China steckt ethnische Minderheiten in Umerziehungslager - und der Westen schaut weg. Doch das ist gefährlich. Denn es könnte auch uns betreffen, warnen Experten.
Es sind grausame Bilder, die zeigen, wie brutal Chinas Machthaber die Uiguren in der Provinz Xinjiang unterdrücken. Vor etwa einem Monat wurden die Xinjiang Police Files enthüllt - Beweismaterial aus internen Polizeiberichten, die tausendfach das Schicksal der Gefangenen beweisen.
Einigen wenigen ist es gelungen, aus den Lagern zu fliehen - sie klagen den chinesischen Staat an. Und sie verstehen nicht, wie der Westen scheinbar tatenlos zusehen kann.
Eingesperrt wegen ihres Glaubens: muslimische Minderheiten in Xinjiang. China steckt sie in Umerziehungslager - und der Westen schaut zu. Warum das gefährlich ist.
Uiguren als Islamisten verurteilt
Die chinesische Regierung stellt Muslime unter Generalverdacht und sperrt sie weg. Diese Menschen seien gefährlich, würden Terroranschläge verüben. In den Augen des Machthabers Xi Jinping müssten sie umerzogen werden.
Mamuti Abdudureyimu ist Uigure und wollte seine Familie vor der Unterdrückung Chinas retten - gemeinsam mit seiner Frau und den beiden Kindern wanderte er nach Australien aus. Doch dann musste seine Frau Muherrem wegen der Reisepässe mit den Kindern zurück.
Die Polizei nimmt ihr sofort den Pass ab und verdächtigt sie, eine Islamistin zu sein. Seit fünf Jahren ist Mamuti Abdudureyimu von seiner Familie getrennt - kein Foto, kein Wort, kein Lebenszeichen.
"Als ich die Nachricht von den Xinjiang Police Files hörte, habe ich sofort jedes einzelne Foto angeschaut. Nicht das Fahndungsfoto meiner Frau zu finden, ist wahrscheinlich besser. Sonst traumatisiert mich das nur wieder", erzählt Abdudureyimu.
Uigure hofft auf Hilfe von anderen Ländern
Seine Hoffnung: Die Welt müsse das Ausmaß dieser Verfolgung verstehen und endlich handeln:
"Die Weltgemeinschaft hat nicht genug unternommen, um China zu stoppen. Wir behaupten, dass wir an den Slogan 'Nie wieder' glauben. Aber im Fall der Uiguren gilt das nicht", beklagt der Familienvater.
Tibet - ein weiteres Opfer Chinas
Nicht nur im Fall der Uiguren - China hat schon einmal eine ganze Kultur vor den Augen der Weltöffentlichkeit vernichtet: die Tibeter. Vor mehr als 70 Jahren marschierte China in Tibet ein.
Dhondup Wangchen ist Tibeter. Sein großes Ziel: der Welt die Wahrheit über den Völkermord an dem tibetischen Volk erzählen.
"2008 habe ich einen Film über die Menschenrechtslage in Tibet gedreht. Das brauchte mir sechs Jahre Gefängnis ein", erzählt Wangchen. "Im Gefängnis haben sie mir keine Fragen gestellt, aber sie haben mich gefoltert und geschlagen. Mein ganzer Körper war geschwollen, das ging drei Monate so. Präsident Xi ist wie ein zweiter Mao."
Tibet-Experte: Xi Jinping testet den Westen
Der Chef der "International Campaign for Tibet e.V.", Kai Müller, bestätigt diese Anschuldigungen und spricht von einem Frontalangriff Chinas auf die tibetische Kultur. Doch Xi Jinping ginge es nicht um Tibet an sich oder um die Uiguren - sondern um etwas noch Weitreichenderes:
"Wenn sie es weiterhin so zögerlich tut, müssen wir damit rechnen, dass die KP sich ermutigt fühlt, in anderen Bereichen, vielleicht in der Außenpolitik, noch weiter, noch aggressiver vorzugehen", prognostiziert er.
Tibeter wirft Westen Doppelmoral vor
Der Westen schaut weg, lässt grausame Menschenrechtsverletzungen geschehen - so die Erfahrung von Dhondup Wangchen: "Ich habe vor kurzem 15 europäische Länder besucht. Die führenden Politiker haben sich nicht getraut, mich offiziell zu empfangen. Ihre Länder haben lukrative Wirtschaftsbeziehungen mit China, wo sie viel Geld verdienen."
China ist der größte Handelspartner Deutschlands. Doch Pekings Nähe zu Moskau verstört seit Putins Überfall auf die Ukraine mehr denn je.
Kann der Ukraine-Krieg etwas am Verhalten des Westens ändern?
Xijiang-Experte Adrian Zenz sieht in dem Ukraine-Krieg die Chance einer Zeitenwende, auch in Bezug auf die Unterdrückungen des chinesischen Staates. "Aufgrund des brutalen Krieges in der Ukraine hört man jetzt auch vermehrt Stimmen, die sagen, dass Wegschauen nicht funktioniert. Nicht nur nicht mit Putin, sondern auch nicht mit Xi Jinping, auch nicht mit den Uiguren. Das ermutigt mich."
Der Westen sei abhängig von Regimen, die zu solchen Gräueltaten fähig und willens sind. Zu abhängig. Diese Erkenntnis rücke mehr und mehr in den Vordergrund, so Zenz. Und könnte etwas verändern - mehr handeln, weniger hinnehmen.