Großbritannien tritt heute aus der Europäischen Union aus. Ein Rückblick auf die wichtigsten Ereignisse, Meilensteine und Figuren auf dem Weg zum Brexit.
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Über dreieinhalb Jahre nach dem Referendum über den EU-Austritt ist es heute soweit. Um Mitternacht (23 Uhr britischer Zeit) sagt Großbritannien zur EU "Goodbye". Der Austritt Großbritanniens aus der EU - ein Weg, bei dem man leicht die Orientierung verlieren kann. Ein Rückblick auf die wichtigsten Etappen:
Die Briten stimmen für den Brexit
23. Juni 2016: Das Referendum zum Brexit
Es ist der Tag, an dem Großbritannien eine folgenschwere Wahl trifft: In einem Referendum stimmen 51,9 Prozent der Wähler für den EU-Austritt. Die Folgen dieser Wahl werden manchen Wählern erst Tage später bewusst.
13. Juli 2016: Theresa May wird Premierministerin
Theresa May wird als Nachfolgerin von Premierminister David Cameron ernannt. Sie ist die erste Frau an der Regierungsspitze seit dem Rücktritt von Margaret Thatcher 1990. Mays Aufgabe ist es, die Bedingungen für Großbritanniens Austritt aus der EU auszuhandeln. May muss beide Seiten - die EU und das eigene Parlament - von einem Brexit-Plan überzeugen. Noch am selben Tag besetzt May die ersten Posten in ihrer Regierung:
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- Boris Johnson wird Außenminister. Eigentlich galt der frühere Londoner Bürgermeister und Kämpfer für den EU-Austritt als Favorit im Rennen um den Premierposten. Johnson hatte aber auf eine Kandidatur verzichtet.
- David Davis wird "Brexit-Minister". Als Staatssekretär für den Austritt aus der EU wird er der britische Chefunterhändler in den Verhandlungen mit Brüssel.
Der Countdown zum Brexit beginnt
17. Januar 2017: Ein erster Brexit-Plan
Monatelang lässt May offen, wie sie Großbritannien aus der EU führen will. Im Lancaster House in London stellt die Premierministerin erstmals ihren Brexit-Plan vor. Genau an dem Ort, wo Margaret Thatcher 1988 ihre Kampagne für einen Beitritt zum Europäischen Binnenmarkt gestartet hat, verkündet Theresa May knapp 30 Jahre später, dass Großbritannien den EU-Binnenmarkt verlassen würde. "Irgendwas, das uns halb drinnen, halb draußen lässt", kommt für May nicht in Frage. Das britische Parlament stimmt am 14. März 2017 für das Brexit-Gesetz, das Mays Regierung vorlegt.
29. März 2017: May leitet den Austritt ein
Ein entscheidender Tag: Der britische EU-Botschafter Tim Barrow übergibt in Brüssel den sechsseitigen Brexit-Brief an EU-Ratspräsident Donald Tusk. Mit dem Schreiben löst die britische Regierung das Austrittsverfahren nach Artikel 50 des EU-Vertrags aus.
Der zweijährige Countdown für den Verhandlungsprozess beginnt. Am 29. März 2019 soll die britische EU-Mitgliedschaft enden. So ist es zu diesem Zeitpunkt zumindest geplant. "Es gibt keinen Grund so zu tun, als ob dies ein glücklicher Tag ist - weder in Brüssel noch in London," sagt EU-Ratspräsident Tusk.
8. Juni 2017: May erlebt eine Niederlage bei Neuwahlen
Sie kam überraschend – die Ankündigung Mays, am 8. Juni 2017, knapp ein Jahr nach dem Referendum, vorgezogene Neuwahlen abzuhalten. Mays konservative Partei verliert die Mehrheit im Parlament und ist nun auf die Unterstützung der nordirischen DUP angewiesen.
8. Dezember 2017: Ein erster Durchbruch bei Verhandlungen
Die EU und Großbritannien einigen sich auf wichtige Streitfragen: die Rechte der Bürger, die sogenannte "Scheidungsrechnung" und die Grenze zwischen Irland und Nordirland. Damit ist die erste Phase der Brexit-Gespräche abgeschlossen. In der zweiten Phase geht es um die künftigen Wirtschaftsbeziehungen.
Kritik an Mays Kurs wird lauter
26. Juni 2018: Königliche Zustimmung für EU-Austritt
Die britische Königin Elizabeth II. gibt ihre Zustimmung zum EU-Austrittsgesetz. Damit ist die gesetzliche Grundlage für den Brexit gelegt. In Kraft treten soll das Gesetz aber erst mit dem offiziellen Ausscheiden des Landes aus der Europäischen Union – vorgesehen am 29. März 2019.
