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Wenn Finnland der Nato beitritt : Eskaliert nun der Streit mit Russland?

Datum:

Mit dem Beitritt Finnlands bekommt Russland eine 1.300 Kilometer lange Grenze zu einem Nato-Land. Was heißt das für das Verhältnis beider Länder? Wie ernst sind Putins Drohungen?

Finnland, Säkylä: Ein Soldat nimmt an einer Krisenmanagementübung der Finnischen Internationalen Bereitschaftstruppe (SKVJ) teil. Archivbild
Finnland, Säkylä: Ein Soldat nimmt an einer Krisenmanagementübung der Finnischen Internationalen Bereitschaftstruppe (SKVJ) teil. Archivbild
Quelle: Heikki Saukkomaa/Lehtikuva/dpa

Angesichts der russischen Invasion in der Ukraine wollen Schweden und Finnland unter den Nato-Schutzschirm. Tritt Finnland tatsächlich dem Verteidigungsbündnis bei, hätte Russland plötzlich ein weiteres Nato-Mitglied quasi vor der Haustür - rund 1.300 Kilometer lang ist die gemeinsame Grenze zu den Finnen.

Der russische Präsident Wladimir Putin kündigt bereits eine militärische Reaktion an. Wie ist das Verhältnis beider Länder? Was bringt Finnland in die Nato mit ein und wie könnte Russland konkret reagieren? Was Militärexperten sagen - ZDFheute mit einem Überblick.

Wie angespannt ist die Situation zwischen Finnland und Russland?

Das Verhältnis der beiden Nachbarn ist kompliziert, seit im sogenannten Winterkrieg 1939/40 die Sowjetunion einen Angriff auf Finnland startete. Die Finnen wehrten die Invasion erfolgreich ab und demütigten so die eigentlich übermächtige Rote Armee. Die Erinnerung daran sei "immer noch präsent, in allen Generationen", sagte Finnlands Präsident Sauli Niinistö in einem Interview mit ZDFheute. Seit dem Krieg verfolgt Finnland das Konzept der totalen Verteidigung: Alle Teile der Wirtschaft und Politik haben einen Krisenplan, jeder spielt eine Rolle, um das Land zu schützen.

Karte: Finnland und Russland
Finnland und Russland haben eine gemeinsame Grenze von rund 1.300 Kilometern.
Quelle: ZDF

Die Finnen hätten sich Jahrzehnte lang darauf vorbereitet, "dass sie sich im Zweifel alleine gegen Russland zur Wehr müssen", erklärt Militärexpertin Claudia Major von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Das Land sei es gewohnt, dass Russland seinen Luftraum verletze, dass es Cyber-Angriffe gibt, dass Russland droht, das Gas abzudrehen - deshalb hätten die Finnen ihren Energie-Sektor längst diversifiziert, so Major. Und sie seien in Bezug auf Russland "ziemlich gelassen - sie sind verwundert, warum wir in Deutschland die Frage nach der Eskalation stellen."

Sie sehen die Nato als zusätzliches Element, um die Wahrscheinlichkeit eines Angriffs zu reduzieren behiehungsweise den Preis dafür in die Höhe zu treiben. Sie sind trotzdem immer noch darauf vorbereitet, sich selbst zu verteidigen.
Militärexpertin Claudia Major

Was bringt Finnland in die Nato ein?

Weil sich Finnland schon lange auf den Ausbau seiner Verteidigungsfähigkeiten konzentrierte, verfügt es über eine vergleichsweise gut aufgestellte Armee. Finnland hat zwar nur fünfeinhalb Millionen Einwohner, kann aber auf eine beträchtliche Truppenstärke zurückgreifen: "Wir sind in der Lage, 280.000 bis 300.000 Männer und Frauen innerhalb weniger Tage zu mobilisieren", sagte der frühere finnische Ministerpräsident Alexander Stubb bereits im April. Zudem könnte Finnland bei einer General-Mobilmachung 870.000 Reservisten mobilisieren.

"Sie haben sehr gute Cyberkräfte, beste Artillerie, 64 F-35-Kampfflugzeuge bestellt, der Verteidigungshaushalt bei über zwei Prozent. Und ein gutes umfassendes Verteidigungskonzept, das die Bevölkerung und alle Bereiche mitdenkt, inklusive  Vorräte an Medikamenten und Schutzbunkern", erklärt Major.

Zudem startet die Nato-Integration der finnischen Streitkräfte nicht bei Null, sondern ist auch schon vor dem Beitritt sehr weit gediehen. So erklärt Thierry Tardy, Forschungsdirektor am Nato Defense College in Rom gegenüber ZDFheute:

Finnland und Schweden sind die bestintegrierten Partner - und in vielen Punkten besser kompatibel mit Nato-Kräften als manche der neueren Mitglieder.
Thierry Tardy, Nato Defense College

Finnland gehört zu einer Gruppe an ausgewählten Partnerstaaten, die auch ohne Mitgliedschaft bereits etwa an Nato-Übungen teilnehmen.

Werden nun Nato-Truppen und -Infrastruktur auch in Finnland stationiert?

Unklar - das wird erst im kommenden Jahr entschieden. Denkbar wäre, dass Finnland zwar Mitglied der Nato wird, aber kaum oder nur wenig Nato-Truppen dort stationiert werden - so war es auch bei der Nato-Osterweiterung, als die Staaten Mittel- und Osteuropas der Nato beitraten und in der Nato-Russland-Grundakte von 1997 die freiwillige Selbstverpflichtung der Nato festgehalten wurde, keine permanenten, substanziellen Kampftruppen in den neuen Mitgliedstaaten zu stationieren.

"Natürlich wird kein Land gezwungen, Nato-Truppen aufzunehmen. Aber die Nato-Verteidigungsplanung wird jetzt von Grund auf überholt", so Major. "Die Grundsatzfrage ist: Was braucht man, um Finnland und Schweden im Notfall verteidigen zu können? Daraus, und aus den nationalen Wünschen, leitet sich dann ab, welche Truppen und Material dort stationiert werden."

Wie könnte Russland reagieren?

"Putins geostrategische Landkarte hat sich gerade verändert", sagt Militärexperte Christian Mölling von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Der russische Präsident erklärte zwar, er sehe in der Nato-Norderweiterung an sich keine Bedrohung, stellte jedoch eine militärische Reaktion in Aussicht, sobald die Nato militärische Strukturen aufbauen würde: "Werden dort jetzt Truppen stationiert und Infrastruktur eingerichtet, so werden wir gespiegelt antworten müssen und dieselben Bedrohungen für das Territorium schaffen, von dem aus wir bedroht werden", sagte Putin. "Alles war gut zwischen uns, aber jetzt wird es irgendwelche Spannungen geben - das ist offensichtlich, zweifelsfrei, ohne geht es nicht."

Mölling jedoch sieht diese Drohungen eher gelassen: "Ob Putin ein paar Panzer verschiebt, wird nichts ändern. Es wäre beinahe verwunderlich, wenn er nicht reagieren würde. Aber das macht er eher aus symbolischer Sicht." Man dürfe nicht vergessen, dass das russische Militär am Ende des Sommers "erschöpft" sei, so Mölling.

Wenn die Nato-Front länger wird, ist das ein echtes Problem für Putin, weil er nicht so schnell neue Truppen aufstellen und moderne Waffen produzieren kann.
Militärexperte Christian Mölling
Montage: Wladimir Putin und Wolodymyr Selenskyj vor einem Blick auf das zerstörte Mariupol

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