FAQ

    Handkopierte Wahlzettel, zu kleine Koffer

    Das Urteil ist überhaupt nicht überzogen. Man muss sich die Pannen noch einmal vor Augen führen. Wahlzettel, die handschriftlich kopiert wurden. Geöffnete Wallokale nach 18 Uhr, während die ersten Prognosen schon im Fernsehen liefen und durchaus die Entscheidung beeinflusst haben könnten. Koffer, die zum Transport von Wahlscheinen angeschafft wurden, die dann aber trotz vorheriger Messung zu klein waren, und die Nachlieferungen am Nachmittag im Stau rund um den Marathon stecken blieben.
    Ob jetzt am Ende der Marathon am Wahltag oder die Fehleinschätzungen der Verwaltungen schuld am Chaos waren, ist unerheblich. Es hat einfach nicht funktioniert! Und: Man hätte es wissen können. Der Bundeswahlleiter hat vorher mehrfach nachgefragt. Immer hieß es aus der Hauptstadt: Alles im Griff!

    Viele Ungereimtheiten werden bleiben

    Das Schlimme ist: Einige Ungereimtheiten werden trotz des heutigen Urteils bleiben. Es gibt Wahlbezirke, da wird die Abgeordnetenhaus- und Bezirkswahl im Februar wiederholt, die Bundestagswahl aber nicht. Warum war das Chaos bei dem einen Wahlzettel nicht so gravierend wie bei dem anderen? In derselben Wahlkabine? Und das Ergebnis der Volksabstimmung zur Enteignung wird nirgendwo angezweifelt - aber nur, weil niemand auf Wiederholung geklagt hat!
    Kommt noch jemand mit? Es ist gut, wenn das Bundesverfassungsgericht noch einmal genau anschaut, ob die Bundestagswahl in Berlin auch komplett wiederholt werden muss. Aber bitte zügig. Es geht hier zwar auch um die juristische Frage, welche Fehler mandatsrelevant waren.
    Zuallererst geht es aber um eine gesellschaftlich-politische Frage, um das Vertrauen in die Demokratie, um das zweifelsfrei sichere Mandat von Abgeordneten, damit sie die von den Bürgerinnen und Bürgern verliehene Macht auch verantwortungsvoll ausüben können.

    Wo ist der gute alte Rücktritt geblieben?

    Apropos Vertrauen und Verantwortung. Man wartet noch immer, wer - außer der ehemaligen Landeswahlleiterin - Konsequenzen aus der Pannen-Wahl zieht. Derzeit will niemand schuld daran sein.  Die jetzige Regierende Bürgermeisterin Giffey nicht. Sie war ja damals noch nicht im Amt. Ihr Vorgänger Michael Müller nicht. Er sitzt jetzt im Bundestag und will mit Berlin so viel nun auch nicht mehr zu tun haben.
    Und Ex-Innensenator Andreas Geisel? Sagt, er "spüre" Verantwortung, will sie aber nicht allein übernehmen.
    Tja, irgendwie blöd jetzt. Man fragt sich wirklich, wo der gute alte Rücktritt geblieben ist. Die Glaubwürdigkeit demokratischer Staaten fußt auf korrekten Wahlen. Dieses Versprechen gegenüber ihren Bürgerinnen und Bürger hat das Land Berlin gebrochen. Das Desaster nicht aufzuarbeiten und sich munter in den nächsten Wahlkampf zu stürzen, ist falsch. Denn dann kann das alles wieder passieren.
    Heute ist Buß- und Bettag. Er lädt ein, über Fehler nachzudenken, damit ein Neuanfang möglich wird. Berlin, du hast es bitter nötig!

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