Seit Jahren wird die muslimische Minderheit der Uiguren in China systematisch unterdrückt. Qelbinur Sedik ist eine davon. Sie berichtet von Folter und Zwangssterisilisierung.
Im Auswärtigen Amt ist eine Uiguren-Delegation zu Gast, um auf die chinesische Unterdrückung ihrer Volksgruppe aufmerksam zu machen.
Hunderttausende Uiguren sind in chinesischen Internierungslagern gefangen. Dass dort gravierende Menschenrechtsverletzungen stattfinden, ist spätestens seit den Xinjiang Files klar.
Qelbinur Sedik hat 9 Monate lang hautnah miterlebt, was hinter den verriegelten Toren dieser Lager vorgeht. Sie konnte sich nach Europa retten und hat jetzt ihre Erlebnisse ZDFheute geschildert.
Uigurin: Folter in so genannten Internierungslagern
Unschuldige Frauen seien wie Schwerverbrecher behandelt worden. "Ihnen wurden die Haare kurzgeschoren. Sie mussten Uniformen tragen und immer wieder zum Verhör. Grausame Schreie sind dann aus dem Verhörraum gedrungen", sagt Sedik.
"Am Anfang meiner Arbeit dort habe ich gesehen, wie eine junge Frau durch Folter verblutet ist. Die Wachmänner haben sie einfach weggetragen, als ob nichts passiert wäre. Davon habe ich jetzt immer wieder Albträume."
Auch Vergewaltigungen seien an der Tagesordnung gewesen. Dabei habe sie gehört, wie die Wachmänner gelacht hätten. Immer wieder sei das vorgekommen. "Das werde ich nie vergessen", erzählt sie.
Xinjiang Police Files, das Datenleak gibt nie gesehene Einblicke in eine brutale Masseninternierung von Uiguren und muslimischen Minderheiten in China.
Bericht über Zwangssterilisation von Uigurinnen
Früher war Qelbinur Sedik Beamtin der chinesischen Regierung. Sie unterrichtete an einer Schule, Fotos zeigen sie zwischen lachenden Kindern. Eigentlich, sagt Sedik, habe sie sich in Xinjiang sicher gefühlt:
Jetzt frage sie sich: "Was müssen bloß die anderen Uiguren durchmachen, wenn selbst ich so behandelt werde?"
Außerhalb des Internierungslagers gehe es nicht besser zu. "Dort werden die Uiguren auch verfolgt. Es gibt fast keine Privatsphäre."
Überwachung bis ins Familienleben hinein
In ihrer Stadt habe bei jeder uigurischen Familie ein chinesischer Beamter gelebt. Er habe alles protokolliert – vom Frühstück bis zum Familienstreit. Sedik: "Das muss man sich mal vorstellen: Ein fremder Mann kommt und schläft im eigenen Haus, während der eigene Mann in einem Internierungslager festsitzt."
Eigentlich wollte Qelbinur Sedik zusammen mit ihrem Mann in die Niederlande fliehen, wo ihre Tochter lebt. Eigentlich. Am Ende ist es ganz anders gekommen. Nur Qelbinur Sedik durfte reisen.
Nach ihrer Ankunft in Europa habe sie erstmal geschwiegen, sagt Sedik. "Doch das konnte ich nach einer Weile nicht mehr mit meinem Gewissen vereinbaren. Dann habe ich mich dazu entschieden, die Stimme der Uiguren zu werden und mit Medien zu sprechen."
Die UN-Menschenrechtskommissarin Bachelet schwieg bei ihrem China-Besuch zu den Bedingungen, unter denen die Uiguren in Xinjiang leben.
Leben in Ungewissheit
"Bald darauf habe ich Anrufe aus China bekommen. Auch von meinem Mann kamen welche. Er hat mir vorgeworfen, dass ich Lügen erzähle", sagt die 53-Jährige niedergeschlagen. Sie hält sich an der Vermutung fest, dass er diese Aussagen nicht freiwillig machte. Das Schlimmste: "Die chinesische Regierung hat ihn dazu gezwungen, sich von mir scheiden zu lassen."
Ob sie weiß, was jetzt mit ihm passieren wird? Diese Frage quält Qelbinur Sedik. Sie kann keine Antwort darauf finden.