Schreiben des Finanzministeriums:Fast gesamter Bundeshaushalt gesperrt
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Das Bundesfinanzministerium hat die Haushaltssperre auf nahezu den gesamten Bundeshaushalt ausgeweitet. Zunächst war sie nur für den Klimafonds geplant.
Nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts sperrt das Finanzministerium (BMF) zahlreiche Posten im Bundeshaushalt. Die entsprechende Anweisung an die Bundesministerien liegt ZDFheute vor. Vom Finanzministerium war eine Stellungnahme nicht zu erhalten.
Am Montagabend hieß es aus Kreisen des Ministeriums:
Dies betreffe Etats aller Ministerien. Eine Verpflichtungsermächtigung gibt einer Verwaltung die Möglichkeit, bereits für künftige Jahre Zahlungsverpflichtungen einzugehen, etwa bei mehrjährigen Vorhaben. Aktuelle Ausgaben in diesem Jahr sind demnach nicht betroffen.
Weiter hieß es, bestehende Verbindlichkeiten würden weiter eingehalten, es dürften nur keine neuen eingegangen werden. "In Ausnahmefällen können Verpflichtungsermächtigungen entsperrt werden."
Kreise: Kein Alleingang von Lindner
An anderer Stelle der Regierung wurde ergänzend deutlich gemacht, dass es sich nicht um einen Alleingang von Finanzminister Christian Lindner (FDP) handele: "Es ist abgesprochen und sinnvoll."
Die Ampel-Koalition ringt weiter um den Umgang mit dem Urteil aus Karlsruhe. Die SPD bekräftigt ihre Forderungen nach einem Aussetzen der Schuldenbremse, um das 60-Milliarden-Euro-Finanzloch zu stopfen.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ist zwar ebenfalls kein Verfechter der Schuldenbremse, sieht für Änderungen aber keine Mehrheiten.
Gatzer verweist auf Paragraph 41
In der Anweisung an die verschiedenen Ministerien ordnete der zuständige Staatssekretär Werner Gatzer an, "alle in den Einzelplänen 04 bis 17 und 23 bis 60 des Bundeshaushaltsplans 2023 ausgebrachten und noch verfügbaren Verpflichtungsermächtigungen mit sofortiger Wirkung zu sperren".
Gatzer verweist auf Paragraph 41 der Bundeshaushaltsordnung, die eine Haushaltssperre regelt. Mit den genannten Einzelplänen sind die Einzeletats aller Ministerien betroffen. Im Einzelplan 60 sind etwa der Klima- und Transformationsfonds und der 200-Milliarden-Euro-Abwehrschirm zur Dämpfung der Energiepreise angesiedelt.
Ausgenommen sind laut der Aufzählung Verfassungsorgane wie Bundespräsident, Bundestag, Bundesrat und Bundesverfassungsgericht.
60 Milliarden Euro fehlen der Bundesregierung, weil das Bundesverfassungsgericht untersagt hat Corona-Hilfsgelder umzuschichten. Seitdem wird in der Ampel heftig debattiert, wie das Loch im Haushalt gestopft werden soll.20.11.2023 | 1:18 min
Lindner verfügt Haushaltssperre für Klimafonds
Das Bundesverfassungsgericht hatte der Bundesregierung am Mittwoch 60 Milliarden Euro gestrichen, weil die Übertragung nicht genutzter Corona-Kredite auf den Klimafonds verfassungswidrig war. Das Geld fehlt der Regierung nun.
Hinzu kommen weitere Klarstellungen des Gerichts zur Schuldenbremse im Grundgesetz und zur Rechtmäßigkeit von Krediten, die auch Folgen für den laufenden Haushalt 2023 und den geplanten Haushalt 2024 haben könnten.
Finanzminister Lindner (FDP) hatte noch am Tag der Urteilsverkündung eine Haushaltssperre nur für den Klimafonds verfügen lassen.
Aufgrund des Urteils ergebe sich "für den Bundeshaushalt die Notwendigkeit der Überprüfung der haushaltswirtschaftlichen Gesamtlage", schreibt Gatzer.
"Finanziell schwerste Belastungsprobe" für die Ampel
Laut ZDF-Korrespondent Daniel Pontzen hat die Ampel nun zwei Möglichkeiten: "Entweder massiv sparen, priorisieren, sich auf Kernanliegen beschränken und gegebenenfalls Ausgaben kürzen, auch Sozialausgaben". Das sei allerdings mit Grünen und SPD schwer zu machen, meint Pontzen.
Die zweite Möglichkeit: "Doch nochmal die Schuldenbremse aussetzen, nachträglich für dieses Jahr und/oder für das nächste." Das wiederum sei nach aktuellem Stand mit der FDP schwer zu machen. Zudem gebe es verfassungsrechtliche Bedenken.
Bundestag hört Sachverständige an
An diesem Dienstag sollen Experten des Bundestags und der Bundesregierung helfen, die Folgen des Karlsruher Haushaltsurteils richtig zu interpretieren. Der Haushaltsausschuss hört dazu Sachverständige an, die von den unterschiedlichen Fraktionen benannt wurden.
Vor allem soll es darum gehen, ob trotz des Urteils der Haushalt für 2024 beschlossen werden kann.
Quelle: Reuters, dpa, ZDF
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