SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach zeigt sich "sehr erleichtert", dass die nächtliche Corona-Ausgangssperre in Kraft bleibt. Zuvor hatte Karlsruhe mehrere Eilanträge abgelehnt.
Es wäre "verheerend" gewesen, wenn die Ausgangsbeschränkungen gekippt worden wären, sagt SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach im ZDF heute journal:update. Das Bundesverfassungsgericht hatte am Mittwochabend mehrere Eilanträge gegen die in der Bundesnotbremse festgelegte nächtliche Ausgangssperre abgelehnt. Ob diese mit dem Grundgesetz vereinbar sei, werde noch im Hauptverfahren geprüft.
ZDF: Die Corona-Ausgangssperre bleibt also weiter bestehen. Sind Sie erleichtert?
Karl Lauterbach: Ich bin sehr erleichtert, in der Tat, weil diese Ausgangsbeschränkung funktioniert. Sie wird derzeit dringend benötigt. Wir haben sie eingeführt im Glauben, dass sie wirken würde. Das zeigt sich jetzt. Und wenn das Bundesverfassungsgericht den Eilanträgen hier stattgegeben hätte, wäre das tatsächlich, muss man sagen, eine mittlere Katastrophe für unsere Politik im Moment gewesen. Daher bin ich sehr erleichtert und glaube auch, im Hauptverfahren wird das Urteil ähnlich sein.
ZDF: Was macht Sie denn so sicher, dass die Ausgangssperre funktioniert? Nur, weil die Infektionszahlen sinken?
Lauterbach: In der Tat ist es so. Das Verfassungsgericht weist darauf hin. Die Sachlage ist wissenschaftlich umstritten, aber die wissenschaftlich höherwertigen Studien zeigen die Wirkung. Und wir sehen die Wirkung auch beim Einsatz der Ausgangsbeschränkungen, beispielsweise in Städten wie Hamburg oder Köln. Somit ist es die Kombination der Dinge, die hier herangezogen werden muss. Die besseren Studien zeigen die Wirkung vorab. Und jetzt sehen wir die Wirkung auch in Deutschland.
ZDF: In den letzten Monaten haben Gerichte die Corona-Maßnahmen der Regierung immer wieder ausgebremst, was zu einem großen Vertrauensverlust geführt hat. Kann dieser Beschluss verloren gegangenes Vertrauen in die Regierung wiedergutmachen oder wird der Groll in der Bevölkerung dadurch noch größer?
Lauterbach: Ich glaube nicht, dass der Groll in der Bevölkerung größer wird, weil die Bevölkerung sieht ja, dass die Notbremse jetzt wirkt. Und das wird mit einer gewissen Erleichterung zur Kenntnis genommen.
Wir haben sehr harte Einschnitte in die Grundrechte der Menschen vorgenommen. Das hat niemand hier leichtfertig getan, das haben wir uns gut überlegt, und das haben wir auch sehr gut begründet. Und ich glaube, die Kombination, dass die Maßnahmen jetzt wirken, dass die dritte Welle gestoppt werden kann, und dass das Bundesverfassungsgericht darin auch keine eilbedürftigen Gegenargumente gesehen hat - das ist schon sehr wichtig.
ZDF: Die Ausgangssperre soll noch bis Ende Juni bestehen bleiben. Gibt es angesichts sinkender Neuinfektionen die Möglichkeit, dass sie schon früher wegfällt? Am Sonntag könnte die Ausgangssperre ja für Genesene und Geimpfte wegfallen.
Lauterbach: Für Genesene und für Geimpfte fällt die Ausgangssperre weg und in der Tat, sie wird auch dort wegfallen, wo wir unter die entsprechenden Grenzwerte rutschen. Das wird ebenfalls für sehr viele Landkreise nach den Modellrechnungen, die wir gemacht haben, Ende Mai der Fall sein. Die Notbremse wird jetzt benötigt, und sie wirkt auch jetzt. Von daher ist dieser Ablehnungsbeschluss der Eilanträge des Bundesverfassungsgerichts äußerst bedeutsam. Denn jetzt wäre es verheerend gewesen, wenn die Ausgangsbeschränkungen gekippt worden wären.
ZDF: Es ist aber noch offen, ob die Ausgangssperre mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Das müssen die Richter noch entscheiden. Wie ist da Ihre Position?
Lauterbach: Ich bin ganz fest davon überzeugt, dass zum Schluss im Hauptverfahren das Ergebnis sein wird, dass die Bundesnotbremse, einschließlich der abendlichen Beschränkungen, richtig gewesen sind. Sie sind wissenschaftlich gut vorbereitet gewesen, und sie wirken in Deutschland. Das wird man später sogar genauer untersuchen können, genauer wissen. Von daher bin ich zuversichtlich, dass das Gericht uns hier zum Schluss Recht gibt.
Das Interview führte die Moderatorin des heute journal:update, Nazan Gökdemir.
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