Die Klagen gegen eine Doppelbesteuerung von Renten wurden abgewiesen. Jetzt rechnet der Bundesfinanzhof in der Zukunft mit einer überhöhten Steuerlast für Rentner.
Der Bundesfinanzhof (BFH) in München hat ein wegweisendes Urteil für viele aktuelle und zukünftige Rentner gefällt. Der BFH hatte zwar die Klagen zweier Rentner-Ehepaare gegen eine doppelte Besteuerung ihrer Altersbezüge in letzter Instanz abgewiesen. Die Klagen seien unbegründet, erklärte der X. Senat des obersten deutschen Finanzgerichts am Montag.
Die Richter legten allerdings erstmals eine konkrete Formel für die Berechnung der doppelten Besteuerung fest, von der in Zukunft zahlreiche Rentner betroffen sein werden, erklärt Christian Deker aus der ZDF-Redaktion "Recht und Justiz".
Er vermutet, dass mit dieser neuen Formel ganz konkret festgelegt werde, "welche Bestandteile mit eingerechnet werden müssen". Und die Steuerrichterinnen und -richter würden davon ausgehen, "dass die zukünftigen Rentner-Generationen von einer doppelten Besteuerung betroffen sein würden bei den jetzt geltenden Regeln".
Was ist neu an der Berechnung?
Es soll erstmals der Grundfreibetrag bei der Berechnung des steuerfreien Rentenbezugs unberücksichtigt bleiben. Der Grundfreibetrag sei als steuerfreier Grundbezug anzusehen, sagte die Vorsitzende Richterin Jutta Förster.
Außerdem muss die höhere Lebenserwartung von Frauen mit berücksichtigt werden. Das heißt, dass beim steuerfreien Rentenbezug nicht nur die jährlichen Rentenfreibeträge des Rentenbeziehers, sondern auch die eines möglicherweise länger lebenden Ehegatten aus dessen Hinterbliebenenrente zu berechnen seien.
Nach dem Urteil müssen auch Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge, die der Steuerpflichtige selbst trägt, künftig unberücksichtigt bleiben.
Was ist die "Übergangsregelung"?
Ursprung des Verfahrens ist die 2005 von der damaligen rot-grünen Bundesregierung auf den Weg gebrachte "nachgelagerte" Besteuerung. Seit damals läuft eine schrittweise Umstellung der Rentenbesteuerung, die erst 2040 abgeschlossen sein soll.
Vor 2005 wurden "vorgelagert" die Rentenbeiträge der Arbeitnehmer besteuert, seither läuft die Umstellung auf eine "nachgelagerte" Besteuerung der ausgezahlten Rente, analog zu den Beamtenpensionen.
Die bis 2040 laufende Übergangsregelung hält der Bundesfinanzhof weiter für verfassungsgemäß.
Wer könnte zukünftig von Doppelbesteuerung betroffen sein?
Die Steuerrichter wiesen darauf hin, dass zukünftig immer mehr Fälle von Doppelbesteuerung eintreten werden. Dies seien auch weit mehr Fälle als bisher von den Finanzverwaltungen angenommen, sagte Richterin Förster.
Vor allem früher Selbstständigen drohe im Alter eher eine Doppelbesteuerung, so die Vorsitzende. Es seien außerdem Männer wegen ihrer geringeren Lebenserwartung betroffen, sowie Unverheiratete stärker als Verheiratete.
Was sind die nächsten Schritte?
Der Vizepräsident des Bunds der Steuerzahler in Bayern, Klaus Grieshaber, sagte, das Urteil sei ein Erfolg für Millionen aktueller und künftiger Rentner. Die Bundesregierung sei nun gezwungen, das Altersvorsorgegesetz zu ändern, um die Vorgaben der Berechnung umzusetzen. Aktuell könne es in einzelnen Fällen bereits zu der Doppelbesteuerung kommen, in Zukunft würden es aber immer mehr. Das müsse der Bund verhindern, so Grieshaber.
Finanzministerium will Rentenbesteuerung ändern
Inzwischen hat das Finanzministerium erklärt, die vom BFH geforderten Änderungen an der Besteuerung von Renten zusammen mit der geplanten Reform des Einkommensteuerrechts nach der Bundestagswahl umsetzen. "Das ist ein Lösungsvorschlag, den wir uns vorstellen können", sagte Staatssekretär Rolf Bösinger am Montag in München.
Dabei sollen auch die Beiträge zu gesetzlichen und privaten Renten während des Berufslebens schon vor 2025 komplett von der Steuer abziehbar sein. Derzeit können sie zu 92 Prozent abgezogen werden.
Hintergrund:
Der BFH hatte sich in zwei Verfahren mit dem Vorwurf von zwei Ehepaaren beschäftigt, dass sie doppelt Steuern auf ihre Altersbezüge zahlen müssten. Ein ehemaliger Zahnarzt und ein früherer Steuerberater hatten gegen ihre Steuerbescheide geklagt, unterstützt vom Bund der Steuerzahler. Die Vorinstanzen hatten die Klagen bereits abgewiesen.