Scholz auf Antrittsbesuch in Peking: Was erwartet China?
Kanzler Scholz in Peking:"China erwartet einen Wohlfühl-Besuch"
von Miriam Steimer
03.11.2022 | 18:02
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In Deutschland erntet Bundeskanzler Scholz viel Kritik für seinen Antrittsbesuch in Peking. Was erwartet China von dem Treffen? Eine Spurensuche zwischen Lockdown und Sauerkraut.
"Muss Olaf Scholz eigentlich in Quarantäne, wenn er nach China kommt?" Was in Deutschland vielleicht komisch klingt, ist in China eine völlig nachvollziehbare Frage. Wang Xinjie stellt sie und nippt an seinem Maßkrug Bier. Er sitzt in einem deutschen Wirtshaus mitten in Peking. Wer aus dem Ausland nach China kommt, muss mindestens sieben Tage in einem staatlichen Quarantäne-Hotel verbringen.
Für Olaf Scholz und seine Delegation gilt das nicht. Allerdings müssen alle auf chinesischer Seite, die die "Bubble" betreten - also den abgeschirmten Bereich mit dem ausländischen Besuch - anschließend in staatliche Quarantäne.
Keine Treffen mit Regierungskritikern möglich
Das erschwert, dass der deutsche Bundeskanzler Menschen trifft, die dem chinesischen Staat kritisch gegenüberstehen. So ein Treffen ist eigentlich nur virtuell möglich. Der chinesischen Führung dürfte das Recht sein. Der Besuch des deutschen Bundeskanzlers verläuft nach ihren Spielregeln. Scholz ist der erste westliche Staatschef, der nach dem 20. Parteitag der Kommunistischen Partei nach China kommt.
Von Bundeskanzler Olaf Scholz wird vor seiner Reise "mehr Aufmerksamkeit für das Vorgehen der chinesischen Führung gegen die Uiguren" gefordert, sagt Miriam Steimer, ZDF-Korrespondentin in China.02.11.2022 | 3:22 min
Jener Parteitag, auf dem Xi Jinping sich eine - bisher nicht mögliche - dritte Amtszeit als Partei-Chef gesichert und sein höchstes Führungsgremium ausschließlich mit loyalen Vertrauten besetzt hat. Es ist auch der erste Besuch eines G7-Vertreters in China seit Beginn der Corona-Pandemie - und ein weiterer Baustein in Chinas Weg zurück auf die internationale Bühne.
China hofft auf harmonischen Besuch
Was erwartet China von dem Besuch? "Die beiden Seiten werden das gegenseitige politische Vertrauen zwischen China und Deutschland weiter festigen", heißt die Floskel aus dem Außenministerium.
In der "Global Times", der englischsprachigen Zeitung, die vom kommunistischen Parteiorgan "Volkszeitung" herausgegeben wird, versichern chinesische Experten, dass diejenigen, "die sogenannte Sorgen über Deutschlands Abhängigkeit von China schüren, einen begrenzten Einfluss haben werden, solange die deutsche Koalitionsregierung eine pragmatische Haltung für ihre eigenen Interessen beibehält".
Im Klartext: China will mit dem deutschen Handelspartner Geschäfte machen und nicht über Menschenrechte sprechen.
Auch der Streit um die Beteiligung der chinesischen Staatsreederei Cosco an einem Containerterminal in Hamburg zeigt: die engen wirtschaftlichen Verflechtungen werden zunehmend kritisch gesehen.03.11.2022 | 1:50 min
Scholz-Besuch: Zwischen Wirtschaft und Verantwortung
"China erwartet von Scholz, dass er wie bisher weniger ideologisch auftritt", sagt Marina Rudyak, Sinologin an der Universität Heidelberg. Aus Chinas Perspektive sei die Stimmung in Europa durch ideologische Überlegungen dominiert.
Scholz wird wahrgenommen als jemand, der weniger ideologisch und China gegenüber eher positiv eingestellt ist.
Marina Rudyak, China-Expertin
Bundeskanzler Scholz reist heute nach China. Die Menschenrechtslage dort und die Abhängigkeit von China sind Themen in Europa. Wir sprechen darüber mit dem Politologen Tim Rühlig.03.11.2022 | 3:51 min
Der Wechsel im deutschen Außenministerium, die klaren Worte von Annalena Baerbock sorgen in China für Unruhe. "Man hofft, dass Bundeskanzler Scholz die Stimme der Moderation ist, die diese doch sehr klaren Worte in Richtung Peking quasi wieder einfängt."
Zu Beginn der Pandemie war China mit seiner Null-Covid-Strategie erfolgreich. Nach dem Ausbruch im zentralchinesischen Wuhan, wo Ende 2019 weltweit die ersten Infektionen entdeckt worden waren, brachten die Behörden die Infektionen im Frühjahr 2020 mit radikalen Maßnahmen unter Kontrolle. Die sich schnell verbreitende Omikron-Variante veränderte die Lage, doch China blieb bei seiner Strategie. Während der Rest der Welt inzwischen nach Wegen sucht, um mit dem Corona-Virus zu leben, will China jeden einzelnen Fall, jeden Ausbruch mit strengen Maßnahmen im Keim ersticken. Das bedeutet Ausgangssperren, Massentests und Lockdowns. Die Maßnahmen schränken nicht nur die Freiheitsrechte der Chinesinnen und Chinesen weiter ein, sondern sind auch eine Belastung für die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt.
"China erwartet einen Wohlfühl-Besuch", sagt Jörg Wuttke, Vorsitzender der EU-Handelskammer in China. Obwohl uns im Zentrum von Peking nur wenige Kilometer trennen, muss unser Interview digital stattfinden. Wie so viele darf Wuttke seine Wohnung gerade nicht verlassen. Weil er in einem Hotel war, in dem auch eine positiv auf Corona getestete Person war, muss er sieben Tage in Heimquarantäne.
Strikte Null-Covid-Politik in China
So wirkt sich die Null-Covid-Politik Chinas im Alltag aus. Sie drückt die Konsumfreude im Land, deshalb ist China auf die europäischen Verbraucher angewiesen:
16 Millionen Jobs hängen in China davon ab.
Jörg Wuttke, Vorsitzender der EU-Handelskammer in China
Was wir oft bei Drehreisen in China erleben, passiert auch im deutschen Wirtshaus in Peking zwischen Schweinshaxe und Sauerkraut. "Egal welche Partei oder wer Deutschland regiert, er soll von Merkel lernen", sagt Shen Manyuan. Neben deutschen Fußballprofis ist die ehemalige Bundeskanzlerin der häufigste Name, den uns strahlende Chinesinnen und Chinesen nennen, wenn sie hören, dass wir aus Deutschland kommen.
"Sie hat meinen vollsten Respekt - aus ganzem Herzen. Die Frau ist stark", sagt er und hält seinen ausgestreckten Daumen in unsere Kamera. Ein "weiter so" mit Olaf Scholz, Wirtschaftsbeziehungen wie mit Angela Merkel, das ist ein Wunsch, den wohl auch die chinesische Führung vor dem Antrittsbesuch des neuen deutschen Bundeskanzlers hat.
Diplomatischer Drahtseilakt: Der Kurztrip von Kanzler Scholz nach China steht in der Kritik. Scholz selbst kündigt indes einen Kurswechsel an. Das sind die Streitpunkte.