9. Juli 2018: Johnson tritt als Außenminister zurück
Ein Paukenschlag: Der Brexit-Hardliner Boris Johnson hatte Mays Kurs immer wieder als zu "soft" kritisiert und ihre Brexit-Pläne Medienberichten zufolge als "Scheißhaufen" bezeichnet.
13. November 2018: Einigung auf Austrittsvertrag
Die britische Regierung verkündet die Einigung auf einen Entwurf für den Austrittsvertrag. Die EU verabschiedet das Abkommen am 25. November.
15. Januar 2019: Premierministerin May erlebt historische Niederlage
Das Unterhaus lehnt das Brexit-Abkommen zwischen der EU und Großbritannien mit einer überwältigenden Mehrheit ab – 432 Abgeordnete stimmen gegen den vorgelegten Austrittsvertrag, 202 dafür. Es ist die schwerste Niederlage eines britischen Premierministers in der bisherigen Ära der Demokratie.
Labour-Chef Jeremy Corbyn stellt einen Misstrauensantrag gegen die Regierung, den May am 16. Januar knapp übersteht. Die Abgeordneten stimmen noch zweimal gegen das Abkommen (am 12. und am 29. März) - trotz Zugeständnissen aus Brüssel und Mays Versprechen, bei einem Ja zum Brexit-Deal zurückzutreten.
14. März 2019: Großbritannien lehnt erneutes Referendum ab
Das Parlament lehnt ein zweites Referendum ab. Zwei Wochen vor dem lange geplanten Austritt spricht sich das britische Unterhaus stattdessen mit klarer Mehrheit für eine Verschiebung des EU-Austritts aus. Großbritannien sollte die EU am 29. März 2019 verlassen.
Der Brexit verzögert sich
21. März 2019: EU bietet einen neuen Brexit-Termin an
Die 27 verbleibenden EU-Mitgliedstaaten bieten Großbritannien eine Verschiebung des Brexit-Termins an und geben zwei Optionen vor: Falls das britische Parlament das Austrittsabkommen annimmt, werde Großbritannien bis zum 22. Mai 2019 auf geordnete Weise ausscheiden. Sollte das Unterhaus den Austrittsvertrag abermals ablehnen, werde den Briten ein bedingungsloser Aufschub bis zum 12. April 2019 gewährt. Bis dahin muss Großbritannien den EU-Partnern einen Vorschlag zum weiteren Vorgehen unterbreiten.
27. März 2019: Großbritannien lehnt alle Alternativen ab
Das britische Unterhaus stimmt über acht Alternativen zu Mays Brexit-Plan ab. Keiner der Anträge erhält die Zustimmung einer Mehrheit der Abgeordneten.
10. April 2019: EU verschiebt den Brexit-Termin erneut
Bei einem Sondergipfel einigen sich die EU-Staats- und Regierungschefs nach acht Stunden Beratung darauf, das Brexit-Datum auf den 31. Oktober 2019 zu verschieben. Aus Teilen ihrer eigenen Partei wird May für den Brexit-Aufschub heftig kritisiert. Forderungen nach Mays Rücktritt werden laut.
23. Mai 2019: Großbritannien nimmt an der Europawahl teil
Großbritannien ist gezwungen, an der Europawahl teilzunehmen. Die EU und Großbritannien einigten sich auf eine "flexible Verschiebung" des Brexits auf spätestens zum 31. Oktober.
Brexit: Premierminister Nr. 3
24. Mai 2019: Theresa May kündigt ihren Rücktritt an
Ein Ende mit Tränen: Angesichts des breiten Unmuts über ihren Brexit-Kurs verkündet Theresa May, dass sie als Parteichefin der Konservativen zum 7. Juni zurücktreten wird. Damit gibt sie in der Folge auch ihr Amt als Regierungschefin auf. Am 24. Juli reicht May ihren Rücktritt vom Amt der Premierministerin bei der Queen ein.
24. Juli 2019: Boris Johnson wird Premierminister
Boris Johnson gewinnt die Wahl zum Parteivorsitz. Nach einem aufwändigen Auswahlverfahren stimmen die konservativen Tories für Boris Johnson als neuen Parteichef. Konkurrent Jeremy Hunt muss sich geschlagen geben. Einen Tag später, am 24. Juli tritt Johnson sein Amt als Premierminister an. Er kündigt an, Großbritannien am 31. Oktober aus der EU zu führen - mit oder ohne Deal.
