Der US-Präsident hat seine Nahost-Reise beendet. Ob sich der umstrittene Besuch in Saudi-Arabien auszahlt, wird sich weisen. Klare Kante zeigte Biden gegenüber dem Iran und China.
Der beste Moment dieser Präsidentenreise kam fast zum Schluss. Da saßen lauter Autokraten im Kreis mit dem Mann, der ihnen die Leviten las – natürlich nicht aggressiv und fordernd, sondern höflich, auch wenn sich manche von Joe Biden lieber ein mächtiges Poltern gewünscht hätten.
"Die Zukunft gehört den Ländern", so der Präsident, “die das volle Potential ihrer Bevölkerung entfesseln, in denen Frauen gleiche Rechte haben und zu einer stärkeren Wirtschaft beitragen, zu widerstandsfähigen Gesellschaften und moderneren, fähigeren Streitkräften. In denen Bürger ihre Anführer hinterfragen und kritisieren können ohne Angst vor Vergeltung.“
Er selbst, fügt Biden schnell hinzu, habe ja über die Jahre viel Kritik bekommen.
Biden unter Druck - was kann er liefern?
Natürlich hofften viele, dass der Amerikaner den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman vor laufenden Kameras des Mordes an dem Journalisten Jamal Kashoggi beschuldigt. Dass er es nicht tat, zwingt Joe Biden dazu, umso mehr Handfestes vorzuweisen nach diesem Besuch in Dschidda. "Deliverables“ nennt man das im Jargon des Politjournalismus – was kann er liefern?
Auf den ersten Blick klingen viele der Verabredungen von Dschidda, als würden nur die USA geben:
Sie bieten
- die Sicherung der Seewege gegen jede Aggression,
- den Schutz vor iranischen Raketen,
- die Garantie, Nuklearwaffen in den Händen des Iran zu verhindern, notfalls mit Gewalt.
Sie bleiben also die militärische Schutzmacht im Nahen und Mittleren Osten. Das ist für die Golfstaaten genauso wichtig wie für Israel. Außerdem hilft Amerika nun beim Ausbau von 5G- und 6G-Telekommunikationsnetzen und bei anderen Infrastrukturprojekten im Nahen Osten.
Biden bremst chinesischen Einfluss in der Region
Aber all das kann man auch aus anderem Blickwinkel sehen, denn mit den militärischen und wirtschaftlichen Zusagen bremst Biden ein Stück weit den chinesischen Einfluss in der Region. Washington hat schlicht und ergreifend mehr zu bieten, auch angesichts der gemeinsamen Sorge vor einem übermächtigen Iran, der bald über Atomwaffen verfügen könnte.
Diese Sorge ist groß genug, dass die Annäherung der arabischen Staaten an Israel weiter vorankommt – wenn auch langsam. Diese beiden klaren Signale an Iran und China sind dem US-Präsidenten offenbar wichtig genug, dass er sich für sein Gespräch mit Mohammed bin Salman publizistisch prügeln lässt.
Man nennt das Realpolitik. Die hat freilich erhebliche Risiken, die dann eintreten, wenn sich die Erwartungen am Ende doch nicht erfüllen. Jeder Entscheidungsträger muss das vorher genauestens abwägen.
Politiker zur Analyse seiner Handlungen verpflichtet
Der deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt hat das einmal unter Bezugnahme auf den Soziologen Max Weber sehr eindrucksvoll beschrieben. Jeder Politiker sei zur sorgfältigen Analyse und dem Durchdenken aller Eventualitäten verpflichtet, weil er für die Folgen seines Handelns – auch für die "ungewollten Folgen“ und die "in Kauf genommenen oder nicht vorhergesehenen Nebenwirkungen“ – einstehen müsse:
Auch im Weißen Haus haben sie Monate darüber diskutiert, ob es das wert ist, wenn Joe Biden nicht gleich mit einem arabisch-israelischen Friedensvertrag und mit einer massiven Ausweitung der Ölfördermengen nach Hause zurückkehrt.
Realpolitiker im Weißen Haus setzen sich durch
Am Ende haben sich jene durchgesetzt, die glauben, dass man für die geo-strategischen Ziele der USA um den künftigen Herrscher über Saudi Arabien nicht herumkommt: Ohne ihn auf lange Sicht keine Aussöhnung mit Israel, ohne ihn kein Bündnis gegen Iran, ohne ihn kein Zurückdrängen des chinesischen Einflusses und, ja, ohne ihn auch keine Verbesserungen bei den Menschen- und Bürgerrechten.
Der Kronprinz nennt den Mord an Jamal Kashoggi einen "Fehler“, auch wenn er selbst jede Verantwortung dafür zurückweist. Immerhin glauben seine amerikanischen Gesprächspartner, dass die saudische Seite kein Interesse daran hat, dass sich so etwas noch einmal wiederholt. Man kann das als "naiv“ bezeichnen oder als "Vertrauensvorschuss“.
Was davon zutrifft, entscheidet sich jedenfalls nicht an der Vergangenheit, sondern an dem, was künftig ist. Das meinte Joe Biden vermutlich mit seinen Worten am Ende seiner Rede im Kreis von Autokraten:
Elmar Theveßen ist Leiter des ZDF-Studios in Washington
Mehr zur Begegnung zwischen US-Präsident Biden und Kronprinz bin Salman:
- Biden: Kashoggi-Mord bei Prinz angesprochen
Das Verhältnis der USA zu Saudi-Arabien ist seit dem Mord am Journalisten Jamal Khashoggi belastet. US-Präsident Biden warnte den Kronprinzen nun vor weiteren solcher Gewalttaten.