Amtsinhaber Bolsonaro holt bei den Präsidentschaftswahlen in Brasilien deutlich mehr Stimmen als vorhergesagt. Herausforderer Lula geht trotzdem favorisiert in die Stichwahl.
Bei den Wahlen in Brasilien hat der linke Ex-Präsident Lula gewonnen. Er muss aber in die Stichwahl gegen Präsident Bolsonaro.
Noch am Freitag hatte das renommierte Umfrageinstitut "Datafolha" vorhergesagt, dass der erste Durchgang der Präsidentschaftswahlen in Brasilien eine klare Sache wird. Der rechtspopulistische Amtsinhaber Jair Bolsonaro (Umfrage: 36 Prozent) müsste sogar einen Durchmarsch des linksgerichteten Herausforderers Lula da Silva (Umfrage: 50 Prozent) fürchten. Sicher war sich "Datafolha" auch, dass Lula jegliches Szenario in einer Stichwahl für sich entscheiden würde.
Am Wahlabend kam dann alles ganz anders. Im Lager des Präsidenten herrscht plötzlich wieder Euphorie, denn mit 43,3 Prozent holte Bolsonaro deutlich mehr Stimmen als erwartet. Lula kam mit 48,3 Prozent dagegen den Umfragen schon näher. Trotzdem muss sich der ehemalige Präsident Lula da Silva (2003 – 2011) Sorgen um den prognostizierten Sieg machen, ein Selbstläufer wird das nicht.
Wahl in Brasilien: Die zweite Reihe entscheidet nun
Denn richtig spannend wird nun der Blick auf die Prozentzahlen hinter den beiden Platzhirschen Bolsonaro und Lula da Silva. Hier holte die eher dem Mitte-Rechts-Lager zugerechnete Simone Tebet etwa 4,1 Prozent der Stimmen. Ihre Wählerschaft gilt ähnlich wie die von Soraya Thronicke und Felipe Avila eher als Bolsonaro-affin, weil wirtschaftsliberal.
Ein Sonderfall ist der moderate Linkskandidat Ciro Gomes. Der reagierte äußert verärgert auf die Stimmenkampagne des Lula-Lagers, das die Gomes-Wählerschaft aufforderte, ihre Stimme im ersten Durchgang nicht zu verschenken. Tatsächlich holte Gomes mit 3,05 Prozent deutlich weniger Stimmen als erwartet.
In Brasilien sind die Fronten zwischen der Anhängerschaft des Präsidenten Bolsonaros und des Ex-Präsidenten Lulas verhärtet.
Stichwahl in Brasilien am 30. Oktober
Insgesamt kommt das Kandidatenpersonal hinter Bolsonaro auf ein Potential von rund acht Prozent, die nun die Stichwahl am 30. Oktober entscheiden werden. Und im Kampf um diese acht Prozent liegt Bolsonaro offenbar leicht vorne. Für Tebet und Gomes "stehen die Türen offen", sagte Bolsonaro am Abend. Würden beide Wählerlager zu Bolsonaro wechseln, läge er bei knapp über 50 Prozent.
Allerdings muss Bolsonaro einen Rückstand von etwa fünf Prozent aufholen, Lula nur noch knapp zwei Prozent hinzugewinnen. Trotzdem: Noch am Wochenende hätte kaum jemand ein solches Szenario für möglich gehalten, war Bolsonaro schon abgeschrieben. Lula gab sich trotzdem siegessicher: "Das ist nur eine Verlängerung. Wir werden bis zum Ende um den Sieg kämpfen."
Die Wahl wird zwischen Amtsinhaber Jair Bolsonaro und Herausforderer Luiz Ignacio Lula da Silva Ende Oktober entschieden.
Viele Bolsonaro-Vertraute gewinnen Ämter
Eine zweite Entwicklung muss dem Lula-Lager Sorgen machen. Zahlreiche Mitstreiterinnen und Mitstreiter wie die ehemalige Agrar-Ministerin Teresa Cristina oder die Familien-Ministerin Damares Alaves zogen schon in der ersten Runde in den Senat ein. Ihre klaren Siege sind wie die Erfolge anderer Bolsonaro-nahen Gouverneure eine Warnung an Lula, dass das Rennen noch lange nicht gelaufen ist.
Brasilien steht vor einer Richtungswahl. Wirtschaftlich und politisch so gespalten wie nie, ist diese Präsidentschaftswahl ein Duell um die Zukunft des Landes. Jair Bolsonaro tritt gegen den ehemaligen Präsidenten Lula an.
Auch für Europa geht es um einiges
Auch für Deutschland und Europa geht es bei der Wahl um eine wichtige Weichenstellung. Lula da Silva hatte bei einem Wahlsieg in Aussicht gestellt, dass das derzeit auf Eis liegende EU-Mercosur-Freihandelsabkommen innerhalb von sechs Monaten unterzeichnet werden könne.
Brasilien ist dabei der wichtigste und größte Handelspartner innerhalb des südamerikanischen Staatenbundes Mercosur. Brüssel hatte den Ratifizierungsprozess wegen der umstrittenen Amazonas-Abholzungspolitik Bolsonaros gestoppt. Lula da Silva verspricht dagegen eine Null-Abholzungsstrategie.