100 Milliarden Euro Sondervermögen sollen die Bundeswehr-Neuaufstellung ermöglichen. Wie kann das gelingen und welche Rolle soll Nuklearabwehr dabei spielen? Was Experten meinen.
Lange wurde Deutschland für seine vergleichsweise geringen Verteidigungsinvestitionen von seinen Nato-Partnern - allen voran den USA - kritisiert. Nun sollen 100 Milliarden Euro Sondervermögen helfen, die Bundeswehr neu aufzustellen.
Harald Kujat, ehemaliger Generalinspekteur der Bundeswehr, begrüßt das Milliarden-Paket für die Truppe und den Plan, den Verteidigungshaushalt auf zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes anzuheben:
Kujat: "Unsicherheitsfaktor ist ausgeräumt"
"Wir wissen also genau, wie viel Geld uns 2022, 2023, 2024 und in den Folgejahren zur Verfügung stehen wird", so Kujat weiter. "Das war ja immer die große Frage auch für die Bundeswehr: Werden wir in fünf Jahren auch das Geld bekommen, um die Waffensysteme zu bezahlen, die wir heute planen?"
Künftig solle sich die deutsche Armee weniger auf Auslandseinsätze, sondern mehr auf die Landes- und Bündnisverteidigung konzentrieren, so Kujat gegenüber dem ZDF-Magazin "frontal".
"Beschaffen von Ausrüstung, Beschaffungsorganisation, strukturelle Anpassungen" seien nötig, damit die Bundeswehr " das liefern könne, was Nato und EU von uns verlangen", so André Wüstner, Vorsitzender des Deutschen Bundeswehrverbands.
Rüstungsvertreter hofft auf Imagewandel
Gleichzeitig hofft die Rüstungsindustrie auf Aufträge in Milliardenhöhe - und auf einen Imagewandel. Hans Christoph Atzpodien, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, gegenüber "frontal":
Reservisten-Vertreter: Atomkrieg "kann man nie gewinnen"
Experten fordern nun, dass auch die atomare Abschreckung mit der sogenannten nuklearen Teilhabe weiter ausgebaut werden soll. Dieses Abschreckungskonzept des atlantischen Bündnisses sieht vor, dass die deutsche Truppe im Kriegsfall Zugriff auf amerikanische Atomsprengköpfe hat und diese dann - mit eigenen Flugzeugen - ins Ziel bringt.
"Ich glaube, wir brauchen es definitiv, weil es eine ganz klare Abschreckung darstellt. Die Abschreckung vor einem Atomkrieg hat immer gewirkt. Ich hoffe, das bleibt auch bei Despoten der Fall, weil sie wissen, so etwas kann man nie gewinnen und das eigene Land geht dabei auch den Bach runter", so Patrick Sensburg, Präsident des Verbands der Reservisten der Deutschen Bundeswehr.
- Was bedeuten die Milliarden für die Truppe?
Deutschland will erheblich mehr Geld in die Verteidigung stecken. Was ist geplant, woher kommt das Geld und wohin soll es investiert werden? Ein Überblick in Grafiken.
Experte Mölling: "Nuklearkrieg ändert alles"
Derzeit ist der Fliegerhorst Büchel in Rheinland-Pfalz der einzige Standort in Deutschland, an dem noch US-Atomwaffen gelagert werden. Hier bildet die Luftwaffe Jagdbomberpiloten für den Einsatz aus, um im Notfall mit Bundeswehr-Tornados die amerikanischen Atombomben ins Zielgebiet zu fliegen und abzuwerfen.
Laut Christian Mölling, Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik und Leiter des Programms Sicherheit und Verteidigung, senden diese ein eindeutiges Zeichen:
Dabei gehe es laut Mölling nicht darum, irgendein militärisches Ziel zu bombardieren, "sondern es geht dann da drum, dass allen klar ist, Nuklearkrieg ändert alles und wir dürfen davon ausgehen, dass das zumindest in Moskau noch klar ist".
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