Die flächendeckende Impfung gegen Corona steht noch am Anfang und schon stellt sich die Frage: Machen Virusmutanten alles direkt wieder hinfällig? Ein Blick auf das, was kommt.
Gerade einmal etwas mehr als elf Prozent der Deutschen haben aktuell eine Erstimpfung erhalten, nicht einmal fünf Prozent den vollen Impfschutz. Und schon jetzt wissen wir: Die britische Mutante verdrängt das ursprüngliche Virus immer weiter. Und dann sind da aktuell noch die südafrikanische und die brasilianische Variante. Weitere sind in Zukunft zu erwarten.
"Viren mutieren, das ist ganz normal", sagt Prof. Bodo Plachter, Virologe an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Dass Mutanten auftreten, hänge auch von der Menge der Viren ab. "Und momentan haben wir weltweit sehr große Mengen."
Impfstoff muss lediglich an Mutante angepasst werden
Überraschend sei allerdings schon, dass das Virus, das ohnehin schon ganz gut an den Menschen angepasst war, innerhalb so kurzer Zeit noch so viel besser geworden sei. Sind die Impfseren von heute also schon komplett Schnee von gestern?
Was aber nicht bedeutet, dass die Entwickler immer wieder zurück auf Start gehen müssen. "Die Baupläne liegen ja vor und sind erprobt", so Professor Carsten Watzl, vom Forschungsbereich Immunologie am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund.
Ein funktionierender Impfstoff müsse also nur noch an die Mutante angepasst werden - aber nicht chemisch komplett neu entwickelt: "Wenn ich mich an das gleiche Prozedere halte, kann ich das als Hersteller innerhalb überschaubarer Zeiträume umsetzen."
- Alles zu Corona-Impfstoffen im Überblick
Welche Impfstoffe sind zugelassen und wie wirken sie? In welcher Priorisierungsgruppe bin ich? Und bekomme ich durch die Impfung gesellschaftliche Privilegien? Fragen und Antworten
Neue Covid-Impfstoffe innerhalb "zwei bis drei Monaten"
Prof. Marylyn Addo von der Sektion Infektologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf schätzt, "zwei bis drei Monate mit regulatorischer Anpassung ist wahrscheinlich eine realistische Timeline", bis neue Covid-Impfstoffe bei neuen Mutanten zur Verfügung stehen können.
Und auch Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts - Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel - geht von schnellen Anpassungen aus, zumal aktuell an Angleichungen der gesetzlichen Regelungen in der EU gearbeitet werde.
Rekrutierung für Studien normalerweise aufwendig
Dass es der Forschung innerhalb nur eines Jahres überhaupt gelungen ist, gut funktionierende Impfstoffe zur Verfügung zu stellen, ist neben gemeinsamen, unternehmensübergreifenden Anstrengungen vor allem wohl auch der Pandemie selbst zu verdanken. Denn gerade die sogenannte Phase-III-Studie, in denen ein Impfstoff oft über Jahre an vielen Tausend Probanden erprobt werden muss, war nahezu ein Selbstläufer.
"Normalerweise ist es sehr aufwendig, mehrere Zehntausend Menschen zu rekrutieren und dann in dieser Phase abzuwarten, bis sich die Leute natürlicherweise infizieren", erklärt Prof. Carsten Watzl. Nun bei Corona war das anders: Freiwillige Studienteilnehmer waren schnell gefunden, und in Hochrisikogebieten wie in den USA und in Südamerika, in denen ein Großteil der Studien stattgefunden hat, kam es entsprechend schnell auch zu den nötigen Infektionen, um die Studien abzuschließen.
Gezieltes Infizieren umstritten
Dass Probanden solcher Studien sich auf natürlichem Weg infizieren müssen, hat übrigens gute Gründe, so Watzl:
Ganz ähnlich ist die Vorgehensweise bei der Zulassung von Impfstoffen und bei späteren Impfstoffanpassungen auch für die Altersgruppen der Kinder und Jugendlichen. "Bis auf Biontech, die in ihren Studien ab 16 getestet haben, hatten die anderen Hersteller zunächst die Altersgruppe ab 18 Jahren in den Studien. Was ja auch Sinn macht, weil das Virus ja vor allem bei Älteren die schweren Krankheitsverläufe verursacht", erklärt Carsten Watzl.
Studien zu Impfungen für Kinder laufen
Inzwischen arbeiten alle Hersteller auch an Studien für Kinder und Jugendliche - was üblicherweise nach Alter gestaffelt abläuft: Sechs Monate bis zwei Jahre, zwei bis fünf Jahre, sechs bis elf Jahre und schließlich zwölf bis 15 Jahre.
Bei Babys und Kleinkindern gehe es vor allem um Verträglichkeit und die Bildung von Antikörpern - und nicht darum zu warten, bis sich schließlich auch genug Testteilnehmer infiziert haben. "Ich gehe davon aus, dass ein Hersteller nach dem anderen in den kommenden Wochen und Monaten auch Zulassungen für Impfstoffe für Kinder und Jugendliche erhält", sagt Prof. Watzl.
Gerade bei Kindern steigen die Infektionszahlen stark an. Doch noch ist kein Impfstoff für sie zugelassen. Wie gefährdet sie sind und wie weit die Impfstoffentwicklung ist.
Virologe: Grundimmunisierung bleibt erhalten
Entsprechend könnten dann auch spätere Anpassungen an Virus-Mutanten für die jüngeren Altersgruppen erfolgen. Wer jetzt bereits eine oder zwei Impfungen erhalten hat, kann nach aktuellem Stand der Forschung recht zuversichtlich in die Zukunft schauen.
Und das könne auch herstellerübergreifend geschehen. Ob eine Grundimmunisierung, die ja aus zwei Impfungen besteht, ebenfalls mit Seren von unterschiedlichen Herstellern möglich ist, wird gerade noch untersucht.