Brand in Flüchtlingsheim: Polizei vermutet politisches Motiv
Politisches Motiv vermutet:Brand in Unterkunft: "Es ist schmerzhaft"
von Nils Metzger
20.10.2022 | 13:42
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Eine Unterkunft für ukrainische Geflüchtete bei Wismar ist abgebrannt. Die Polizei geht von Brandstiftung aus. Frühere Bewohner sind entsetzt. Im Netz gab es vorab Hasskommentare.
Nach dem Brand einer Unterkunft für ukrainische Geflüchtete in Groß Strömkendorf bei Wismar in Mecklenburg-Vorpommern vermutet die Polizei einen politischen Hintergrund. Der Staatsschutz habe die Ermittlungen übernommen, teilte das Polizeipräsidium Rostock am Donnerstag mit.
Das Gebäude sei fast vollständig zerstört worden, Menschen seien nicht verletzt worden. Die 14 Bewohner des Hauses stammten überwiegend aus der Ukraine und seien in andere Einrichtungen des Landkreises gebracht worden, teilte der Landkreis Nordwestmecklenburg mit. Ein Brandgutachter soll nun die Ursache klären.
Hakenkreuz am Eingang entdeckt
Ministerpräsidentin Manuela Schwesig und Innenminister Christian Pegel (beide SPD) wollten sich am Donnerstag am Brandort ein Bild von dem Vorfall machen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) reagierte am Donnerstag mit Entsetzen:
Menschen, die vor Putins Krieg bei uns in Deutschland Schutz gefunden haben, mussten aus den Flammen gerettet werden.
Nancy Faeser (SPD)
Eine Polizeisprecherin teilte gegenüber ZDFheute mit, dass am Montag auf einem Schild vor der Unterkunft ein Hakenkreuz entdeckt worden war. Es sei aber unklar, wann das Hakenkreuz angebracht worden sei.
Auch aus meiner langjährigen Erfahrung als Feuerwehrmann gehe ich derzeit davon aus, dass das Feuer absichtlich gelegt wurde. Das ist natürlich ein großer Schock.
Tino Schomann, Landrat Nordwestmecklenburg
Das frühere Hotel "Schäfereck" in Groß Strömkendorf bei Wismar wird seit April 2021 als Flüchtlingsunterkunft benutzt.
Frühere Bewohner entsetzt über Brand in Unterkunft
ZDFheute hat online neben viel Betroffenheit auch Hasskommentare gefunden.
In einer Telegram-Gruppe für ukrainische Geflüchtete in Wismar äußerten sich mehrere Personen, die in den vergangenen Monaten in der Unterkunft gewohnt hatten, auf Ukrainisch zum Brand: "Es ist sehr schmerzhaft. So ein wundervoller Ort, so wundervolle Menschen haben dort gelebt und gearbeitet. Ich habe selbst dort drei Monate gelebt, die wärmsten Erinnerungen", schreibt die Nutzerin Katerina.
"Unser schönes und geliebtes Hotel. Unser kleiner Sohn erinnert sich noch daran, dass es dort gut war und wollte dort spazieren gehen", schreibt die Nutzerin Tanywka in der gleichen Gruppe. Dort versuchen nun Freiwillige das Nötigste für die Opfer zu organisieren: Kinderkleidung, Bettwäsche, Schuhe.
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Hasskommentare in lokalen Netzgruppen gegen Unterkunft
Manche Kommentare in den sozialen Medien deuten darauf hin, dass das nun abgebrannte Hotel manchen Anwohnern schon lange ein Dorn im Auge gewesen sein könnte. Die Unterbringung von Geflüchteten im ehemaligen Hotel wird darin unter anderem als "Schande und ein Verbrechen" bezeichnet.
In lokalen Facebook-Gruppen war die Unterbringung von geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainern seit Monaten ein zumindest kontroverses Thema. Unter nahezu jeder Anfrage, ob man eine Wohnung für Geflüchtete hätte, wurden Gegner einer Aufnahme auf Facebook beklatscht.
Jene, die helfen wollen, sind frustriert, üben sich in Gegenrede: "Wismar ist nicht so wie man es hier in den Kommentaren liest. Die besorgten Bürger schreien nur besonders laut", entgegnet eine Nutzerin. Konkrete Hinweise, wer hinter der möglichen Brandstiftung stecken könnte, bieten die von ZDFheute eingesehenen Gruppen aber nicht.
Lokale Hilfsorganisation mahnt zusätzlichen Schutz an
Mit Geflüchteten in Wismar arbeitet der Integrationsverein "Das Boot". Geschäftsführerin Sandra Rieck ist entsetzt über den Brand in der Unterkunft. "Mich erschüttert das total. Das hat eine Dimension, mit der ich nicht gerechnet hätte. Das ist hinterrücks und feige", sagt Rieck ZDFheute. "Wir hatten in Wismar immer wieder Probleme mit rassistischen Übergriffen und wir sehen die Stimmungslage in den sozialen Medien. Aber wir haben auch ein großes Netzwerk an Unterstützern. Diese Ablehnung bildet also nicht die Lage in der ganzen Bevölkerung wider."
Ihr sei vorab keine konkrete Bedrohung der Einrichtung bekannt gewesen. "Man sollte jetzt über zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen für solche Einrichtungen nachdenken. Und auch die Zivilgesellschaft muss aufmerksam bleiben", sagt Rieck. Ihre Organisation werde jetzt Solidaritätsaktionen für die Betroffenen des Brandes planen.
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