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Interview

Taiwans Vertreter in Deutschland : "China hat Säbelrasseln intensiviert"

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Die Spannungen zwischen China und Taiwan nehmen zu. Peking tue alles, um Taiwan einzuschüchtern, sagt der Deutschland-Vertreter des Inselstaats, Jhy-Wey Shieh, im Interview.

Kampfjet der chinesischen Luftwaffe auf einem Flugzeugträger, Archivbild
Kampfjet der chinesischen Luftwaffe auf einem Flugzeugträger, Archivbild
Quelle: ap

Der Diplomat Jhy-Wey Shieh vertritt Taiwan in Deutschland. Er spricht im Interview über das Misstrauen gegenüber China, Parallelen zum Vorgehen Russlands in der Ukraine und darüber, was sein Land von der Bundesregierung erwartet.

ZDFheute: Kürzlich sind Dutzende chinesische Kampfjets in den taiwanesischen Verteidigungsluftraum eingedrungen. Sind das nur Einschüchterungsmanöver?

Jhy-Wey Shieh: Mehr als das. China hat das Säbelrasseln sogar intensiviert. Die tun alles, um Taiwan einzuschüchtern. China sagt: Wenn wir wollen, können wir jederzeit einen Invasionskrieg vom Zaun brechen.

Das ist nicht neu, doch es wird in letzter Zeit immer intensiver betrieben. Wenn irgendetwas passiert, dann brauchen die keine Begründung, sondern nur eine Ausrede, um Taiwan zu schlucken.

ZDFheute: Das bedeutet: China könnte schon bald Taiwan angreifen?

Jhy-Wey Shieh: 40 Prozent der Kriegsschiffe, die letztes Jahr ins Meer gelassen wurden, stammen aus China. China hat 79 U-Boote und wir nur vier veraltete. Wenn die wollen, würden die in der Lage sein, Taiwan anzugreifen.

ZDFheute: Trotz der derzeitigen Ukraine-Situation?

Jhy-Wey Shieh: Über den Invasionskrieg Russlands gegen die Ukraine gibt es zwei Interpretationen. Die meisten europäischen Analytiker und Strategen meinen: Xi Jinping wird nach dem Russland-Debakel vorerst die Finger von Taiwan lassen.

Es kann aber auch sein, dass Xi sagt: Es wird einen grausamen und effizienten Blitzkrieg geben. In 72 Stunden könnten dann die fünf wichtigsten politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Zentralen Taiwans gleichzeitig bombardiert werden.

Innerhalb kurzer Zeit würden taiwanesische Großstädte dem Boden gleichgemacht.
Jhy-Wey Shieh

Die Alliierten würden es dann zeitlich nicht schaffen, uns zu unterstützen.

ZDFheute: Also könnte China Taiwan sogar in den nächsten Wochen angreifen?

Jhy-Wey Shieh: Die hätten uns schon gestern angreifen können. Seit dem Tian'anmen-Massaker trauen wir den chinesischen Kommunisten nicht mehr über den Weg.

Das muss nicht für die Europäer unbedingt logisch sein.
Jhy-Wey Shieh

Wenn China meint: "Wir schaffen das", dann wird China es definitiv tun.

ZDFheute: Gibt es Parallelen zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine?

Jhy-Wey Shieh: Wenn man den Aufsatz von Putin über die russisch-ukrainische Geschichte gelesen hat, sieht man sehr große Gemeinsamkeiten zwischen Putins Ukraine-Haltung und Chinas Gesinnung gegenüber Taiwan. Das ist beides krankhafter Nationalismus.

Putin und Xi wollen das Rad der Zeit zurückdrehen.
Jhy-Wey Shieh

Wo kämen wir bloß hin, wenn man sagt: Wir waren einmal eine Familie, also muss man uns vereinen? Ich habe immer konstatiert: Taiwan ist eine Demokratie, China eine Diktatur. Eine Demokratie kann nicht Teil einer Diktatur werden.

Wir Taiwaner sind ein Leuchtturm der Freiheit. Wir bedrohen China mit unserer Demokratie. Wie es die Ukraine mit Russland macht.
Jhy-Wey Shieh

ZDFheute: Zeigt Deutschland genug Solidarität mit Taiwan?

Jhy-Wey Shieh: Es kommt auf die Perspektive an. Im Prinzip sind wir Deutschland sehr dankbar. Dass der Bundestag sich für die Beteiligung Taiwans an der WHO eingesetzt hat, ist bahnbrechend. Der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat Taiwan beim Namen genannt und unsere Einbeziehung gefordert.

Natürlich gibt es noch Lücken, die geschlossen werden könnten. Dann wäre die Situation noch schöner.

ZDFheute: Militärische Hilfe hat Deutschland Taiwan im Falle eines Angriffskrieges aber nicht zugesagt.

Jhy-Wey Shieh: Vorerst nicht. Wir sind aber in vielerlei Hinsicht wichtig und unverzichtbar. Zum Beispiel bei der Produktion von Halbleitern. Das müssen sich die Deutschen, die Europäer und die Amerikaner bewusst machen. Verliert man Taiwan, verliert man mehr als nur einen starken Handelspartner.

ZDFheute: Abgesehen vom Militär: Was kann Deutschland noch machen, um Taiwan zu unterstützen?

Jhy-Wey Shieh: Wenn ich meine tiefsten Herzenswünsche offen aussprechen würde, wäre ich kein Diplomat, sondern "Problemat". Das Schönste wäre natürlich, wenn Deutschland Taiwan als einen souveränen Staat anerkennt. Wir wissen: Das wird Zeit brauchen.

Jetzt müssen sich die Deutschen überlegen, ob die sogenannte Ein-China-Politik angemessen ist. Denn seit Taiwans Demokratisierung ist sie überflüssig. Taiwan und China konkurrieren nicht. Hier konkurrieren eine Diktatur und eine Demokratie.

Ich würde Deutschland sehr empfehlen, auf die Ein-China-Politik zu verzichten. Es muss eine China-Politik geführt werden, die dem Zeitgeist besser entspricht.
Jhy-Wey Shieh

Das Interview führte Benedict Holland. Der Text wurde in Absprache mit der taiwanesischen Repräsentanz gekürzt. Das komplette Interview sehen Sie oben im Video.

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