Biden und Xi beim G20-Gipfel: Fortschritte dank klarer Worte

    Biden und Xi beim G20-Gipfel:USA und China: Fortschritte dank klarer Worte

    Elmar Theveßen
    von Elmar Theveßen
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    Schon vor dem Beginn des G20-Gipfels auf Bali gibt es gute Neuigkeiten. Die USA und China sind sich - trotz harter Differenzen - nähergekommen. Russland wirkt zunehmend isoliert.

    Indonesien, Bali: US-Präsident Joe Biden (r.) steht neben dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping
    Klarheit durch deutliche Worte und ein Zeichen in Richtung Moskau: US-Präsident Joe Biden und der chinesische Präsident Xi Jinping im Vorfeld des G20-Gipfels.
    Quelle: Kevin Lamarque/Reuters

    Sie sind sich einig, dass sie sich uneinig sind in dieser wohl wichtigsten Frage bei ihrem Treffen: Taiwan ist für Joe Biden und Xi Jinping die allererste und am tiefsten rote Linie. Der chinesische Präsident machte nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua klar, dass Taiwan für China "zum innersten Kern der Kernfragen" gehört. Das sei eine "interne Angelegenheit" und wer versuche, "Taiwan von China abzuspalten", verletzte "die fundamentalen Interessen der chinesischen Nation".
    Das weiß Xis amerikanischer Amtskollege natürlich ganz genau, und deshalb lässt Biden keinen Zweifel daran, dass er Chinas "erpresserisches und aggressives Verhalten" gegenüber Taiwan verurteilt und eine "einseitige Veränderung des Status Quo" nicht hinnehmen würde. Mit anderen Worten - eine Wiedervereinigung Taiwans mit dem chinesischen Festland kann es nur geben, wenn die taiwanesische Bevölkerung zustimmt.

    Stabilität in der Krise als Ziel der USA und Chinas

    Das ist derzeit wohl völlig unvorstellbar - und so hat das offene Aussprechen der allerersten roten Linie für beide Seiten vor allem einen Zweck: Stabilität, wenigstens bis auf weiteres. Denn alles andere können weder die USA noch China gebrauchen angesichts einer drohenden Weltwirtschaftskrise. Es ist dieses Interesse, das nicht nur den sehr freundlichen Handschlag der beiden vor laufenden Kameras ermöglichte, sondern auch ein paar bemerkenswerte Ergebnisse der dreistündigen Beratung.
    Arbeitsgruppen auf Kabinettsebene sollen nach gemeinsamen Lösungen für die größten Probleme der Welt suchen - Klimawandel, Schuldenkrise, Nahrungsmittelknappheit, neue Pandemien. Das geht offenbar - obwohl oder weil man sich sonst ziemlich ungeschminkt die Meinung sagte.

    Klare Worte statt Unberechenbarkeit

    Es erinnerte ein Stück weit an die Worte von US-Präsident Ronald Reagan im Juni 1988. "Es ist die erste und wichtigste Niederlage, die freie Nationen jemals erleiden können", so Reagan bei einer außenpolitischen Grundsatzrede in London, "wenn freie Völker aufhören, die Wahrheit über und zu ihren Gegnern zu sagen, hören sie auf, sich selbst die Wahrheit zu sagen. In Staatsangelegenheiten hört die Wahrheit auf zu existieren, wenn sie nicht ausgesprochen wird."
    Ein Jahr vorher hatte der Amerikaner bei seinem Deutschlandbesuch den russischen Präsidenten Michail Gorbatschow aufgefordert, die Berliner Mauer niederzureißen. Klare Worte klären die Positionen, sodass ein Stück Unberechenbarkeit verschwindet.

    Dialog lässt Streitpunkte nicht aus

    Also prangerte Joe Biden im Gespräch die Menschenrechtsverletzungen in China an, Xi Jinping machte seinem Unmut über die amerikanischen Handelsbeschränkungen Luft. Vor einigen Wochen hatte die US-Regierung jedweden Transfer modernster Halbleitertechnologien nach China verboten.
    Vor G20-Gipfel: Treffen von Biden und Xi
    Auf Bali wolle Joe Biden "rote Linien definieren", so ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen. Xi Jinping gehe es um "bessere Handelsbeziehungen", sagt ZDF-Korrespondentin Miriam Steimer.14.11.2022 | 5:55 min
    Selbst Mikrochips aus anderen Ländern, in denen amerikanisches Know-how steckt, sollen auf keinen Fall in die Hände des Rivalen fallen; es war gewissermaßen eine Kriegserklärung an die chinesische Wirtschaft, die auf die allerneueste Technik angewiesen ist. Da werde ein Handelsboykott "als Waffe eingesetzt", klagte Xi. Dass China die US-Technologie auch zum Bau neuer Atomraketen nutzt, verschwieg er wohlweislich.

    Deutliches Zeichen in Richtung Moskau

    Immerhin wurde dadurch deutlich, wie sehr der autoritäre Staatschef um den wirtschaftlichen Fortschritt in seinem Land fürchtet. Wohl deshalb trug Xi Jinping, wer hätte das gedacht, heute ein kleines, aber wichtiges, Stück zu Isolierung Russlands bei.
    Beide Seiten waren sich einig, dass es keinen Nuklearkrieg geben kann und darf, dass der Einsatz von Atomwaffen, ja schon die Androhung eines Einsatzes, sie einzusetzen, niemals akzeptabel ist. Solch eine Formulierung, so heißt es aus diplomatischen Kreisen auf Bali, werde auch in der Abschlusserklärung des G20-Gipfels stehen.
    Benner zu G8 auf Bali
    "Die Beziehung zwischen Biden und Xi ist wohl die wichtigste Beziehung der Welt", sagt Thorsten Benner vom Global Public Policy Institute und rät, die Gefahr eines Großmachtkonflikts ernst zu nehmen.14.11.2022 | 5:44 min

    Klare Worte schaffen Klarheit

    Die Teilnehmer gehen sogar noch einen Schritt weiter: Sie wollen den Krieg verurteilen. Russland konnte die Formulierung wohl nicht verhindern, denn bei den Beratungen über den Text hatte China sich geweigert, die Position der russischen Regierung zu unterstützen.
    Eine rote Linie also auch für Wladimir Putin, weil die Weltwirtschaft, so sehen es die anderen Gipfelstaaten, sich nicht erholen kann, wenn Russland diesen Krieg nicht bald beendet. Klare Worte schaffen Klarheit.

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