Helme statt Waffen, Spott im Ausland: Die Union kritisiert die Ukraine-Politik der Ampel-Regierung. Außenministerin Baerbock verteidigte den Kurs: Reden sei besser als schießen.
Wie klar steht die Bundesregierung an der Seite der Ukraine? Die Union hat da offenbar ihre Zweifel und hat deswegen heute im Bundestag eine aktuelle Debatte angeregt. "Es droht ein Krieg", sagte der designierte CDU-Chef Friedrich Merz. Die Union habe deswegen erwartet, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eine Regierungserklärung dazu abhält.
Normandie-Gespräche "nicht selbstverständlich"
Das tat Scholz nicht, er ergriff auch sonst nicht das Wort, hörte aber zu. Die Politik der Ampel-Regierung verteidigte Bundesaußenminister Annalena Baerbock (Grüne).
Vor allem die Union hatte in den vergangenen Tagen kritisiert, das seit Jahren geltende Waffenexportverbot aufzuheben und zumindest über die Lieferung von Defensivwaffen nachzudenken.
Viel Häme gab es am Mittwoch, als Verteidigungsministerin Christine Lambrecht die Sendung von 5.000 Stahlhelmen als "starkes Zeichen" an die Ukraine bezeichnet hatte, was auch bei den osteuropäischen Ländern nicht gut ankam. Außerdem streitet die Ampel intern über die Ostseepipeline Nord Stream 2.
Baerbock verteidigte ihren Kurs. Es gebe eine enge Abstimmung innerhalb der EU und der Nato. Es sei falsch, den außenpolitischen Kurs nun um 180 Grad zu drehen und der Ukraine Waffen zu liefern.
Die ersten Verhandlungen nach langer Pause im Normandie-Format in Paris seien "nicht selbstverständlich", so Baerbock. Dabei hätten Vertreter von Russland, Ukraine, Deutschland und Frankreich acht Stunden verhandelt. Man dürfe "nicht die Türen der Deeskalation schließen, die sich gerade wieder zaghaft öffnen", so Baerbock.
Baerbock: Kiew wollte die Helme
Die Regierung setze auf die wirtschaftliche Unterstützung der Ukraine, die Lieferung der Helme sei von Kiew angefordert worden. Man habe auch bewusst im Gegensatz zu anderen Staaten das Botschaftspersonal nicht abgezogen. Deutschland habe als wirtschaftlich stärkstes Land in Europa und aus historischen Gründen eine besondere Verantwortung.
Deutsche Waffen für die Ukraine?
Neben Dialog müsse man gegenüber Russland auf Härte setzen, sagte Baerbock. Gemeinsam mit Frankreich habe man dafür gesorgt, dass Europa bei den Sanktionen "ganz eng beieinander" sei. Bei einem russischen Angriff auf die Ukraine sei alles im Gespräch, "inklusive Nord Stream 2“.
Entscheidend sei, dass EU und Nato zusammenblieben. Mit Anspielung auf die Kritik an Deutschland zog sie einen Vergleich zum Fußball: In einem Fußballteam gebe es auch nicht elf Mittelstürmer. Hauptsache, alle hätten den "gleichen Spielplan im Kopf".
Merz kritisiert Scholz: Zu wenig
Genau das bezweifelt CDU-Chef Merz. Es gebe überhaupt Zweifel an der deutschen Position in Europa und in den USA, ob man Ukraine gegen Russland wirklich unterstütze. Kanzler Scholz warf Merz vor:
Wenn, dann müsse er "sichtbarer in dieser Krise für eine friedliche Lösung verhandeln". Wenn Scholz sich "erkennbar zu wenig um das Problem kümmert, vergrößert das das Risiko". Das Risiko, dass es einen Krieg gibt.
Die Schuld für die Krise lieg, laut Merz, dabei klar bei Russland. Die Cyberangriffe, die Auftrags- und Giftmorde, der "Zangenangriff" auf die Ukraine: Der Frieden in Europa werde "permanent" durch Russland destabilisiert.
Sein Vorwurf: Vor allem in der SPD sei man sich offenbar nicht immer klar, dass Staatspräsident Wladimir Putin der Aggressor sei.
Klingbeil: Außenpolitik keine Innenpolitik
SPD-Chef Lars Klingbeil warf der Union vor, den ukrainisch-russischen Konflikt für innenpolitische Zwecke zu instrumentalisieren:
Klingbeil bat die Union, den außenpolitischen Konsens, der jahrelang üblich gewesen sei, beizubehalten. Sollte Russland die Grenze zur Ukraine überschreiten, sei die Regierung "klar": Es brauche dann eine "klare, konsequente und entschiedene Antwort“.
Sicher sei aber auch: Einen dauerhaften Frieden in Europa könne es ohne Russland nicht geben.
"Im Weißen Haus heißt es: Solange gesprochen wird, gibt es immer noch Hoffnung“, so ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen in Moskau zum Normandie-Treffen.
Holocaust-Gedenken klingt nach
Das Ungewöhnliche an der Debatte: Die Abgeordneten standen noch unter dem Eindruck der Veranstaltung zum Holocaust-Gedenken, nur gut eine Stunde zuvor. Der Friede bleibt fragil, damals wie heute.
Roderich Kieswetter (CDU) erinnerte an die Rede der Holocaust-Überlebenden Inge Auerbacher, die alle aufgefordert hatte, eine Kerze für die ermordeten Juden zum Zeichen der Versöhnung anzuzünden. Kiesewetter forderte zudem eine Kerze für den Frieden.
Niemand, sagte Alexander Graf Lambsdorff (FDP), brauche Russland vom Gräuel des Krieges zu erzählen. Die Blockade von Stalingrad endete auf den Tag genau heute vor 78 Jahren, Russland hatte die meisten Kriegsopfer zu beklagen. Gerade deswegen sei jetzt "Dialog mit der russischen Regierung so wichtig", sagte Lambsdorff. "Wir brauchen Diplomatie auf allen Kanaälen."