Kanzleramtschef Braun gibt die Merkel-CDU nicht kampflos auf. Das zeigt seine Kandidatur für den Parteivorsitz. Aber er muss sich mit Röttgen und vielleicht auch Merz messen.
Dass Helge Braun jetzt auch offiziell in das Kandidaten-Rennen um den CDU-Vorsitz einsteigt, ist eine Überraschung und bei längerer Betrachtung doch folgerichtig. Braun war in den vergangenen vier Jahren als Chef des Kanzleramtes ein treuer Gefolgsmann von Kanzlerin Angela Merkel. Diese Funktion dürfte für ihn jetzt gleichermaßen hilfreich wie belastend sein.
Als Regierungsmanager bringt er sicher die nötige Erfahrung in der Spitzenpolitik mit, allerdings hatte am Mittwoch schon Jens Spahn bei seinem Verzicht auf eine Kandidatur den möglichen Kandidaten Braun indirekt kritisiert, als er in der Fraktionssitzung davon sprach, dass es jetzt Zeit für einen Neuanfang in der CDU sei und "nicht für ehemalige Regierungsmitglieder", so berichten es Teilnehmer der Sitzung.
Braun: Eigentlich ein Mann aus der zweiten Reihe
Helge Braun, der vor seiner Politik-Karriere als Arzt in der Anästhesie tätig war, gilt als stiller Vertreter seiner Zunft, einer, der eher in der zweiten Reihe tätig ist. Ein Manager der Macht. Das er jetzt als CDU-Vorsitzender kandidiert und damit ins Rampenlicht strebt, ist ungewöhnlich. Zumal Braun sich bei seiner langjährigen Chefin sehr genau anschauen konnte, welche Belastung diese Rolle mit sich bringt.
Allerdings hatte Braun schon seit längerem mit der Nachfolge von Volker Bouffier als Chef der Hessen-CDU und möglicherweise auch als Ministerpräsident geliebäugelt. Dieser Karriereschritt scheint ihm verbaut, nachdem sich in Wiesbaden andere Kandidaten mehr in den Vordergrund geschoben haben.
Auch Norbert Röttgen erklärt sich bereit
Brauns Kandidatur werden in der CDU allerdings nicht die größten Chancen eingeräumt. Als Vertrauter der Kanzlerin deckt er sicher die noch vorhandenen Merkel-Fans ab, allerdings muss er sich das sogenannte liberale Lager der CDU mit Norbert Röttgen teilen, der am Freitag ebenfalls seine Kandidatur angekündigt hat.
Die Union müsse eine Partei der modernen Mitte sein, sagt CDU-Politiker Norbert Röttgen in der Debatte um die Zukunft der Partei. Dazu gehörten "in jedem Fall auch Frauen in Führungspositionen“, die Spitze einer Volkspartei dürfe nicht nur männlich sein.
Rein nominell könnten sich so die Mitgliederstimmen zwischen Braun und Röttgen aufspalten. Allerdings halten nicht wenige Parteistrategen es jetzt auch für möglich, dass dadurch der vermeintliche Favorit Friedrich Merz in eine Stichwahl gezwungen wird - die er bei seinem dritten Anlauf dann verlieren könnte.
Jedenfalls zeigt sich, dass die Merkel-Anhänger in der CDU nicht bereit sind, die Partei kampflos an einen Kandidaten Merz zu übergeben. Letzteres hatte sich schon mit der Ankündigung von Karin Prien angedeutet, die als Vize-Vorsitzende kandidieren will.
Wo bleibt Merz?
Jetzt, sechs Tage vor Ende der Frist für die Bewerber, kommt Bewegung in den Machtkampf um die CDU-Spitze. Und es erhöht sich der Druck auf Friedrich Merz. Nach dem Verzicht Spahns und der Kandidatur Brauns und Röttgens hat sich der Sauerländer bisher nicht aus der Deckung gewagt.
"Ich erwäge es", hatte er am Wochenende auf einem Kongress der Lesben- und Schwulen in der Union (LSU) zu seiner Kandidatur gesagt. Eine öffentliche Ankündigung gibt es aber bisher nicht. Einzig ein Auftritt bei der Mittelstandsunion am letzten Tag der Bewerbungsfrist am kommenden Mittwoch ist bisher bestätigt.
Ob Friedrich Merz tatsächlich erst im letzten Moment mit einem Knall aus der Kulisse tritt? Ein Szenario, dass dem 66-Jährigen vielleicht gefallen könnte. Ob die verunsicherte Partei solch eine Performance tatsächlich gutheißen würde, darf doch bezweifelt werden.
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