Hilfen in der Energiekrise:200-Milliarden-Paket: Bundestag stimmt zu
21.10.2022 | 11:30
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Der Bundestag gibt grünes Licht für den 200 Milliarden Euro teuren Abwehrschirm gegen die sprunghaft gestiegenen Energiepreise. Die Opposition spricht von einer "Katze im Sack".
Hilfen in der Energiekrise: Der Bundestag hat den Weg frei gemacht für die Finanzierung des 200 Milliarden Euro teuren Abwehrschirms. Für das Gesetz stimmten am Freitag die Fraktionen der Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP.
Zur Finanzierung genehmigte der Bundestag zudem erneut eine Ausnahme der Schuldenbremse. Das ermöglicht dem Bund, die zusätzlichen Kredite aufzunehmen. Ein solcher Beschluss ist nur in außergewöhnlichen Notsituationen möglich.
Geld für die Gas- und Strompreisbremse
Mit dem Geld soll insbesondere die geplante Strom- und Gaspreisbremse finanziert werden. Außerdem sind Hilfen für in Schieflage geratene Unternehmen und große Gas-Importeure geplant.
Konkret wird dazu der in der Corona-Zeit eingerichtete Wirtschaftsstabilisierungsfonds reaktiviert und mit 200 Milliarden Euro ausgestattet - finanziert über Schulden. Das Geld soll noch in diesem Jahr in den Sonderfonds fließen - Bundesfinanzminister Christian Lindner will so sein Ziel erreichen, ab dem kommenden Jahr wieder die Schuldenbremse einzuhalten.
Opposition: Katze im Sack
Kritik kam von der Union: Sie vermisst ein Konzept für die Preisbremse. "Heute steht zur Entscheidung, dass Sie von uns einen Geldsack haben wollen, gefüllt mit 200 Milliarden Euro, den wollen Sie sich dann in den Keller ihrer Regierung stellen und dann wollen Sie überlegen, was Sie damit anfangen", sagte Fraktionsvize Mathias Middelberg im Bundestag.
Kein Mensch in diesem Land weiß, was Sie konkret machen.
Unionsfraktionsvize Mathias Middelberg
Ähnliche Einwände kamen von der Linken. Vize-Fraktionschefin Gesine Lötzsch sagte: "Sie wollen uns die Katze im Sack verkaufen und das wollen wir nicht akzeptieren."
"Das ist ein Paket von 200 Milliarden Euro, das Sicherheit in diesem Land gibt", sagte dagegen SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch. "Das, was Sie hier machen, ist verantwortungslose Oppositionspolitik", warf er der CDU/CSU vor. FDP-Haushälter Otto Fricke erklärte: "Wir sorgen dafür, dass die Schwächsten dieser Gesellschaft geschützt werden."
Im Überblick - was aus dem 200-Milliarden-Topf bezahlt werden soll:
Mit Geld aus dem 200-Milliarden-Fonds soll vor allem der zuletzt stark gestiegene Gaspreis gesenkt werden. Die Expertenkommission der Regierung hatte vorgeschlagen, dass der Staat im Dezember für Gas- und Fernwärmekunden den Abschlag übernimmt. Ab März soll dann eine Gaspreisbremse für Privatkunden greifen. Angeregt wurde eine Preisobergrenze für ein Grundkontingent von 80 Prozent des üblichen Verbrauchs. Für Großkunden in der Industrie soll es schon ab Januar eine Preisbremse geben. Ob die Bundesregierung die Vorschläge genau so umsetzt, ist allerdings noch offen.
Auch am Konzept der Strompreisbremse wird in der Bundesregierung noch gearbeitet. Auch hier ist bisher geplant, dass Verbraucher ein vergünstigtes Basiskontingent bekommen - wer mehr verbraucht, muss dann höhere Preise zahlen. Damit will die Bundesregierung sichergehen, dass trotz des gedrückten Preises Energie gespart wird.
Der Rest der Kredite soll zur Unterstützung von Unternehmen genutzt werden, die durch Russlands Krieg in der Ukraine in Schwierigkeiten geraten. Darunter sind auch mehrere Gasimporteure, die ihr Geschäft auf günstiges russisches Gas aufgebaut hatten, das nun nicht mehr fließt. Für die besonders betroffenen Unternehmen Sefe, Uniper und VNG sollten mit Staatsgeld nun "maßgeschneiderte Lösungen" entwickelt werden, beschloss die Koalition. Deutschlands wichtigsten Gasimporteur Uniper will der Bund fast vollständig übernehmen.
Weitere Entlastungsmaßnahmen sollen aus dem 200-Milliarden-Topf nicht finanziert werden. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) will so vermeiden, dass seine Kabinettskollegen allzu viele Finanzierungswünschen einreichen, die aus dem normalen Bundeshaushalt nicht zu stemmen sind. Umstritten ist aber zumindest, ob zusätzlich zu den Gaskunden auch Bürger mit Öl-, Pellet- und anderen Heizungen entlastet werden sollten. Mehrere Koalitionspolitiker hatten das bereits angedeutet.
Quelle: dpa, Reuters
Quelle: dpa, Reuters
Gaspreisbremse rückwirkend?
Tatsächlich ist noch offen, wie genau die zuletzt stark gestiegenen Preise für Gas und Strom gedrückt werden sollen. Beim Gas hat eine von der Regierung eingesetzte Kommission vorgeschlagen, dass der Bund zunächst die Dezember-Rechnungen übernimmt. Ab März könnte dann eine Gaspreisbremse greifen für ein Grundkontingent von 80 Prozent des üblichen Verbrauchs. Auch beim Strom ist ein solches vergünstigtes Basiskontingent im Gespräch. Damit will die Bundesregierung sichergehen, dass trotz des günstigeren Preises Energie gespart wird.
Laut SPD soll allerdings geprüft werden, die Gaspreisbremse eventuell rückwirkend greifen zu lassen statt erst ab März. Auch werde es womöglich eine zweite Abschlagszahlung geben, sagte SPD-Fraktionvize Miersch. Zudem wolle die Regierung auch Menschen in den Blick nehmen, "die mit Pellets oder mit Öl heizen".
Art der Finanzierung umstritten
Die Finanzierung über den Sonderfonds war schon im Vorfeld umstritten, Kritik kam auch vom Bundesrechnungshof. Denn die Auszahlungen aus dem WSF sollen bis Mitte 2024 erfolgen, die Schulden würden aber nur auf 2022 angerechnet. CDU-Haushaltspolitiker Helge Braun sprach im ZDF-Morgenmagazin von "Finanzakrobatik". Er forderte, noch in diesem Jahr benötigtes Geld in einen Nachtragshaushalt zu schreiben und im kommenden Jahr benötigte Mittel in den nächsten Haushalt.
FDP-Fraktionschef Christian Dürr dagegen sagte in der Sendung: Es sei sinnvoller, dieses Instrument zu wählen statt den Bundeshaushalt für neue Schulden zu öffnen. "Ich halte das für zielgerichteter und finanzpolitisch mehr verantwortbarer, als es über den allgemeinen Haushalt zu machen."
Quelle: AFP, dpa, Reuters, ZDF
Thema
4:56 min
Politik | Länderspiegel:Wirkt die Gaspreisbremse?
von Astrid Delgado