Nach dem Brexit müssen neue Regeln für die Wirtschaftsbeziehungen zwischen EU und Großbritannien her. Das könnte schwierig werden - London kämpft mit harten Bandagen.
Dass das mit den Verhandlungen einfach werden würde, hatte sowieso niemand ernsthaft erwartet. Jetzt macht die Regierung Johnson da weiter, wo sie mit ihrem klaren Wahlsieg im Dezember aufgehört hat. Die Brexit-Verschnaufpause ist vorüber. Jetzt wird mit harten Bandagen gekämpft.
London will separate Abkommen
Drei Eckpfeiler hat das Strategiepapier, mit dem die Briten am Montag in die Verhandlungen über die künftigen Beziehungen mit der EU ziehen: Eine automatische Anpassung an EU-Regeln und Standards wird nicht akzeptiert. Die Briten wollen kein einziges allumfassendes Freihandelsabkommen, sondern mehrere separate Vereinbarungen für verschiedene Bereiche. Und wenn das alles nicht rund läuft, wird Großbritannien im Juni die Verhandlungen abbrechen und sich auf einen Brexit ohne Freihandelsabkommen zum Ende des Jahres vorbereiten.
Fischereirechte besonders umstritten
Besonders unnachgiebig zeigt sich das Land bei der Frage der Fischereirechte – eine symbolisch besonders wichtige Angelegenheit für den Inselstaat. Während die EU den ungehinderten Zugang zu den fischreichen britischen Gewässern basierend auf der bestehenden Regelung beibehalten möchte, will Großbritannien den Zugang komplett anders regeln und jährlich neu aushandeln. Brüssel weist in diesem Zusammenhang allerdings darauf hin, dass die Briten ihren Fisch ja schließlich verkaufen möchten – und zwar am besten auf dem europäischen Festland. Denn je kürzer die Transportwege, desto frischer der Fisch.
Wichtig ist der EU vor allem, dass sich Großbritannien keinen Wettbewerbsvorteil verschafft, indem es die EU-Standards in Sachen Arbeitsrecht, Umwelt- und Tierschutz unterbietet. Deshalb der dringende Wunsch nach Angleichung. Doch die Briten wollen davon nichts hören und verweisen auf bestehende Handelsabkommen der EU mit Kanada, Japan oder Südkorea, wo derlei Auflagen nur eine geringe Rolle spielten.
Londoner Logik durch die Brexit-Brille
Auch in der Frage, wie man die Einhaltung der Vereinbarungen rechtlich überwacht, herrscht Uneinigkeit. Die Londoner Logik ist durch die Brexit-Brille durchaus nachvollziehbar: Wozu der ganze Aufwand über die letzten Jahre, wenn man dann als freies Land am Ende nicht machen könnte, was man wolle?
Einen ersten Eindruck, ob dies alles nur Brustgeklopfe vor dem Verhandlungsstart ist oder Großbritannien die Sache tatsächlich so kompromisslos anzugehen gedenkt, wird man zum Abschluss der ersten Verhandlungsrunde in Brüssel gewinnen können.
Yacin Hehrlein ist Korrespondent im ZDF-Studio-London.