Mit Sorge wird auf die anstehenden Wartungsarbeiten der Pipeline Nord Stream 1 geschaut. Die Bundesnetzagentur fürchtet einen Totalausfall und ruft zum Energiesparen auf.
Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, fürchtet einen Totalausfall russischer Gaslieferungen - und appelliert an die Bevölkerung, Energie zu sparen. Die Frage sei, ob aus der bevorstehenden regulären Wartung der Gaspipeline Nord Stream 1 "eine länger andauernde politische Wartung wird", sagte Müller den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
Wenn der Gasfluss aus Russland "politisch motiviert länger anhaltend abgesenkt wird, müssen wir ernsthafter über Einsparungen reden". Die zwölf Wochen bis zum Beginn der Heizsaison müssten genutzt werden, um Vorbereitungen zu treffen, sagte er.
Gasversorger geraten wegen gedrosselter Liefermengen aus Russland unter Druck. Sie kaufen Gas teurer ein, müssen aber bestehende Verträge bedienen - ein Verlustgeschäft. Die Ampel plant nun, Preissprünge gleichmäßiger an alle Verbraucher weiterzugeben.
Müller: Wartungen jetzt vornehmen
Müller rief alle Haus- und Wohnungsbesitzer dazu auf, ihre Gasbrennwertkessel und Heizkörper rasch zu überprüfen und effizient einstellen zu lassen.
Um Engpässe bei den Handwerkerterminen zu überwinden, rief er alle Handwerker dazu auf, sich auf Heizung und Warmwasserversorgung zu konzentrieren. Außerdem solle in den Familien jetzt schon darüber geredet werden, "ob im Winter in jedem Raum die gewohnte Temperatur eingestellt sein muss - oder ob es in manchen Räumen auch etwas kälter sein kann".
"Die Verbraucher werden die sehr stark steigenden Gaspreise erst im Winter merken" mit "bis zu 400 Prozent Preissteigerungen", so Prof. Claudia Kemfert, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung.
Habeck: Winter problematisch
Wirtschaftsminister Robert Habeck hatte deutlich gemacht, dass er ein vollständiges Ausbleiben russischer Gaslieferungen durch Nord Stream befürchtet. Es drohe ab dem 11. Juli "eine Blockade von Nord Stream 1 insgesamt", sagte der Grünen-Politiker. Deswegen könne es im Winter wirklich problematisch werden. Die Gasversorgung über den Sommer sei gewährleistet.
Am 11. Juli beginnen jährliche Wartungsarbeiten von Nord Stream, die in der Regel zehn Tage dauern. Dann fließt kein Gas durch Nord Stream 1. Die große Sorge ist, dass Russland nach der Wartung den Gashahn nicht wieder aufdreht.
- Energiesparprämie? "Kriegst du nicht, Alter"
Wirtschaftsminister Habeck hält es für möglich, dass Russland gar kein Gas mehr liefern könnte. Es sei zentral, jetzt Energie zu sparen. Finanzielle Anreize dafür lehnt er aber ab.
Privathaushalte, Krankenhäuser und Pflegeheime besonders geschützt
Im Falle eines Gas-Lieferstopps würden Müller zufolge Privathaushalte ebenso wie Krankenhäuser oder Pflegeheime besonders geschützt. "Wir haben aus der Corona-Krise gelernt, dass wir keine Versprechungen geben sollten, wenn wir nicht ganz sicher sind, dass wir sie halten können," sagte er.
Die Netzagentur sehe allerdings "kein Szenario, in dem gar kein Gas mehr nach Deutschland kommt". Müssten Industriebetriebe von der Gasversorgung getrennt werden, "orientieren wir uns am betriebswirtschaftlichen Schaden, am volkswirtschaftlichen Schaden, an den sozialen Folgen und auch an den technischen Anforderungen des Gasnetzbetriebs", sagte Müller.
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Hamburg schließt Rationierung von Warmwasser nicht aus
Hamburgs Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) schließt für den Fall eines Gas-Notstandes in der Hansestadt derweil eine Begrenzung des Warmwassers für private Haushalte nicht aus. Kerstan sagte der "Welt am Sonntag":
Auch eine generelle Absenkung der maximalen Raumtemperatur im Fernwärmenetz käme in Betracht. Es werde in Hamburg schon aus technischen Gründen nicht überall möglich sein, im Fall einer Verknappung von Gas zwischen gewerblichen und privaten Kunden zu unterscheiden, sagte er der Zeitung.
Deutschland bereitet sich auf eine Gasknappheit im Winter vor, es herrscht Alarmstufe für alle, die auf Erdgas angewiesen sind. Millionen Haushalte, die mit Gas heizen, erwarten extreme Preissteigerungen.
Kerstan erklärte, ein mögliches provisorisches LNG-Terminal im Hamburger Hafen könne frühestens im kommenden Mai betriebsbereit sein. "Wir werden im Laufe des Juli wissen, ob und an welchem Standort ein provisorisches LNG-Terminal in Hamburg machbar ist." Das Gas könnte dort voraussichtlich ab Mai 2023 umgeschlagen werden. Die vollständigen Ergebnisse der Standort-Überprüfungen würden im Oktober vorliegen, sagte Kerstan.
Norwegen will Gaslieferungen erhöhen
Unterdessen geht die norwegische Regierung davon aus, spätestens ab 2024 noch mehr Gas liefern zu können. "Unternehmen prüfen jetzt Projekte, um ihre Gaslieferungen ab 2024 und 2025 erhöhen zu können", sagt Terje Aasland, Norwegens Öl- und Energieminister, der "Wirtschaftswoche".
Norwegens Unternehmen hätten noch nie so viel Erdgas vom norwegischen Festlandsockel exportiert wie derzeit. "Wir unterstützen unsere europäischen Freunde dabei, so schnell wie möglich unabhängig von russischem Öl und Gas handeln zu können."
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