Am Ende stürzte Johnson über Partys in Lockdown-Zeiten und die Erschöpfung seiner Partei wegen seines fragwürdigen Umgangs mit der Wahrheit. Doch er war und bleibt ein Phänomen.
Sein Fall war so dramatisch und unvermeidlich wie sein Aufstieg. Die Doku zu Boris Johnson.
Seine Amtszeit als Premierminister ist gespickt mit Pannen, Kehrtwenden und Skandalen. Boris Johnsons persönlicher Ehrgeiz und sein Charisma waren eine Mischung, die Wahlen gewinnen konnte, Referenden entschied - und ihn letztendlich zum Stürzen brachte.
Here comes Mr. Brexit
Es war jene Nacht im Juni 2016, die man in Großbritannien und ganz Europa über Generationen hinweg nicht vergessen wird. Jubel über die Befreiung von den Ketten Brüsseler Bevormundung mischte sich mit Entsetzen über die Entscheidung, Europa nun den Rücken zu kehren.
Mit Wut auf den Mann, der bei vielen als der Hauptverantwortliche für den Ausgang des Brexit-Referendums gilt. "Schande über dich, Boris!", wurde ihm da zugerufen.
Johnson hatte Brüssel auf dem Kieker
Lange war nicht klar, für welche Seite sich Boris Johnson eigentlich entscheiden würde: für oder gegen Brüssel? Eine Stadt, mit der er einiges verbindet. Zwei Jahre ging er dort zur Schule. Sein Vater war einer der ersten Offiziellen, die nach dem EU-Beitritt Großbritanniens 1973 nach Brüssel entsandt wurden, um für die Kommission zu arbeiten. Ende der 1980er kehrte Boris Johnson nochmal zurück - als EU-Korrespondent der konservativen Tageszeitung "The Daily Telegraph".
Boris Johnson sei vom Wahlgewinner zum Ballast an der Wahlurne geworden, so ZDF-Korrespondent Andreas Stamm. Seine Minister mussten zuletzt "in immer höherer Schlagzahl absurdeste Verteidigungen für Johnsons Lügengebäude vortragen".
Mit durchschlagendem Erfolg und zum Leidwesen zahlreicher Kollegen, so wie Martin Fletcher: "Boris einzige Absicht war, auf die Europäische Union einzudreschen, wo immer es nur ging. Sich über sie lustig zu machen, sie zu verhöhnen und zu verunglimpfen."
Sein Rücktritt sei Wille der Partei, sagt Boris Johnson: Einschätzungen zur Erklärung des britischen Premiers von ZDF-Korrespondent Andreas Stamm aus London.
Ziemlich beste Feinde: Cameron und Johnson
Wie neunzehn Premierminister des Landes - zuletzt David Cameron - ist Johnson im Eliteinternat Eton zur Schule gegangen. In Oxford studierte Johnson Altphilologie und war vor allem auch im berühmten Debattierclub der Universität aktiv. Cameron und Johnson verbindet seit alten Tagen ein erbittertes Konkurrenzverhältnis.
Vielleicht um den Konkurrenten in der großen Politik aus dem Weg zu haben, bot Cameron als damaliger Parteichef der Konservativen Johnson an, für das Amt des Bürgermeisters von London zu kandidieren. Der nahm dankend an, gewann die Wahl. Und konnte sich fortan auf dieser Spielwiese ordentlich austoben.
Aufgrund mehrerer Skandale steht der britische Premierminister schon länger in Kritik. Am Donnerstagmorgen berichtete BBC dann, dass Boris Johnson vermutlich als Parteichef zurücktreten wird.
Johnsons politisches Spiel mit Theresa May
Cameron und Johnson rangen auch um den Posten des Premierministers. Lachende Dritte war Theresa May, die Johnson überraschenderweise zu ihrem Außenminister machte. Mays Kalkül war es, einen harten Brexit-Befürworter wie Johnson mit ins Boot und damit in die Verantwortung zu nehmen, und ihn gleichzeitig mit diesem Amt - aufgrund vieler Auslandsreisen - fernab vom täglichen Brexit-Geschehen zu halten.
Doch diese Rechnung ging nicht auf. Johnson blieb Mays erbittertster Widersacher. Immer wieder warf er ihr Knüppel zwischen die Beine, paktierte mit Erzkonservativen der Tory-Partei und trat wegen Meinungsverschiedenheiten über die Verhandlungsstrategie der Premierministerin in der Brexit-Frage nach nur zwei Jahren im Amt aus dem Kabinett zurück.
Trotz zahlreicher Rücktritte aus der eigenen Partei und Skandalen, war Johnson zunächst nicht zurückgetreten.
Corona-Chaos à la Boris
Just am Tag der Brexit-Party hatte Großbritannien seine beiden ersten bestätigten Corona-Fälle. Es sollten Millionen mehr folgen. Johnson zögerte lange, Beschränkungen einzuführen. Am Ende mussten sie doch kommen, die langen, harten Lockdowns. Bis heute hat Großbritannien die höchste Zahl an Corona-Toten in Europa zu beklagen. Wäre da nicht das Impfprogramm gewesen, mit dem das Land rasch und effektiv aus den Startlöchern kam, die Corona-Politik Boris Johnsons ließe sich im Rückblick nur als chaotisch bis bestenfalls konfus beschreiben.
- Die Skandale von Johnson und seiner Regierung
Die Liste der Skandale ist lang. Trotzdem hielten die britischen Konservativen lange an Boris Johnson fest. Nun regt sich immer mehr Widerstand. Eine Chronologie
Eine Unwahrheit zu viel
Eine Misstrauensabstimmung seiner Fraktion überstand Johnson Anfang Juni gerade noch so. Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, war dann aber die sogenannte Pincher-Affäre. Dem stellvertretenden Fraktionsführer Chris Pincher wurde in mehreren Fällen sexuelle Belästigung vorgeworfen.
Wiederholt ließ Johnson verbreiten, er habe von den Anschuldigungen nichts gewusst, als er Pincher beförderte. Dies aber stimmte nicht. Spätestens jetzt sind die Geduld und das Vertrauen seiner Parteifreunde endgültig aufgebraucht.