Eine Stunde, viele Fragen: Bundeskanzler Scholz hat seine erste Regierungsbefragung im Bundestag überstanden. Das Hauptthema: die Impfpflicht. Nett geht es dabei nicht immer zu.
Zum ersten Mal stellt sich der neue Bundeskanzler den Fragen der Abgeordneten im Parlament. Dabei macht Olaf Scholz auch deutlich, dass er eine Impfpflicht für notwendig hält und sich aktiv dafür einsetzen wird.
Er schafft kaum seinen ersten Satz. "Die Bundesregierung hat sich heute", sagt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), mit dem Thema beschäftigt, das alle beschäftigt, "nämlich die Corona-Pandemie". Unterbrechung der Regierungsbefragung durch Bundestagspräsidentin Bärbel Bas. Alle Abgeordnete der AfD-Fraktion halten ein Schild hoch: "Freiheit statt Spaltung" steht darauf.
Damit wehren sie sich gegen die neuen Corona-Maßnahmen, die kurz vorher beschlossen wurden: Wer nicht oder zweifach geimpft ist, muss sich testen lassen, die FFP2-Maske wird im Bundestag Pflicht. Politische Demonstrationen, wie ein Schild hochhalten, sind im Plenarsaal jedoch verboten. Bas droht der AfD mit Ausschluss, mit einem Ordnungsgeld. "Das meine ich sehr ernst", sagt sie.
Die Abgeordneten packen die Schilder wieder ein. Provokation gelungen, Fortsetzung der Debatte.
Die erste Regierungsbefragung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Bundestag.
Union versucht es mit der Impfpflicht
Die erste Regierungsbefragung von Bundeskanzler Scholz läuft dann etwas freundlicher ab. Das aber nur, weil Scholz, noch ganz im Modus der Wahlkampf-Talkrunden, sich artig für jede Frage bedankt. Das hatte seine Vorgängerin Angela Merkel nie getan.
Sehr selten war es den Abgeordneten aus der Opposition gelungen, Merkel mit Detailfragen alt aussehen zu lassen. Das versucht die neue Opposition jetzt bei Scholz. Und ist dabei weniger höflich als er.
Die Ampelkoalition plant eine Entscheidung der Bundestagsabgeordneten über eine mögliche Impfpflicht. Die Union fordert einen Gesetzesentwurf der Regierung.
Thorsten Frei (CDU) als Erster mit dem Thema Impfpflicht: Warum die Regierung keinen eigenen Gesetzesvorschlag vorlege? Habe Scholz "nicht die Kraft dazu?", so Frei.
Scholz wiederholte sein Mantra: Er ist für die Impfpflicht. Gesetzesvorschläge aus dem Bundestag heraus, über die Parteigrenzen hinweg, könnten bei dem kontroversen Thema zur "Befriedung der Situation beitragen". Es "dient der Sache, wenn man andere Wege geht".
Gegen das Impfen zu sein, findet Scholz egoistisch. Ob man sich impfen lässt oder nicht, habe Auswirkungen auf andere. Die Belegung von Krankenhausbetten zum Beispiel. Scholz sagt:
Freis Kollege Günter Krings versucht es dann noch einmal: Nicht was der Abgeordnete Scholz wolle sei interessant, sondern die Bundesregierung als Verfassungsorgan. "Ich möchte diese Information heute hier haben", legt er nach. Eine neue, andere Antwort als Frei bekommt er jedoch nicht.
Die Omikron-Welle hat Deutschland mit einer großen Wucht bereits erreicht. Doch die Impfpflicht lässt weiter auf sich warten, die Debatten dauern an.
Sepp Müller (CDU) versucht es beim Thema Boostern noch einmal. Die Impfkampagne stocke. Wenn Scholz Maßnahmen im Bundestag vorlege, um diese zu beschleunigen, sagt Müller, "dann haben Sie uns an Ihrer Seite".
Das nimmt Scholz gerne an: Die Union könne ja dafür sorgen, dass alle Bundesländer bei der 2G-plus-Regel mitmachen. Gemeint sind Sachsen-Anhalt und Bayern, beide von der Union regiert.
Eine der wenigen Momente in der einstündigungen Befragung, in denen sich Scholz ein Grinsen nicht verkneifen kann.
- Wie hoch die Inzidenz in Ihrem Landkreis ist
Wie hoch ist die Corona-Inzidenz in meinem Landkreis? Wie viele Fälle gab es insgesamt vor Ort? Wie viele Menschen sind verstorben? Alle Zahlen in unserer Corona-Karte.
Ärgerlich wird Scholz nur bei Martin Sichert. Der AfD-Abgeordnete fragt den Bundeskanzler zu der Anzahl der Nebenwirkungen der Corona-Impfung. "Schönen Dank für die Frage", sagt Scholz wieder, "aber nicht für die Intention" dieser Frage. Die AfD wolle die Bevölkerung verwirren.
Sichert forderte von Scholz einen "offenen und ehrlichen Umgang mit Fakten". Das wiederum forderte Scholz auch von Sichert. "Halten Sie sich an die Fakten, verwirren Sie nicht die Bürgerinnen und Bürger!"
Streicheleinheiten aus dem eigenen Ampel-Lager
Ansonsten vieles wie bei der Groko. Der Kanzler spricht meistens zu lang. Die Fragen aus dem eigenen Lager sind sehr freundlich und dienen hauptsächlich dazu, eigenes Regierungsprogramm vorzustellen.
Bernd Westphal (SPD) will wissen, was Scholz für die G7-Präsidentschaft plane. Ulrike Bahr (SPD) lässt Scholz das Reformprogramm zur Kindergrundsicherung erklären. Die Grünen fragen zum Klima. Der FDP-Abgeordnete Bernd Reuther fragt zum Abriss der maroden Brücke der A45 im Sauerland. Da erklärt ihm Scholz, was Bundesverkehrsminister Volker Wissing, FDP wie Reuther, so alles plant.
Mittlerweile sei sie "der Überzeugung, dass wir eine allgemeine Impfpflicht ab 18 einführen sollten", sagt Britta Haßelmann, Fraktionsvorsitzende B'90/Die Grünen. Sie hält eine zügige parlamentarische Entscheidung für möglich.
Es ist allerdings auch nicht so einfach, von Scholz konkrete Aussagen zu bekommen. Pascal Meiser, Abgeordneter der Linken, will wissen, was denn aus dem Pflegebonus wird. Die Bundesregierung hatte eine Auszahlung vor Weihnachten verschoben. Danach hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) mit dem Plan für Aufsehen erregt, den Bonus nicht an alle Pflegekräfte zu zahlen.
Lauterbach soll Vorschlag zum Pflegebonus machen
"Wir haben uns fest vorgenommen, dass wir etwas tun", sagt Scholz. Lauterbach werde bis Ende des Monats einen Vorschlag machen, "dann werden wir darüber diskutieren wollen." Aber:
Meiser versucht es noch einmal: Wer soll denn den Bonus laut Scholz nun bekommen? "Schönen Dank für Ihr Engagement und Ihre Frage nochmal", sagt Scholz. "Wir sind dabei die Frage sorgfältig abzuwägen." Und kommt auf die Arbeitsbedingungen und den Pflegenotstand im Allgemeinen zu sprechen.
Dabei könnte es so einfach sein. Meiser findet den Pflegebonus im Prinzip ja gut. Scholz auch: "Ich begrüße, dass Sie die Vorgehensweise der Bundesregierung begrüßen", sagt er. Meiser: "Wenn Sie machen, was wir sagen, immer."