9. September 2019: Johnson schickt das Parlament in eine Zwangspause
Nur etwa 50 Tage vor dem geplanten Brexit schickt Premierminister Boris Johnson das britische Parlament in eine fünfwöchige Zwangspause. Sie soll bis zum 14. Oktober dauern. Die Empörung ist groß: Die Gegner eines harten Brexits vermuten, dass er sie mundtot machen will. Trotz der knappen Zeit bis zu der Zwangspause war es den Abgeordneten noch gelungen, ein Gesetz gegen einen No-Deal-Brexit zu verabschieden. Am 24. September erklärt das Oberste Gericht die von Johnson verhängte Parlamentspause für "illegal" und "unwirksam". Am nächsten Tag nehmen die Abgeordneten ihre Sitzungen wieder auf.
John Bercow kündigt an, dass er seinen Posten als Parlamentspräsident im britischen Unterhaus räumen wird und am 31. Oktober zurücktreten werde. Mit seinen "Order"-Rufen prägte er die teils hitzigen Debatten im Haus.
17. Oktober 2019: Einigung zwischen EU und Großbritannien
Kurz vor Beginn des EU-Gipfels einigen sich EU-Kommission und britische Regierung doch noch auf eine neue Brexit-Vereinbarung. Ihr muss noch das EU-Parlament und vor allem das britische Parlament zustimmen.
19. Oktober 2019: Großbritannien verschiebt den Brexit-Termin erneut
Das britische Parlament verschiebt die Abstimmung über den Brexit-Vertrag. Damit will das Unterhaus sicherstellen, dass Großbritannien zum 31. Oktober nicht ungeordnet aus der EU ausscheidet. Zähneknirschend beantragt Johnson einen Brexit-Aufschub bei der EU. Dazu ist er per Gesetz verpflichtet.
28. Oktober 2019: Neuer Brexit-Termin spätestens 31. Januar 2020
Die EU-Staaten einigen sich auf eine Verschiebung des Brexits bis Ende Januar 2020. Es handelt sich um eine flexible Verlängerung - Großbritannien könnte demnach auch zum 1. Dezember 2019 oder zum 1. Januar 2020 austreten - wenn London das Austrittsabkommen ratifiziert.
29. Oktober 2019: Britisches Parlament stimmt für Neuwahlen
Das britische Parlament stimmt für vorgezogene Neuwahlen am 12. Dezember. Johnson hofft nach Neuwahlen auf eine klare Mehrheit, um das von ihm mit der EU ausgehandelte Brexit-Abkommen durch das Parlament zu bekommen.
12. Dezember 2019: Neuwahlen in Großbritannien
Bei der Parlamentswahl in Großbritannien sichern sich Boris Johnson und seine Konservativen eine absolute Mehrheit. Die Chancen, das Ausstiegsabkommen mit der EU durch das neue britische Unterhaus zu bekommen, stehen nun sehr gut.
Auf der Zielgeraden zum Brexit
9. Januar 2020: Britisches Unterhaus stimmt für Brexit-Gesetz
Das britische Parlament beschließt mit konservativer Mehrheit endgültig Johnsons Gesetz über den EU-Austritt des Vereinigten Königreichs. Das Gesetz muss jetzt noch vom Oberhaus gebilligt werden. Das sogenannte House of Lords hat nicht die Macht, Entscheidungen im Unterhaus zu kippen - es kann sie jedoch aufschieben.
22. Januar 2020: Britisches Oberhaus billigt Brexit-Gesetz
Die Abgeordneten des Unterhauses hatten zuvor Änderungsanträge des Oberhauses abgelehnt. Das Oberhaus gibt jedoch nach und fordert keine weiteren Änderungen. Am darauffolgenden Tag, am 23. Januar, setzt Königin Elizabeth II. das Gesetz in Kraft.
29. Januar 2020: EU-Parlament stimmt für den Brexit
Der Weg für den Austritt Großbritanniens aus der EU zum Monatsende ist endgültig frei. Nach einer von Emotionen geprägten Debatte, bei der auch Tränen flossen, wird das Austrittsabkommen mit 621 zu 49 Stimmen angenommen.
Das Europaparlament hat den Brexit-Vertrag gebilligt und damit den Weg für einen geregelten EU-Austritt Großbritanniens am Freitag freigemacht. Das Austrittsabkommen wurde nach einer von Emotionen geprägten Debatte von den EU-Abgeordneten angenommen.
30. Januar 2020: EU-Mitgliedstaaten geben grünes Licht
Auch die 27 verbleibenden Mitgliedstaaten stimmen dem Austrittsvertrag zu. Der Ratifizierungsprozess ist nun auch auf EU-Seite abgeschlossen.
31. Januar 2020: Brexit-Day
Großbritannien tritt um Mitternacht (23 Uhr britischer Zeit) als erster Mitgliedstaat aus der Europäischen Union aus.
Vorerst bleibt Großbritannien noch im Binnenmarkt und in der Zollunion. Es beginnen schwierige Verhandlungen über die künftigen Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU. Die Übergangsphase soll bis zum 31. Dezember 2020 dauern.