Ampel warnt Union vor Bürgergeld-Blockade

    Streit um Hartz-IV-Nachfolge :Ampel warnt Union vor Bürgergeld-Blockade

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    Die Ampel-Parteien müssen mit der Union einen Kompromiss beim Bürgergeld finden. Die Parteispitzen machen ihre Positionen klar, signalisieren aber auch Gesprächsbereitschaft.

    Arbeitslose warten in einer Warteschlange im Jobcenter
    Das Bürgergeld soll nach dem Willen der Ampel-Koalition die bisherige Grundsicherung Hartz IV ablösen - geplant ist der Beginn zum 1. Januar. Ob die Regierung das Datum halten kann, ist aber unklar.
    Quelle: dpa

    Im Streit um die Einführung des Bürgergelds haben die Ampel-Parteien die Union zur Zusammenarbeit aufgefordert.

    Lang: Menschen nicht im Regen stehen lassen

    Grünen-Chefin Ricarda Lang sagte dem "Tagesspiegel" und der "Rheinischen Post":

    Wer täglich in der Zeitung mehr Entlastungen fordert, sollte die Menschen bei deren Umsetzung nicht im Regen stehen lassen.

    Ricarda Lang, Grünen-Chefin

    Es liege in der Verantwortung aller Parteien, für soziale Sicherheit zu sorgen und den Zusammenhalt im Land zu stärken. Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken signalisierte Gesprächsbereitschaft. Zuvor hatte CDU-Generalsekretär Mario Czaja mit einer Blockade des Gesetzes im Bundesrat gedroht.

    Söder: Bürgergeld "falsches Signal"

    CSU-Chef Markus Söder hat die Bundesregierung ebenfalls scharf attackietrt. Das Bürgergeld sei ein "falsches Signal", sagte der bayerische Ministerpräsident im ZDF-Morgenmagazin. Es sei eine "völlige Umkehr des Grundsatzes: Wer mehr arbeitet, muss mehr haben als der, der nicht arbeitet".
    Zudem sei es "völlig absurd", dass trotz Arbeitskräftemangels "nicht einmal die Möglichkeit bestehen könnte, jemanden zu motivieren, eine Arbeit anzunehmen". Auf die Nachfrage, ob es nicht stattdessen höhere Löhne brauche, antwortete Söder, das sei Sache der Tarifparteien.

    Kann der Zeitplan eingehalten werden?

    Im laufenden Gesetzgebungsverfahren gibt es seit längerem Streit. Deshalb ist offen, ob die Ampel-Regierung die Reform wie geplant durchbringen kann. Sie ist im Bundesrat auf Stimmen aus dem Lager der Unionsländer angewiesen. Eine Blockade könnte sich auch auf den ohnehin engen Zeitplan auswirken. Als Starttermin ist der 1. Januar vorgesehen.
    Der Ausschuss ist ein Gremium von Bundestag und Bundesrat, das einen Konsens finden soll, wenn vom Bundestag beschlossene Gesetze in der Länderkammer keine Mehrheit finden.

    Kühnert: Unions-Blockade "populistisches Manöver"

    SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert nannte die Kritik der Union "ein durchsichtiges und populistisches Manöver". Dem "Tagesspiegel" sagte er mit Blick auf die frühere Regierungschefin Angela Merkel (CDU):

    Die Partei von (CDU-Chef) Friedrich Merz ist also mal wieder bereit, für eine schnelle Schlagzeile jegliche Ernsthaftigkeit über Bord zu werfen, und dabei auch die von Kanzlerin Merkel geprägte Politik in den Dreck zu ziehen.

    Kevin Kühnert, SPD-Generalsekretär

    Die kritisierten Regeln zum Schonvermögen seien "keine neue Erfindung", sondern von Union und SPD bereits zu Beginn der Corona-Pandemie beschlossen worden.
    Der FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte ebenfalls dem "Tagesspiegel", es sei nicht die Zeit "für parteitaktische Manöver". Verzögerung und Blockade hätten nichts mit Verantwortung zu tun.

    Czaja: Bürgergeld setzt falsche Anreize

    Das Bürgergeld soll die bisherige Grundsicherung Hartz IV ablösen. Ziel der Ampel-Koalition ist es, Betroffene in die Lage zu versetzen, sich stärker auf Weiterbildung und die Arbeitssuche konzentrieren zu können. Sie sollen dafür vom Jobcenter weniger unter Druck gesetzt werden. Die Regelsätze der Grundsicherung sollen um rund 50 Euro pro Monat steigen.
    CDU-Generalsekretär Czaja hatte dem "Tagesspiegel" zur geplanten Reform gesagt: "Ich gehe davon aus, dass wir darüber im Vermittlungsausschuss werden sprechen müssen."
    Aus seiner Sicht setzt der bisherige Entwurf die falschen Anreize - etwa durch den höheren Vermögensfreibetrag. Er sagte:

    Wer arbeitet, muss mehr haben, als der, der arbeiten kann und es nicht tut.

    Mario Czaja, CDU-Generalsekretär

    Esken signalisiert Gesprächsbereitschaft

    SPD-Chefin Esken sagte der Funke-Mediengruppe:

    Wenn die unionsgeführten Bundesländer beim Bürgergeld Detailfragen klären wollen, sind wir dazu bereit.

    Saskia Esken, SPD-Chefin

    Klar sei, dass es bei der Einführung in erster Linie um Respekt gehe, das stehe nicht zur Verhandlung. "Es geht nicht nur um einen Ausgleich der Inflation, sondern es geht vor allem um den Respekt, den die Menschen in Not verdient haben, und um nachhaltige Wege zur Überwindung dieser Not."

    Linke will weiterreichende Reformen

    Unionsfraktionsvize Hermann Gröhe (CDU) betonte, dass die Partei einen Inflationsausgleich ausdrücklich unterstütze und sich dafür einsetze, dass die Erhöhung zum 1. Januar 2023 in Kraft trete. "Dafür gibt es Mittel und Wege auch außerhalb des Bürgergeld-Gesetzes", sagte er der "Rheinischen Post". "Ein Vermittlungsverfahren zum Bürgergeld macht Sinn, wenn sich die Ampel bereiterklärt, die tiefgreifenden Webfehler ihres Vorhabens zu korrigieren."
    Aus Sicht der Linken gehen die geplanten Reformen dagegen nicht weit genug. Der Vorsitzende Martin Schirdewan sagte der "Rheinischen Post", notwendig sei eine solidarische Mindestsicherung, "die ohne Wenn und Aber soziale Teilhabe ermöglicht und auf die die Menschen sich auch verlassen können".
    Der Bundesrat hatte die Ampel-Regierung nach Beratungen am Freitag zu Nachbesserungen aufgefordert. Der Bundestag will sich am 10. November in zweiter und dritter Lesung mit dem Gesetz befassen. Danach ist der Bundesrat wieder am Zug.
    Quelle: dpa

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