Brasiliens Präsident Bolsonaro ist wegen der verheerenden Abholzung im Amazonas-Regenwald international isoliert. Durch den Ukraine-Krieg bietet ihm sich nun eine neue Chance.
Brasilien hat, was der Westen nach seinen Sanktionen gegen Russland dringend braucht: Öl, Gas und eine umfassende Nahrungsmittelproduktion. Zugleich hat das größte lateinamerikanische Land einen umstrittenen Präsidenten: Jair Bolsonaro.
Der Rechtspopulist ist wegen seiner umweltfeindlichen Politik, insbesondere im Amazonas-Regenwald, zum Feindbild der globalen Umweltbewegung geworden. Dort nähern sich Abholzungszahlen den schlimmen Werten der ersten Dekade des laufenden Jahrhunderts unter Präsident Lula da Silva mehr und mehr an.
Der Westen sucht neue Lieferanten
Doch seit einem Monat hat sich die geopolitische Weltlage durch den russischen Überfall auf die Ukraine geändert. Europa wie Deutschland suchen Partner, die die möglichen Engpässe bei Energie- und Lebensmittelversorgung ausgleichen könnten. Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck verhandelte jüngst in Katar, ein Land, deren Machthaber wegen Menschenrechtsverletzungen ebenfalls umstritten sind. Die USA nahmen vorsichtig Kontakt zum ölreichen, aber ebenfalls scharf kritisierten Venezuela auf.
Geht es nach Roberto Campos Neto, dem Chef der brasilianischen Zentralbank, dann könnte sein Heimatland einer der Gewinner der globalen Neuordnungen in Folge des Ukraine-Krieges werden. Bei der Neugestaltung würden Räume frei werden, sagte Campos Neto laut Magazin "Veja". Wo Brasilien zuvor außen in den Handelsketten vorgelassen wurde, sei es jetzt ein guter Zeitpunkt, diese Plätze zu besetzen.
Brasilien beklagt viele Corona-Tote, blickt aber auf eine erfolgreiche Impfkampagne zurück und mit Unsicherheit auf das kommende Jahr, in dem auch die Präsidentschaftwahl stattfindet.
Brasilien will Ölförderung um zehn Prozent steigern
Brasilien geht seinerseits in die Offensive. Bergbau- und Energieminister Bento Albuquerque ließ in dieser Woche mit einer Ankündigung in Paris aufhorchen: Brasilien wird seine Ölproduktion bis zum Ende dieses Jahres um zehn Prozent steigern.
Keine riesige Menge, aber doch ein Beitrag, der zur leichten Entlastung auf dem Weltmarkt führen könnte. Das sei Brasiliens Beitrag zur "Stabilisierung der globalen Energiemärkte", so Bento Albuquerque.
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Politikwechsel aus Brasilia wäre notwendig
Brasilien und Bolsonaro werden im Spiel der Großmächte wieder interessant. Während Russlands Außenminister Sergei Lawrow jüngst erklärte, Brasilien "würde nicht länger Befehle von Onkel Sam" akzeptieren, erklärten die USA nach der Abstimmung in der UN-Vollversammlung, sie seien stolz, mit Brasilien auf der Seite der Ukraine zu stehen.
Damit Brasilien und sein umstrittener Präsident aber auch von der europäischen Diplomatie wieder akzeptiert werden, wäre auch ein verlässlicher Politikwechsel aus Brasilia notwendig. Bislang hat Bolsonaro im anlaufenden Präsidentschaftswahlkampf nicht erkennen lassen, dass er in Bezug auf den Amazonas auf die internationale Staatengemeinschaft zugehen will. Kritiker warfen ihm jüngst sogar vor, die Ukraine-Krise nutzen zu wollen, um umstrittene Bergbauprojekte auf indigenen Territorien durchzusetzen.
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So bleiben nicht nur die Befürchtungen um die Versorgungsengpässe der Europäer aktuell, sondern auch die Sorgen der Umweltschützer. Jacques d'Adesky von der Universität Federal Fluminense in Rio de Janeiro glaubt deshalb im Gespräch mit ZDFheute nicht an ein schnelles Vorankommen wie zum Beispiel bei Handelsabkommen zwischen Europa und den südamerikanischen Staatenbund Mercosur:
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