Die Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien über ein Handelspaket stocken. Jetzt plant London Änderungen am bereits gültigen Brexit-Abkommen - gegen harsche Proteste.
Der Brexit zieht sich seit Jahren – seit Januar 2020 gibt es einen Austrittsvertrag. Gegen den - und gegen internationales Recht - verstößt ein neuer Gesetzesvorschlag aus London.
Die britische Regierung will am Mittwoch einen Gesetzentwurf für Änderungen am bereits gültigen Brexit-Abkommen ins Parlament einbringen. Nordirland-Minister Brandon Lewis hatte am Dienstag im Unterhaus den verblüfften Abgeordneten bestätigt, dass das sogenannte Binnenmarktgesetz nicht nur einen Teil des Abkommens aushebeln, sondern sogar internationales Recht verletzen würde.
Dies war sowohl im Parlament als auch in Brüssel auf heftige Proteste gestoßen. Die Europäische Union pochte umgehend auf Vertragstreue: Das sei Voraussetzung dafür, dass das für 2021 anvisierte Handelsabkommen mit Großbritannien zustande komme.
In London findet die nächste Brexit-Verhandlungsrunde statt, doch eine Einigung bis Oktober ist nicht in Sicht. Ein harter Brexit wird immer wahrscheinlicher.
Geplantes Gesetz bedeutet Vertragsbruch
Inhaltlich geht es um umstrittene Vertragsklauseln zu Nordirland. Sie sollen verhindern, dass zwischen dem britischen Landesteil Nordirland und dem EU-Staat Irland eine feste Grenze entsteht.
EU-Vertreter sagten, jeglicher Versuch, den internationalen Vertrag zu übergehen, könne den Frieden in Nordirland gefährden und die Chancen auf ein Handelsabkommen untergraben. Großbritannien hat sich in der Vereinbarung verpflichtet, die Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland offen zu halten.
"Wir erwarten vom Vereinigten Königreich vollständig, dass es die Zusagen einhält, die es ausgehandelt und zu denen es sich verpflichtet hat", sagte Europaparlamentspräsident David Sassoli nach einem Treffen mit EU-Chefunterhändler Michel Barnier.
May sorgt sich um internationales Ansehen
Die ehemalige britische Premierministerin Theresa May äußerte die Sorge, dass der Versuch, internationale Verpflichtungen zu umgehen, dem internationalen Ansehen ihres Landes schaden könnte. "Wie kann die Regierung das Vertrauen künftiger internationaler Partner darin gewinnen, dass sie sich nicht an die rechtlichen Verpflichtungen der Vereinbarungen hält?", fragte sie im Unterhaus.
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Labour-Chef: Fokus auf Handelsabkommen
Auch der Chef der oppositionellen Labour-Partei, Keir Starmer, verurteilte den Plan und beschuldigte die Regierung, "alte Streits, die beigelegt worden waren, wieder anzufangen". Der Fokus solle stattdessen darauf liegen, einen Handelspakt mit der EU abzuschließen.
Der irische Außenminister Simon Coveney bezeichnete die Ankündigung der britischen Regierung als "sehr besorgniserregend". Coveney sagte:
Mit den britischen Änderungswünschen dürften die Chancen für einen Handelspakt noch weiter gesunken sein. Das Treffen in London geht bis Donnerstag.
Kommt der harte Wirtschaftsbruch?
Gelingt kein Vertrag über die künftigen Beziehungen, könnte es Anfang 2021 zum harten wirtschaftlichen Bruch mit Zöllen und anderen Handelshemmnissen kommen. Besonders strittig sind Themen wie Fischerei, Regeln zur Wirtschaftsförderung und Strafverfolgung.