Lange hieß es, es gebe keine Impfpflicht. Jetzt ist die Lage anders. Das Vertrauen vieler Ungeimpfter und Geimpfter ist geschädigt, erklärt Psychologin Schmelz.
Am Donnerstag haben Bund und Länder im Rahmen ihres Treffens auch über eine allgemeine Impfpflicht gegen das Coronavirus diskutiert.
Das Ergebnis: Der Bundestag soll bald über eine allgemeine Impfpflicht entscheiden, ohne Fraktionsdisziplin. Ab Februar 2022 - bis dahin sollen alle Willigen geimpft werden können - könne die Pflicht greifen. Der Ethikrat soll bis Jahresende eine Empfehlung erarbeiten. Der designierte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte sich schon im Vorfeld für eine Impfpflicht ausgesprochen:
Kann eine solche Impfpflicht psychologisch gesehen zielführend sein? Verhaltensökonomin Katrin Schmelz vom Exzellenzcluster zur Politik von Ungleichheit an der Uni Konstanz erklärt, was eine Pflicht auslösen könnte.
Was bewirkt eine Impfpflicht bei Ungeimpften?
"Das wird ganz unterschiedliche Sachen machen mit den Personen, weil einfach ganz unterschiedliche Beweggründe dahinterstehen", sagt Katrin Schmelz. Manche Menschen hätten dann vielleicht das Gefühl, ihnen werde die Entscheidung abgenommen.
[So regeln andere EU-Länder die Corona-Impfungen.]
Wie verhält es sich mit einer Impfpflicht aus psychologischer Sicht?
Eine Impfpflicht alleine hält die Psychologin und Verhaltensökonomin für problematisch. Zusätzlich müsse begleitend Aufklärung und Überzeugungsarbeit geleistet werden.
Die Gründe dafür können laut Schmelz vielfältig sein, von der Angst vor dem Impfstoff, über politische Gründe bis zum grundsätzlichen Gefühl, in der Gesellschaft nicht dazuzugehören. "Das muss man ernst nehmen und darauf eingehen", erklärt sie.
Gibt es einen Zusammenhang zwischen Impfbereitschaft und Regierungsvertrauen?
Schmelz‘ Forschungen zeigen, dass eine Impfpflicht eher akzeptiert werde, wenn man verstehe, warum sie wichtig und sinnvoll sei. Das gelte vor allem für Ungeimpfte.
"Das ist eine Gruppe, bei denen viele schon ein angeschlagenes Vertrauen in die Regierung haben", so die Psychologin. Sie sehe in ihren Studien, dass Vertrauen in die Regierung, auch in die Medien und in die Wissenschaft, wichtig sei für die Impfbereitschaft.
Die Politik in Deutschland habe eben immer versichert, dass die Impfung freiwillig bleibe, dass es keine Pflicht geben werde. "Und jetzt eine Impfpflicht einzuführen, ist für diese Menschen ein Vertrauensbruch." Gleichzeitig könne mit einer Impfpflicht das Vertrauen der Geimpften aufrechterhalten werden, dass die Regierung die Impfquote steigere, um die Pandemie in den Griff zu bekommen.
Schmelz mahnt, dass wir längerfristig die Kooperation in unserer Gesellschaft bräuchten, weil wir noch große Herausforderungen vor uns haben: "Denken wir zum Beispiel an den Klimawandel oder an die Ungleichheit in unserer Gesellschaft."