Die Regierung will die Erneuerbaren massiv ausbauen. Doch auch rund 20 Jahre nach Beginn der Energiewende geht es nur schleppend voran. Steuern wir auf einen Blackout zu?
Deutschland will aussteigen: keine Kohle, kein Gas, keine Atomkraftwerke. Stattdessen wollen wir voll auf erneuerbare Energien umsteigen. Droht ein großer Strom-Blackout?
Der Klimawandel ist eine der größten Bedrohungen der Menschheit. Die Energiewende, die die Verbrennung fossiler Ressourcen beenden will, also eigentlich eine hehre Idee. Deutschland so schnell wie möglich klimaneutral zu machen, eine absolute Notwendigkeit. Spätestens 2045 soll es so weit sein. So ist der Plan der Politik.
Ein großer Hebel sind dabei die Kohlekraftwerke, denn sie emittieren besonders viel klimaschädliches CO2. Statt 2038 - wie von der Kohlekommission beschlossen - will die Ampel-Koalition den Ausstieg "möglichst" auf 2030 vorziehen. Nur: Woher soll der Strom kommen, sollte Deutschland wie geplant Ende des Jahres auch noch seine letzten drei Atommeiler abschalten?
Nicht nur die hohen Preise für Gas- und Öl, sondern auch die Sorge, im Winter in kalten Wohnungen zu sitzen, haben etwa in Sachsen-Anhalt einen Run auf Kohle oder Holz ausgelöst.
Harald Schwarz, Professor für Energieverteilung und Hochspannungstechnik in Cottbus, warnt:
Kommt es dann zum Blackout, wenn die Erneuerbaren nicht liefern?
Ausbau von Windkraft und Netzen schleppend
Der Anteil der Erneuerbaren liegt noch unter 50 Prozent (2021: 41 Prozent). Und der Zubau von Windrädern ist fast zum Erliegen gekommen. Gerade mal 484 Windenergieanlagen kamen 2021 hinzu, 2020 waren es noch weniger.
Ein weiteres Problem: der Ausbau der Netze. Weil Windräder oft nicht dort stehen, wo viel Strom verbraucht wird, müssen die Leitungsnetze ausgebaut werden. Das ist seit Jahren bekannt, aber passiert ist wenig. Gerade mal rund 2.000 Kilometer von über 12.000 Kilometern benötigter Leitungen sind fertiggestellt.
Gaskraftwerke sollen "Dunkelflauten" abfedern
Und es gibt noch mehr Herausforderungen. So liefern Wind und Sonne nicht stetig Energie. Mehrere Tage im Jahr gibt es "Dunkelflauten" - Zeiten, in denen kein Wind weht und keine Sonne scheint. Dann braucht es Ersatz.
Das weiß auch der Staatsekretär und ehemalige Klimalobbyist Patrick Graichen aus dem Wirtschaftsministerium. "Deswegen werden wir auch bis 2030 zusätzliche Gaskraftwerke errichten, um die Versorgungssicherheit auch ohne Kohlekraftwerke zu gewährleisten."
Das wiederum heißt: Dutzende Gaskraftwerke müssten in acht Jahren neu gebaut werden. Die sollen dann den Strom liefern, den Deutschland braucht. Aber wer investiert jetzt in Gaskraftwerke, die nur wenige Wochen im Jahr laufen? Woher kommt das Gas, wenn Russland den Hahn ganz zudreht?
Deutschland setzt auf grünen Wasserstoff
Viele ungelöste Fragen auf dem Weg zu Deutschlands Ziel, bis 2045 klimaneutral zu werden. Denn das bedeutet: Nicht nur der aktuelle Stromverbrauch soll grün werden. Die gesamte Energie, die Industrie und Bürger heute in Form von Öl, Kohle, Gas oder Benzin verbrauchen, soll in 22 Jahren durch Ökostrom ersetzt werden.
Hunderttausende Windräder müssten dafür gebaut und auch aufgestellt werden. Weil das in Deutschland wohl nicht zu schaffen ist, plant die Bundesregierung, grünen Wasserstoff aus anderen Ländern zu importieren. Dabei soll grüner Strom genutzt werden, um mit Hilfe der Elektrolyse Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff aufzuspalten.
Der Wasserstoff soll dann nach Deutschland exportiert werden. Hier könnte er Schiffe antreiben oder als Brennstoff in der Industrie genutzt werden. Technisch ist das zwar möglich, aber noch nicht in großem Maßstab erprobt. Und bislang gibt es weder eine nennenswerte Erzeugung, noch ist auch nur im Ansatz die Infrastruktur vorhanden, die für den Transport nach Deutschland nötig wäre.
Absichtserklärungen und hochgesteckte Ziele
Für viele Fragen bei der Energiewende gibt es bisher nur Absichtserklärungen und hochgesteckte Ziele. Trotzdem werden schon jetzt viele Strom liefernde Kraftwerke abgeschaltet, kritisiert Harald Schwarz: "Man macht solche Entscheidungen doch erst, wenn ich die Alternative habe, die auch funktioniert, die auch hoch skaliert ist. Dass ich dann sukzessive die konventionelle Erzeugung rausnehme. Will man nicht. Man will ganz auf die Schnelle Kernenergie und Kohle herunterfahren."
Das aber birgt erhebliche Gefahren. Im schlimmsten Fall droht ein Blackout, wenn die Erneuerbaren zu wenig Strom liefern.