In der Debatte um AKW-Laufzeiten warnt das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung: Neben der Kraftwerk-Sicherheit müsse man auch an den zusätzlichen Atommüll denken.
Der Präsident des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE), Wolfram König, hat sich gegen verlängerte Laufzeiten von Atomkraftwerken ausgesprochen. In einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (FAS) schreibt er:
15 Prozent weniger Gas soll ab Montag in den EU-Ländern verbraucht werden. Um in der Energiekrise gegenzusteuern, wird die Debatte um deutsche Atomkraftwerke wieder laut.
Diskussion um verlängerte AKW-Laufzeiten
"In beiden Fällen wären die gesamtgesellschaftlichen Kosten für einen Weiterbetrieb der Anlagen erheblich." Er betonte zudem:
Angesichts der drohenden Gasknappheit infolge des Ukraine-Krieges wird über eine Verlängerung der AKW-Laufzeiten diskutiert. Die drei verbliebenen deutschen Kraftwerke, Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg, Emsland in Niedersachsen und Isar 2 in Bayern, müssen eigentlich bis Ende 2022 heruntergefahren werden.
König zweifelt auch Zeitplan für Endlagersuche an
König stellte auch den Zeitplan infrage, dem zufolge bis 2031 ein Standort für das Atom-Endlager der Bundesrepublik gefunden sein soll.
"Heute muss ich konstatieren, dass ich das Ziel 2031 für nicht mehr realistisch halte", sagt König.
Der Salzstock in Gorleben als Endlager für hochradioaktive Abfälle sorgte über Jahrzehnte für hitzige Debatten. 2021 wurde das Erkundungsbergwerk geschlossen. Ein Rückblick...
Warnung vor mehr Atommüll
Die Leiterin der Abteilung Nukleare Sicherheit beim BASE, Mareike Rüffer, warnte vor der Entstehung von zusätzlichem Atommüll, sollten die verbleibenden Atomkraftwerke in Deutschland mit neuen Brennstäben weiterbetrieben werden.
Käme es zum Einsatz neuer Brennstäbe, erhöhe sich auch die Menge an hoch radioaktiven Abfällen, "für die es bis zur Inbetriebnahme eines Endlagers in Deutschland noch auf Jahrzehnte nur Zwischenlager mit zeitbegrenzter Sicherheitsgarantie gibt", sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Die verbliebenen Reaktoren leisteten "mit einem Stromanteil von sechs Prozent letztendlich nur einen kleinen Gesamtbeitrag an der Stromversorgung in Deutschland", so Rüffer. Sie verwies auch auf offene Fragen bei der Sicherheit der Atomkraftwerke.
- Wohin mit unserem Atommüll?
Die letzten deutschen AKW gehen vom Netz - doch der Atommüll bleibt. Ein Beispiel aus Finnland zeigt, wie ein Endlager aussehen könnte. Erkunden Sie es in der interaktiven 3D-Story.
Rüffer: Sicherheitsüberprüfungen müssten nachgeholt werden
Die sogenannten Periodischen Sicherheitsprüfungen, zu denen das Atomgesetz die Betreiber alle zehn Jahre verpflichte, seien eigentlich 2019 wieder fällig gewesen, mit Blick auf den geplanten Ausstieg Ende dieses Jahres jedoch ausgesetzt worden. Bei einem Weiterbetrieb müssten diese Sicherheitsüberprüfungen nachgeholt werden.
Es sei eine gesellschaftspolitische Entscheidung, ob die kurzfristige Versorgungssicherheit höher bewertet werde als der langfristige und weitreichende Schutz von Mensch und Umwelt vor den Gefahren der Radioaktivität, sagte Rüffer. Die Politik müsse abwägen, "welches Risiko wir über welche Zeiträume als Gesellschaft bezüglich der Gefahren der Atomenergie tragen wollen".
Dobrindt hält fünf zusätzliche Jahre für möglich
In der Debatte um die längeren AKW-Laufzeiten will die CSU indes den Druck erhöhen. Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hält verlängerte Laufzeiten von Kernkraftwerken in Deutschland um mehrere Jahre für möglich. Auch andere Politiker von Union und von FDP forderten bereits deutlich längere Laufzeiten und nicht nur für einige Monate.
Dobrindt forderte in der "Welt am Sonntag" eine Entscheidung zur "Vernunft-Energie". Mit Blick auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin sagte er:
- Atommüll endlagern - wo und wie?
Für alle, die jetzt die Verlängerung der AKW-Laufzeiten fordern: Wir wissen immer noch nicht, wohin mit dem alten Atommüll und sollten uns endlich für einen Standort entscheiden.