Boris Johnson tritt als Chef seiner Partei zurück. Er will als Regierungschef zunächst weitermachen, kündigte aber an, wichtige Entscheidungen dem nächsten Premier zu überlassen.
Den Rücktritt als Parteichef hat Johnson vor 10 Downing Street verkündet. Sein Amt als Premierminister will er jedoch noch bis Oktober behalten. Ein Abschied auf Raten.
Der britische Premierminister Boris Johnson hat seinen Rücktritt als Chef der konservativen Tory-Partei angekündigt. Er wolle jedoch Premierminister bleiben, bis ein Nachfolger gefunden sei, sagte Johnson am Donnerstag in einem Statement. Ein neues Kabinett sei ernannt. Der neue Parteichef der Konservativen wird voraussichtlich noch im Sommer gewählt und dann Johnson auch als Premierminister ablösen.
Johnsons Statement in voller Länge:
Viele Parteikollegen forderten, der 58-Jährige solle umgehend als Regierungschef abtreten. Die Opposition verlangt eine Neuwahl und erwägt ein Misstrauensvotum im Unterhaus, um Johnson abzusägen.
Viele neue Minister im Kabinett
In der ersten Kabinettssitzung nach seinem angekündigten Rückzug rief Johnson zur Umsetzung des Regierungsprogramms auf. Allerdings werde es weder neue Vorhaben geben noch einen gravierenden Richtungswechsel, sagte Johnson einer Mitteilung zufolge. Er betonte demnach, wichtige Haushaltsentscheidungen sollten der nächsten Premierministerin oder dem nächsten Premierminister überlassen werden.
Mit am Kabinettstisch saßen sechs neue Minister, die Johnson unmittelbar vor seiner Rücktrittsankündigung ernannt hatte. Darunter war auch James Cleverly, der dritte Bildungsminister innerhalb von drei Tagen: Amtsinhaber Nadhim Zahawi war am Dienstagabend zum Finanzminister ernannt worden, dessen Nachfolgerin Michelle Donelan trat nach rund 36 Stunden im Amt aus Protest gegen Johnson zurück.
Nach Skandalen und Rücktritten in seinem Kabinett hat Boris Johnson die Konsequenzen gezogen: Er ist als Parteichef der Tories zurückgetreten. Als Premier bleibt er vorerst im Amt.
Erdrutschartige Rücktritte
Als mögliche Nachfolger für den Posten als Premier gelten unter anderem Außenministerin Liz Truss, Verteidigungsminister Ben Wallace, Finanzminister Nadhim Zahawi und Handelsministerin Penny Mardaunt. In Umfragen führt Verteidigungsminister Ben Wallace. Offiziell hat bisher nur Generalstaatsanwältin Suella Braverman ihre Kandidatur angekündigt.
Johnson war in den vergangenen Tagen wegen eines weiteren Skandals unter Druck geraten. Mehrere Minister legten ihre Ämter nieder und auch rund 40 Staatssekretäre und andere Mitarbeiter traten zurück. Vertraute rückten von ihm ab. Die Opposition verlangt eine Neuwahl.
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Die Liste der Skandale ist lang. Trotzdem hielten die britischen Konservativen lange an Boris Johnson fest. Nun regt sich immer mehr Widerstand. Eine Chronologie
Zuletzt forderte am Morgen der gerade erst ernannte Finanzminister Nadhim Zahawi, Johnson müsse Platz für einen Nachfolger machen. Am Mittwoch hatte der Premierminister im Parlament einen Rücktritt noch ausgeschlossen.
Wissen um Pincher löste Rücktrittswelle aus
Seit Monaten galt Johnson den Kommentatoren bereits als untragbar an der Regierungsspitze. Da war zunächst der Skandal um Spendengelder, die der Premier zum luxuriösen Umbau seiner Dienstwohnung missbrauchte. Dann kam Partygate - illegale Feiern am Regierungssitz während des Corona-Lockdowns.
Sein Rücktritt sei Wille der Partei, sagt Boris Johnson: Einschätzungen zur Erklärung des britischen Premiers von ZDF-Korrespondent Andreas Stamm aus London.
Dennoch überstand der Premier Anfang Juni ein parteiinternes Misstrauensvotum, wenn auch nur knapp. Damit bestätigte sich sein Ruf als "Katze mit sieben Leben". Schließlich musste er einräumen, dass er um die Vorwürfe wegen sexueller Übergriffe des Tory-Politikers Chris Pincher wusste, als er diesen beförderte. Damit brachte er die Rücktrittswelle in seiner Regierung ins Rollen.
- Boris Johnson "wird nicht vermisst werden"
Der Druck wurde zu groß: Der britische Premier Boris Johnson hat verkündet, zurücktreten zu wollen. Die ersten Reaktionen auf die Entscheidung fallen größtenteils positiv aus.