Astrazeneca-Impfen ausgesetzt, Impfgipfel abgesagt: Die Kritik an der Bundesregierung wächst. Die Grünen sprechen von "Debakel", die FDP von einer "schweren Fehlentscheidung".
Morgen hätten sich Bundesregierung, Hersteller, Experten eigentlich getroffen, um die stockende Impfkampagne in Gang zu bringen. Nach dem Stopp der Impfungen mit Astrazeneca am Montag wurde der Gipfel jedoch verschoben. Die Kritik ist groß.
Neben Astrazeneca viele Probleme nicht gelöst
"Falsch", sagt Janosch Dahmen, Grünen-Bundestagsabgeordneter und Gesundheitsexperte, sei diese Verschiebung. "Angesicht der großen Mengen an Fragen, die im Raum stehen, und der völlig unabhängig von Astrazeneca ins Stocken geratenen Impfkampagne wäre eine Abstimmung mit allen Beteiligten dringend geboten", sagt Dahmen.
Viele Probleme seien nicht gelöst. Der Impfstopp habe neue aufgezeigt: "Wenn Impfzentren aus den Nachrichten erfahren müssen, dass es ein Problem gibt, dass überstürzt Impfstoff weggeworfen wird und im großen Stil Termine abgesagt wurden, dann ist das fatal", so Dahmen. "Das darf nicht wieder passieren." Wichtig sei jetzt auch die Frage: Wie geht es weiter?
Nach der "Schnellschussreaktion", die Impfung mit Astrazeneca zu stoppen, müsse das Bundesgesundheitsministerium jetzt eine Kommunikationskampagne auf den Weg bringen. Dahmen:
"Die Bundesregierung hat zu einer Verwirrung um den Impfstoff in Europa beitragen statt ein gemeinsames Vorgehen zu wählen", kritisiert er.
FDP: Eine "schwere Fehlentscheidung"
Auch die FDP kritisiert die Verschiebung des Gipfels. Sie sei eine "schwere Fehlentscheidung", sagt der Parteivorsitzende Christian Lindner. Nach dem Stopp von Astrazeneca gebe es eher mehr als weniger zu besprechen, die Menschen seien verunsichert.
Die Bundesregierung müsse Gespräche mit Herstellern suchen, um den Impfstoff zu ersetzen, erklären, auf welcher Grundlage entschieden wurde:
Nach Informationen der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) ist der Gipfel jetzt für Freitag geplant. "Richtig" findet das auch ihr Kollege aus München, Markus Söder (CSU). Es müssten derzeit noch Fragen rund um Astrazeneca geklärt werden. "Es gibt zurzeit mehr Fragen als Antworten", so Söder.
Auch Rudolfe Henke, Berichterstatter für Infektionskrankheiten der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, hält es für "sinnvoll", die Sitzung der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA am Donnerstag abzuwarten. Außerdem hätten die Gesundheitsminister der Länder bereits festgelegt, wie sich die Impfstrategie weiterentwickeln soll. "Ich wünsche mir sehr", so Henke, "dass diejenigen, die aufgeklärt sind und wollen, sich dann auch wieder mit Astrazeneca impfen lassen können."
Freiwillige trotzdem mit Astrazeneca impfen?
Mit dieser Forderung steht Henke nicht allein. Grünen-Abgeordneter Dahmen ist ebenfalls dafür: Es wäre richtig gewesen, sagt er, dass sich Menschen nach einer Risikoaufklärung weiter mit Astrazeneca freiwillig impfen lassen können. Dann wäre es nicht zu einer "Vollbremsung" wie jetzt kommen. Auch in der FDP und der SPD ist man dafür.
- Wie die Forschung den Impfstopp begründet
In Deutschland und vielen anderen EU Ländern wurden die Impfungen mit Astrazeneca ausgesetzt. Klaus Cichutek, Chef des Paul-Ehrlich-Instituts, begründet die Empfehlung im ZDF.
Soll die Prioritätenliste beim Impfen dann aufgegeben werden, um schneller zu werden? CDU-Politiker Henke ist dagegen. "Weil sich viele Menschen mit hohem Erkrankungs- oder Expositionsrisiko auf die nach Dringlichkeit definierte Rangfolge verlassen“, so Henke.
Auch Grünen-Gesundheitsexperte Dahmen ist dagegen: "Wir müssen nur davon wegkommen, sie apodiktisch und bürokratisch umzusetzen und dürfen uns nicht weiter selbst blockieren." Sie müsse aber "Richtschnur" bleiben.
Söder: Prioritätenliste nur noch "Empfehlung"
Ministerpräsident Söder würde die "starre Priorität" in "weitreichende Empfehlungen" umwandeln. Damit könne mehr Geschwindigkeit ins Impfen kommen. Schließlich stamme die Prioritätenliste vom Dezember.
Mit dem Stopp für Astrazeneca könnten viele Menschen nun das Vertrauen in die Impfstrategie verlieren. Ulrich Weigeldt, Vorsitzender vom Deutschen Hausärzteverband, fordert, Anreize zu schaffen fürs Impfen.
Das findet auch Ulrich Weigeldt, Vorsitzender des Hausärzteverbandes. Die Prioritätenliste sei richtig gewesen, um Ältere und Kranke zuerst zu impfen. "Aber jetzt muss man einfach pragmatisch und vernünftig vorgehen." Die Hausärzte könnten die Kranken zuerst auswählen – und statt stundenlang Rumzutelefonieren "die impfen, die sich impfen lassen wollen."
Die Impfverordnung, die die Reihenfolge der Impfgruppen regelt, kann nur vom Bundesgesundheitsministerium geändert werden. Sie war erst vorige Woche geändert worden.