Vor dem Treffen mit EU-Kommisionschefin von der Leyen verschärft der britische Premierminister Johnson den Ton. Eine Einigung zwischen London und der EU sei noch weit entfernt.
Der britische Premierminister Boris Johnson ist mit einer scharfen Ansage in das vielleicht entscheidende Gespräch mit EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen über den Brexit-Handelspakt gegangen. Die EU bestehe auf einigen Standpunkten, die "kein Premierminister dieses Landes akzeptieren sollte", sagte Johnson am Mittwoch im Parlament in London. Ein guter Deal sei noch möglich, aber sein Land werde so oder so "mächtig florieren".
Gedämpfte Erwartungen auf EU-Seite
Die EU-Seite dämpfte die Erwartungen an das Gespräch. Johnson und von der Leyen wollten am Mittwoch bei einem Abendessen in Brüssel versuchen, die strittigen Punkte zu klären. Dies sind die EU-Forderung nach fairen Wettbewerbsbedingungen, die Fischerei in britischen Gewässern und die Ahndung möglicher Verstöße gegen das Abkommen.
"Der Premierminister wird heute Abend klar machen, dass er nichts akzeptieren kann, was unsere Fähigkeit beeinträchtigt, über unsere Gesetze oder unsere Gewässer zu bestimmen", sagte eine Regierungssprecherin in London. Die EU hoffte jedoch auf Bewegung der britischen Seite. "Im Moment haben wir noch große Meinungsunterschiede" bei diesen Punkten, bekräftigte EU-Unterhändler Michel Barnier bei einer Veranstaltung des Ausschusses der Regionen in Brüssel. "Die nächsten Tage werden sehr wichtig werden."
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Auf beiden Seiten wurde erwartet, dass Barnier und sein britischer Kollege David Frost noch einmal Verhandlungen aufnehmen müssten - falls auf Chefebene Bewegung oder ein erster Durchbruch erreicht würde. Großbritannien hatte die EU Ende Januar verlassen. Ein Vertrag müsste bis zum 31. Dezember stehen, dann läuft die Brexit-Übergangsphase aus. Ohne Vertrag drohen zum Jahreswechsel Zölle, lange Grenzstaus und andere Handelshürden.
Merkel erwartet keine rasche Einigung
Bundeskanzlerin Angela Merkel dämpfte die Erwartung auf eine schnelle Einigung. "Es gibt nach wie vor die Chance eines Abkommens", sagte die CDU-Politikerin am Mittwoch im Bundestag, fügte aber hinzu: "Ich glaube nicht, dass wir morgen schon wissen, ob das gelingt oder nicht." Man sei auch auf ein Scheitern vorbereitet. Eines sei klar, so Merkel:
Sollte noch ein Abkommen zustande kommen, müsste es im Europaparlament ratifiziert werden. Dafür reicht aber die Zeit kaum noch. Wie das Dilemma gelöst werden soll, ist unklar. In den Verhandlungen sind bereits zahlreiche Fristen verstrichen. Johnsons Besuch in Brüssel war nun unmittelbar vor dem EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag terminiert. Schon bei den Verhandlungen über das EU-Austrittsabkommen vor einem Jahr hatte der Premier in letzter Minute selbst eingegriffen und einen Durchbruch geschafft.