Vor dem Gipfel der US-amerikanischen und russischen Staatschefs ist die Liste der Forderungen von Biden an Putin lang. Dabei wäre schon die richtige Kommunikation ein Erfolg.
"Vor der Weltpresse zu verhandeln, ist das Letzte, was man tun sollte", sagt der US-Präsident mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Gerade hat eine Kollegin wieder einmal gefragt, in welchen Punkten Wladimir Putin sein Verhalten ändern müsse, damit der Genfer Gipfel ein Erfolg wird. Joe Biden ist vorsichtig. Er weiß genau, welche Bedeutung diese Auslandsreise, besonders das Treffen mit Putin, für ihn hat.
China für USA größere Bedrohung als Russland
Die US-Regierung sieht in China langfristig die deutlich größere Bedrohung - deshalb will sie mit dem frühen Gipfeltermin möglichst schnell mit Russland zu einem klaren, gegenseitigen Verständnis kommen, um sich dann auf den Herausforderer aus Fernost zu konzentrieren. Es geht aber aber nicht um ein reines Abhaken der Begegnung mit Putin, denn Bidens Glaubwürdigkeit für seine Weltpolitik hängt von einem starken Auftritt in Genf ab.
so Biden am Sonntag. "Wir suchen nicht den Konflikt. Wir versuchen, (Russlands) Verstöße gegen internationale Normen zu lösen."
Biden will Rückendeckung von Deutschland
Deshalb hat der amerikanische Präsident in den vergangenen Tagen sein wichtigstes Werkzeug geschmiedet, um glaubwürdig seinem russischen Pendant und - später im Jahr - wohl auch dem chinesischen Staatschef gegenüberzutreten: Einigkeit im Verbund werteorientierter Demokratien.
Wenn es Putin oder Chinas Staatschef Xi immer wieder gelingt, ihre Wirtschaftsdeals mit europäischen Staaten als Hebel, ja gar für politische Erpressung zu benutzen, dann können die beiden Biden einfach ignorieren, wenn er die Einhaltung von Menschen- und Bürgerrechten und den Stopp der militärischen Provokationen fordert.
Deutschland spielt dabei eine wichtige Rolle, denn der US-Präsident erwartet von der Bundesregierung volle Rückendeckung, insbesondere im Umgang mit Putin.
Nato sollte Position gegen Russland beziehen - das tat sie
Dass Biden zunächst auf Sanktionen gegen die Betreiberfirma der Nordstream-2-Pipeline verzichtete, hatte taktische Gründe. Zum einen sollte Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dafür sorgen, dass die Nato unmissverständlich Position gegenüber Russland bezieht. So geschah es.
Zum anderen dienen die immer noch möglichen Sanktionen als Verhandlungsmasse beim Biden-Putin-Gipfel. Wenn der US-Präsident diese Option hinterher ziehen will, wird er von der Kanzlerin bei ihrem Washington-Besuch Mitte Juli die uneingeschränkte Solidarität verlangen.
Putin erwartet lange Liste an Forderungen
Biden will mit aller Härte, aber wohlgemerkt hinter verschlossenen Türen, seine Forderungen stellen. Russland soll die militärischen Provokationen einstellen - in der Ukraine, aber auch in Lufträumen und Seegebieten in Europa. Putin soll Menschen- und Bürgerrechte respektieren und die Mordattacken seiner Geheimdienste auf politisch Andersdenkende unterbinden.
Russland soll jede Einmischung in die Wahlen anderer Länder beenden und entschlossen gegen die Hacking-Angriffe krimineller Banden vorgehen. Beim letzten Punkt gibt es Verständigungsmöglichkeiten, ebenso wie bei einem Nachfolgeabkommen für den Start-2-Abrüstungsvertrag und beim Ausbau der Zusammenarbeit in der Raumfahrt. Wer weiß, vielleicht gibt es gar Annäherung bei Themen wie Iran und Syrien.
- Biden will Putin Grenzen zeigen
US-Präsident Joe Biden trifft am Mittwoch auf Russlands Präsidenten Wladimir Putin. Biden will ihm auch "rote Linien" aufzeigen, sagte er nach dem Nato-Gipfel.
Verabredung der Kommunikationswege wäre schon Erfolg
Trotz allem kocht das Weiße Haus derweil die Erwartungen herunter. Im Hintergrundgespräch sagt ein Mitarbeiter aus Bidens unmittelbaren Umfeld, die beiden Präsidenten würden sicher erstmal klarmachen, was sie voneinander halten und was sie vom jeweils anderen erwarten, also welche Forderungen sie stellen.
Und wenn beide dabei ein Gespür dafür bekommen, was sie vom anderen zu erwarten haben, sei das schon ein Erfolg. Außerdem wolle man Kommunikationswege verabreden, damit im Fall des Falles - also eines Konflikts - jeder weiß, mit wem man sprechen kann. Gerade letzteres klingt nach wenig, ist aber unabdingbar, um große Eskalationen zwischen Russland und den USA bzw. der Nato zu verhindern.
Trump-Auftritt wie in Helsinki soll verhindert werden
Das wird das Minimalergebnis sein, das Biden hinterher verkünden will - auf einer Solo-Pressekonferenz. Niemand soll den Erfolg des Gipfels danach beurteilen können, wer bei einer gemeinsamen Pressekonferenz den stärksten Händedruck, den höchsten Redeanteil, die schärfsten Formulierungen und das gelassenste Lächeln im Gesicht hatte. Es ist eine Lehre aus dem gemeinsamen Auftritt von Helsinki 2018, als Donald Trump wie ein Fanboy rüberkam für den russischen Autokraten Putin.
Biden traut Putin nicht. Gern verweist sein Umfeld auf eine Anekdote vom März 2011. Bei einer Begegnung in Moskau will der damalige US-Vizepräsident zu Wladimir Putin gesagt haben: "Ich schaue Ihnen in die Augen und ich glaube, dass Sie keine Seele haben." Daraufhin soll - so Biden - der Russe lächelnd gesagt haben: "Wir verstehen einander." Darum geht's auch diesmal: Verstehen, wie der andere tickt.