Zu den Auffälligen in der SPD gehörte sie nie. Mittlerweile ist sie in der Bundestagsfraktion aber eine der Erfahrensten. Nun soll Bärbel Bas neue Bundestagspräsidentin werden.
Sie gehörte bislang nicht zu den auffälligen Rednern. Oft sprach sie nach dem Fraktionschef, manchmal auch erst als dritte in der SPD. Wenn es um die großen gesundheitspolitischen Themen ging, durfte sie auch als Erste ran. Bald soll Bärbel Bas immer das erste Wort haben, wenn der Bundestag zusammentritt.
Die SPD-Bundestagsfraktion will die Duisburgerin als Bundestagspräsidentin vorschlagen. Damit könnte die 53-Jährige auf einen der fünf wichtigsten Positionen an der Spitze des Staates rücken. Sie wäre nach Annemarie Renger (SPD) 1972 und Rita Süssmuth (CDU) 1988 die dritte Bundestagspräsidentin. Und sie wäre ein Politikum.
Spott im Netz: "Bärbel, wer?"
"Bärbel, wer?" war in den sozialen Medien eine häufige spöttische Frage, als am Morgen die Entscheidung der SPD-Fraktion bekannt wurde. Mit einem Schreiben an die 206 Fraktionsmitglieder beendete Fraktionschef Rolf Mützenich tagelange Spekulationen über die erste, wichtige Personalie der SPD. Am Dienstag tritt der neue Bundestag zum ersten Mal zusammen. Die Wahl des Bundestagspräsidenten ist die erste wichtige Aufgabe der Abgeordneten. Oder die Wahl einer Präsidentin.
- "Ein Posten für eine Frau ist das mindeste"
Die SPD muss entscheiden: Wer soll neuer Bundestagspräsident oder -präsidentin werden? Maria Noichl von der SPD-Frauenorganisation ASF sagt: Es muss eine Frau sein.
Mützenich wolle selbst in das Amt, hieß es, nachdem SPD-Chef Norbert Walter-Borjans ihn am Wochenende ins Gespräch gebracht hatte. Die SPD könne den Grünen den Vortritt überlassen, die SPD finde keine qualifizierte Frau, auch darüber wurde spekuliert. Es gab offene Briefe und offenen Protest in der seit dem Wahlkampf so geeinten Partei.
Nun schlägt der Fraktionsvorstand Bärbel Bas als Bundestagspräsidentin und die Hamburgerin und frühere Integrationsbeauftragte Aydan Özoguz als Vize-Präsidentin den Abgeordneten zur Wahl am Dienstag vor: "Beste Grüße Euer Rolf."
Scholz muss nicht wortbrüchig werden
Damit verschafft sich die SPD erst einmal Luft. Bleibt Mützenich Fraktionschef, hat der mögliche Kanzler Olaf Scholz einen Mann mit Erfahrung an seiner Seite, der eine gewachsene Fraktion, in der fast die Hälfte zum ersten Mal im Bundestag sitzt, zusammenhalten kann. Und Scholz wird nicht gleich zu Beginn wortbrüchig. Wer ein Kabinett verspricht, das je zur Hälfte aus Frauen und Männern besteht und als erste Personalie einen Mann nominiert, macht sich unglaubwürdig.
Die Frauen in der SPD hatten Scholz in diesen Tagen erinnert, dass im Wahlprogramm Schritte zur Parität versprochen worden waren. Maria Noichl, Co-Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen, ist mit der Wahl von Bas zufrieden. Bas sei eine "Kämpferin" und die "richtige für diese Position". Noichl:
Klar sei aber auch: Mit der Nominierung von Bas sei zwar verhindert worden, dass die komplette Staatsspitze männlich besetzt ist. "Es ist ein Schritt, es ist ein wichtiger Schritt, aber es ist nur ein Schritt", so Noichl. Das künftige Kabinett müsse 50/50 besetzt werden.
Und ob Frank-Walter Steinmeier sich nun sicher sein kann, dass er im Februar für eine zweite Amtszeit kandidieren kann, ist nicht ausgemacht. Die Koalitionsverhandlungen mit Grünen und FDP beginnen erst am Donnerstag offiziell.
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Ein Pfund: Parlamentarische Erfahrung
Was Bas für das Amt als oberste Repräsentantin der Demokratie mitbringt, ist parlamentarische Erfahrung. Seit 2009 sitzt sie im Bundestag, gewann immer ihr Mandat direkt. Sie saß im Ältestenrat, war Parlamentarische Geschäftsführerin. Seit 2019 ist sie Vize-Fraktionschefin der SPD und übernahm von Karl Lauterbach die Funktion der gesundheitspolitischen Sprecherin.
Ob sie so wortgewaltig werden wird wie ihre Vorgänger Wolfgang Schäuble, Norbert Lammert und Wolfgang Thierse, die gerne zum Auftakt von Sitzungen Grundsätzliches ansprachen, wird Bas erst zeigen müssen. Ob sie einer Bundesverwaltung mit gut 3.000 Mitarbeitenden leiten kann, auch. Immerhin: Als Personalmanagerin einer Krankenkasse war sie schon einmal für rund 230 Menschen verantwortlich.
735 Abgeordnete sitzen im neuen Bundestag – so groß und so jung war das Parlament noch nie. Rund 30 Prozent sind 40 Jahre alt oder jünger. Ein Überblick.
Als Bundestagspräsidentin muss Bas ein Parlament zusammenhalten, in dem so viele Abgeordnete wie nie sitzen. In dem auch für sie alles neu ist: möglicherweise drei Parteien drängeln sich auf der Regierungsbank, die Opposition könnte aus ganz rechts AfD bis ganz links Linke bestehen – und einer derzeit eher gespaltenen Union.
Ein Kompliment von Karl Lauterbach
All ihre bisherigen Ämter hatte Bas 2019 von Karl Lauterbach übernommen, als dieser sich 2019 für den Parteivorsitz bewarb. Von ihm kommt vielleicht auch eins der nettesten Komplimente.
Im März wurde er in der Talkshow von Kurt Krömer gefragt, wer denn diese Bärbel Bas sei. "Gibt es die überhaupt", fragte Krömer. Lauterbach sagte, er könne bestätigen:
Und sie sei "eine total nette und liebenswürdige Kollegin, die sich gut auskennt", sagte Lauterbach. "Und wir arbeiten auch gut zusammen."