Bund und Länder haben beschlossen, dass der Abstand zwischen Erst- und Zweitimpfung mit Astrazeneca verkürzt werden kann. Experten sehen diesen Schritt kritisch.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat nach Beratungen mit seinen Länderkollegen in Berlin mitgeteilt, dass es in Zukunft möglich sein soll, den Abstand zwischen der ersten und der zweiten Dosis bei Impfungen mit Astrazeneca zu verkürzen. Es liege dann im Ermessen des Arztes, wann der vollständige Impfschutz eintrete.
Laut dem Bund-Länder-Beschluss könne der Abstand zwischen vier und zwölf Wochen variieren.
Astrazeneca-Geimpfte müssten dann weniger lang warten bis zum Wegfall von Corona-Einschränkungen.
- Spahn: Astrazeneca bundesweit frei - für alle
Gesundheitsminister Jens Spahn gibt Astrazeneca bundesweit für alle Erwachsenen frei. Das Ganze gilt ab sofort. Bisher ist der Impfstoff allerdings kaum gefragt.
Immunologe sieht die Verkürzung kritisch
Professor Carsten Watzl, Leiter des Forschungsbereichs Immunologie am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund sieht die von Gesundheitsminister Spahn vorgeschlagene Verkürzung des Zeitraums zwischen Erst- und Zweitimpfung kritisch: "Studien haben klar gezeigt, dass die Effektivität bei einem Abstand von weniger als sechs Wochen nur 55 Prozent beträgt und erst bei einem Abstand von zwölf Wochen bei über 80 Prozent liegt! Das ist schon ein gewaltiger Unterschied. Daher muss man den Menschen klar sagen:
Neue Impfschemata können sich somit einerseits auf den Schutz des Einzelnen in Form der Wirksamkeit, aber auch auf gesamtgesellschaftliche Eindämmung der Pandemie auswirken.
Unterschied zu mRNA-Impfstoffen groß
Der entscheidene Faktor beim Impfstoff von Astrazeneca sei, dass es sich dabei nicht um einen mRNA- sondern einen Vektorimpfstoff handle, so Watzl.
Bei der Verkürzung der Impfabstände bei den mRNA-Impfstoffen habe er keine Bedenken: "21 Tage bei Biontech und 28 Tage bei Moderna waren die Abstände, bei denen die Impfstoffe ihre gute Effektivität von rund 95 Prozent gezeigt haben". Bei Astrazeneca sei das Bild aber anders.
Datenlage zu Verkürzung der Abstände noch nicht eindeutig
Dr. Anke Huckriede vom Institut für Medizinische Mikrobiologie der Universität Groningen ist in ihrer Bewertung etwas optimistischer. "Auf Basis der letzten, noch vorläufigen Daten einer Phase-III-Studie, die in den USA durchgeführt wurde, liegt bei einem vierwöchigen Intervall zwischen den Impfungen der Schutz gegen eine symptomatische Erkrankung bei 76 Prozent, bei Älteren sogar etwas höher, erklärt die Professorin für Vakzinologie. Das sei etwa die gleiche Effektivität wie bei einem längeren Impfintervall.
Die Daten dieser Studie seien allerdings seit März noch nicht publiziert worden. Die kombinierte Analyse von vier früheren Studien, die in verschiedenen Ländern durchgeführt wurden, hatte eine niedrigere Effektivität bei einem kürzen Abstand zwischen den Impfungen gezeigt.
Watzl: Freigabe für alle sinnvoll
Die Freigabe des Impfstoffs von Astrazeneca für alle hält Immunologe Watzl an sich für sinnvoll:
Das Risiko der speziellen Sinusvenenthrombosen als Nebenwirkung sei sehr gering. Dagegen sei das Risiko einer schweren Komplikation durch Covid-19 für viele Personen sehr viel höher. Lediglich bei den unter 30-Jährigen würde er zur Verwendung eines mRNA-Impfstoffes raten.
- Corona-Welle brechen: 3 Länder im Vergleich
Wie unterschiedlich haben Deutschland, Schweden und Großbritannien auf die dritte Welle reagiert?