Die neue Bundesregierung steht. Sie ist ziemlich jung, ziemlich westdeutsch, ziemlich juristisch und ziemlich unbayerisch. Kompetent? Vielleicht.
Olaf Scholz hat die Minister der SPD für die künftige Ampel-Koalition vorgestellt, mit überraschenden Entscheidungen: Bundesgesundheitsminister wird Karl Lauterbach, die bisherige Bundesjustizministerin Lambrecht wird das Verteidigungsressort übernehmen.
Lange hat sich die SPD bitten lassen, lange Zeit war alles sehr geheim. Jetzt, zwei Tage, bevor die neue Bundesregierung vereidigt werden soll, hat die SPD als letzte der drei Parteien ihre Ministerinnen und Minister benannt.
Ganz so viel Krach wie bei den Grünen gab es nicht. Ganz so geräuschlos wie bei der FDP ging es bei den Sozialdemokraten aber auch nicht. Tagelang war über die Spitze des Gesundheitsministeriums spekuliert worden. Am Ende war der Ruf nach Karl Lauterbach so groß, dass selbst der designierte Bundeskanzler Olaf Scholz offenbar nicht mehr an ihm vorbeikam. Und die Bedenken, er polarisiere zu stark, nicht mehr zählten.
Bei aller Spekulation über die Spahn-Nachfolge ist Scholz‘ echter Coup allerdings: die neue Innenministerin Nancy Faeser.
Wie die neue Bundesregierung zusammengesetzt ist: ein Überblick.
Die SPD hat ihr Personaltableau bekanntgegeben. "Die größte Überraschung ist Nancy Faeser. Sie wird als erste Frau das Innenministerium leiten", so ZDF-Korrespondentin Nicole Diekmann.
Die Mischung
Parität zwischen Frauen und Männern hatte Olaf Scholz versprochen. Jetzt kriegt er sie nur hin durch einen Trick: Er zählt sich selbst nicht zur Regierung, sondern scheint als Kanzler über allem zu stehen. Lässt man ihn weg, stehen tatsächlich bald acht Frauen und acht Männer an den Spitzen der Ministerien.
Zwischen knapp 41 und 63
Der Älteste ist mit 63 Jahren Scholz selbst. Die beiden Jüngsten des neuen Kabinetts sind exakt gleich alt: Die künftige Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (beide Grüne) wurden am 15. Dezember 1980 geboren.
Sechs sind unter 50; zehn zwischen 50 und 60 Jahre alt.
"Berlin direkt" zur Frage, wie der künftige Kanzler Olaf Scholz mit Krisen umgeht.
Viel Westen, kaum Osten, minimaler Süden
Die neue Bundesregierung ist sehr westdeutsch. Vier der Ministerinnen und Minister kommen aus Nordrhein-Westfalen: Marco Buschmann (Justiz), Christian Lindner (Finanzen), Karl Lauterbach (Gesundheit) und Svenja Schulze (Entwicklung). Drei stammen aus Hessen: Nancy Faeser (Innen), Christine Lambrecht (Verteidigung) und Bettina Stark-Watzinger (Bildung). Zwei aus Rheinland-Pfalz: Volker Wissing (Verkehr) und Anne Spiegel (Familien).
Nur zwei in der neuen Bundesregierung sind echte Ossis: Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Sachsen-Anhalt) und Bundesbauministerin Klara Geywitz (Brandenburg). Scholz und Baerbock könnte man als Wossis bezeichnen: Sie sind im Westen aufgewachsen, Scholz in Hamburg und Baerbock in Niedersachsen, beide leben heute in Potsdam.
Der Norden ist mit dem neuen Bundesklimaminister Robert Habeck (Schleswig-Holstein) und Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt (Hamburg) vertreten. Dünn wird es im Süden: Fast-Landwirtschaftsminister Cem Özdemir ist der einzige Schwabe und der Einzige mit türkischen Wurzeln. Ministerielle Bayern gibt nirgends mehr.
Und was machen sie beruflich?
Auf dem Papier ist die Sache erst einmal ziemlich einseitig: Fünf Politikwissenschaftler, sechs Volljuristen. Vergleicht man die erlernten Berufe und das angestrebte Ministerium gibt es durchaus Überschneidungen: Karl Lauterbach soll Gesundheitsminister werden und ist promovierter Mediziner. Marco Buschmann wird neuer Bundesjustizminister und ist promovierter Jurist. Passend auch: Fast-Bundesumweltministerin Steffi Lemke ist Diplom-Agraringenieurin.
Die künftige Bundesinnenministerin Nancy Faeser ist Juristin. "Immerhin zwölf Jahre", sagte Scholz bei ihrer Vorstellung war sie innenpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion in Hessen. Die NSU-Morde, die Polizeiaffären waren ihre Themen. Den "Rechtsextremismus zu bekämpfen, wird mir ein besonderes Anliegen sein", sagte sie.
Hubertus Heil ist der einzige, der seinen Job aus der vorigen Legislaturperiode behält: Er bleibt Arbeits- und Sozialminister und wird sich nicht erst einarbeiten müssen. Annalena Baerbock, die künftige Außenministerin, hat zumindest einen Master in Völkerrecht, erworben in London.
Politikwissenschaftlerin Andrea Römmele ordnet die künftigen SPD-Minister ein. Frauen bestimmen demnach in der neuen Regierung das Internationale bestimmen.
Lebenslanges Lernen
Auf manche Jobs kann man sich kaum vorbereiten. Oder doch, lebenslanges Lernen ist schließlich eine Aufgabe für alle. Der promovierte Literaturwissenschaftler und Philosoph Robert Habeck wird Wirtschafts- und Klimaminister.
Christine Lambrecht (SPD) ist Juristin und hatte am Ende der vorigen Legislaturperiode gleich zwei Ressorts inne: das Justiz- und Familienministerium, nachdem Franziska Giffey zurückgetreten war. Jetzt wird sie Bundesverteidigungsministerin. "Das wird für viele eine Überraschung sein", sagte Lambrecht heute selbst. "Eine Herausforderung" sei das.
Und wer noch? Ein Erzieher und Sozialpädagoge wird Landwirtschaftsminister (Özdemir), eine Politikwissenschaftlerin Bauministerin (Geywitz), ein früherer Richter und Wirtschaftsanwalt Verkehrsminister (Wissing), eine Germanistin Entwicklungsministerin (Svenja Schulze), eine Volkwirtschaftlerin Bildungsministerin (Bettina Stark-Watzinger).
Aber bekanntlich lernt man ja nie aus.
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