In einem neuen Bericht wirft Amnesty International China vor, mit seiner Kampagne gegen muslimische Minderheiten in Xinjiang "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" zu begehen.
Die systematische Unterdrückung muslimischer Minderheiten in der chinesischen Region Xinjiang erfülle laut der Menschenrechtsorganisation Amnesty International die Kriterien für "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" und verstoße damit gegen das Völkerrecht.
In den vergangenen Jahren seien Hunderttausende chinesische Muslime inhaftiert und gefoltert worden. Darüber hinaus würden Millionen Staatsbürger wegen ihrer Religionszugehörigkeit systematisch überwacht.
In einem am Donnerstag veröffentlichten Amnesty-Bericht schildern mehr als 50 frühere Lagerinsassen das Ausmaß der Unterdrückung.
Kultur, Sprache und Religion sollen eliminiert werden
Unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung versuche der chinesische Staat die religiösen Praktiken, kulturellen Traditionen und Sprachen muslimischer Gruppen zu eliminieren, schreibt Amnesty International. Neben Uiguren seien davon auch ethnische Kasachen, Usbeken und andere Minderheiten betroffen.
System der Willkür
Die von Amnesty International befragten früheren Inhaftierten gaben an, für Handlungen festgenommen worden zu sein, die in China völlig legal seien. Schon der Besitz religiöser Bilder oder Kommunikation mit Personen im Ausland hätten gereicht, um in ein Lager gesteckt zu werden.
Die Haft habe meist zwischen neun und 18 Monaten gedauert, berichten die Betroffenen. Weshalb sie letztlich wieder freikamen, sei ihnen vielfach nicht klar. "Transparente Kriterien oder Rechtsbeistand fehlen völlig", schreibt Amnesty International. Die Verfolgung der muslimischen Minderheiten finde so gänzlich außerhalb des chinesischen Rechtssystems statt.
Gewalt und Indoktrination
Häftlinge schildern einen Alltag voller Indoktrination. Jeder Aspekt des Lebens sei reguliert, wer gegen die zahllosen Regeln verstieße, würde brutal bestraft.
Häftlinge würden kollektiv für Vergehen ihrer Zellengenossen bestraft. Tagelang würden sie in unbequeme Körperhaltungen gezwungen.
Der chinesische Staat betonte hingegen in der Vergangenheit wiederholt, dass die Menschen sich "freiwillig" in den Lagern befinden würden. Peking beschreibt seine Maßnahmen vor allem als Wirtschaftshilfen und Ausbildungsprogramme.
Lager sind nur Teil einer breiteren Kampagne
"Die Überwachungskameras sind quasi überall. (…) Die Diskriminierung ist so offensichtlich. Wenn ich einen Zug besteige, wird nichts geprüft, aber bei den Uiguren mir gegenüber werden Tickets und Handys überprüft. Im Bahnhof gibt es zwei Schlangen, eine für Uiguren und eine für Han-Chinesen ohne Gesichtserkennung", berichtet ein Zeuge, der zur Mehrheit der Han-Chinesen gehört.
Ein Regierungsbeamter berichtet Amnesty International detailliert darüber, wie sie in muslimischen Vierteln religiöse Artefakte konfiszierten: "Wir mussten alles ausräumen, was mit Religion zu tun hatte. (…) Wir wiesen sie auch an, alles zu entfernen, was in Arabisch geschrieben war."
Drastisch sinkende Geburtenrate
Menschenrechtler kritisieren auch weitreichende staatliche Eingriffe in die Familienplanung der muslimischen Minderheiten. Medien und frühere Häftlinge berichten immer wieder von Zwangssterilisationen.
Dem australischen Forschungsinstitut ASPI zufolge ist seit Beginn der Maßnahmen die Geburtenrate in Xinjiang so drastisch gesunken, wie in keinem anderen Land weltweit seit Beginn der UN-Datenerfassung vor 71 Jahren. Zwischen 2017 und 2019 habe sie sich etwa halbiert.
Enorme Anstrengungen für Vertuschung
All diese Vorwürfe leugnet die chinesische Regierung. Jonathan Loeb, Autor des Amnesty-Berichts, sagt dazu: "Die chinesische Regierung unternimmt außerordentliche Anstrengungen, um ihre Verstöße gegen internationale Menschenrechtsnormen in Xinjiang zu vertuschen."
Weiterhin in Xinjiang aktiv sind deutsche Firmen wie Volkswagen. Auch gibt es Anzeichen, dass in Arbeitslagern gefertigte Produkte in globalen Lieferketten landen. Zahlreiche chinesische Firmen nutzen uigurische Häftlinge als billige Zwangsarbeiter. "Jede Firmenaktivität in Xinjiang könnte direkt oder indirekt mit Menschenrechtsverletzungen in Verbindung stehen", sagte Callamard.
- Gesetz bringt deutsche Firmen in Bedrängnis
Deutsche Firmen könnten bald gezwungen sein, ihre Geschäfte in der chinesischen Provinz Xinjiang einzuschränken oder zu stoppen. Grund dafür ist das geplante Lieferkettengesetz.