Um in die Erfolgsspur zurückzukehren, müsste sich die Union kräftig am Riemen reißen, sagt der Politologe Heinrich Oberreuter. Nicht gut zu sprechen ist er auf Angela Merkel.
ZDFheute: Nach der historischen Wahlniederlage stellt sich die Union die Frage: "Wie kommen wir wieder in die Erfolgsspur?" Muss sie sich dafür neu erfinden oder reicht ein Rückgriff auf altbewährte Mittel?
Heinrich Oberreuter: Ein Rückgriff auf alte Werte wird nicht reichen.
Doch unabhängig vom Angebot werden sie keinen Volksparteiorbit mehr besitzen, sondern ein bestimmtes Segment in der Gesellschaft erreichen. Wenn wir sehen, dass nur zehn Prozent der Jungen die Union gewählt haben, dann ist das wenig berauschend.
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ZDFheute: Mit welchen Themen könnte die Union künftig punkten?
Oberreuter: Es gibt gewaltige Aufgaben wie die Balance von Ökonomie und Ökologie, das Sichern des gesellschaftlichen Zusammenhalts oder die Integration von Zuwanderern. Die Union muss klarmachen: Wer zu uns kommt und bei uns bleibt, muss den Weg in die demokratische Grundordnung finden!
Die Union könnte auch die Familie als zentrale Orientierung in die Mitte ihres Programms stellen. Dazu kommen außenpolitische Themen, etwa: Wie gehen wir Deutschen und Europäer mit Chinas neuer Dominanz um? Dazu müsste aber ein gewisser Guss her.
ZDFheute: CDU-Bundesvorstandsmitglied Mike Mohring erinnert der aktuelle Zustand der Union eher an einen "Hühnerhaufen". Oder verlieren bestimmte Männer bei "Hahnenkämpfen" das Wesentliche aus dem Blick?
Schriftstellerin Elke Heidenreich kritisiert bei Markus Lanz die Floskeln der CDU. Kai Wegner, CDU-Landesvorsitzender von Berlin, hält dagegen.
Oberreuter: Wer das Wesentliche aus dem Blick verloren hat, war eine Frau, die normalerweise im Hosenanzug auftritt.
Bis auf eine Ausnahme hat Merkel lauter schlechte Wahlergebnisse eingefahren. Das vergessen die meisten immer wieder. Nie ist das tiefgründig analysiert worden. Aber erst jetzt brodelt es ordentlich in der Union.
ZDFheute: Schon im Bundestagswahlkampf traten CDU und CSU mit Armin Laschet und Markus Söder an der Spitze nicht weithin wahrnehmbar als geeinte Schwesterparteien auf. Wie schwer belastet ist das Verhältnis der Unionsparteien?
Oberreuter: Dieser Wahlkampf war ein Irrlauf von zwei Männern mit ihren Problemen: Der eine war schwach, der andere eifersüchtig.
Da gibt es jetzt viele Unzufriedene, die sich lauthals beschweren.
ZDFheute: Was oder wer stellt das Vertrauen zwischen CDU und CSU wieder her?
Oberreuter: Zunächst einmal braucht es eine gewisse Disziplin auf beiden Seiten. Es braucht kein unterbelichtetes norddeutsches Mannsbild, das die Ausbreitung der CDU nach Bayern fordert.
Das ist nicht sinnvoll, das ist kontraproduktiv. Und wenn der gute Herr Merz, ein Mann von Vorgestern, auf Twitter äußerst heftig gegen Söder vom Leder zieht, ist das auch nicht förderlich. Er hat ja in der Sache Recht, aber warum wieder persönliche Angriffe, wo es vielmehr um wichtige Inhalte geht?
ZDFheute: Künftig soll bei der CDU die Basis mehr Mitsprache bei wichtigen inhaltlichen und personellen Entscheidungen bekommen. So sollen etwa die CDU-Kreisvorsitzenden am 30. Oktober darüber beraten, ob es eine Mitgliederbefragung zur neuen Parteispitze geben wird. Eine Lehre aus der "Causa Laschet"?
Oberreuter: Die Diskussionen um Mitgliederbefragungen sind doch Geplänkel. Dadurch wird es nicht zu einer innerparteilichen Befriedung kommen. Stabile Personalfindungen werden durch Mitgliederbefragungen eher erschwert. Aber bitte, wenn sie das machen wollen: Ich bin ja für die mäßige Intelligenz der Parteifunktionäre nicht verantwortlich.
Das Interview führte Marcel Burkhardt.
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